Der E-Mail-Wechsel zwischen Christoph Schwennicke und Lars Haider. Heute: 70 Jahre deutsche Verfassung und 200 Jahre “Faust“.

Christoph Schwennicke, Chefredakteur des in Berlin produzierten Magazins „Cicero“, und Lars Haider, Chefredakteur des Abendblatts, pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend an dieser Stelle veröffentlichen.

 Haider: Lieber Christoph, habe ich dir schon erzählt, dass wir vom Abendblatt das Grundgesetz verfilmt haben? 20 bekannte Persönlichkeiten tragen auf einer Reise durch Vergangenheit und Gegenwart die wichtigsten Passagen vor. Und dabei ist mir aufgefallen, wie einmalig und schön dieses Grundgesetz ist, auch in seiner Sprache. Man mag nicht glauben, dass das 70 Jahre alt wird ... 

Schwennicke: Manche Texte werde nie alt und bleiben bezaubernd schön. Und sind konstitutiv für ein Gemeinwesen, was bei einer Verfassung selbstredend ist. Aber es gibt noch andere Texte für die Ewigkeit, für die das auch gilt: Wir haben bei „Cicero“ gerade 200 Jahre „Faust“ gefeiert, weil dieses größte Drama der Deutschen 1819 das erste Mal auf die Bühne kam. Da kannst du auch mal wieder reinlesen, was für eine Wortgewalt! Jeder Satz wie ein Peitschenknall, und das über zwei lange Bände. 

Haider: Ist das Grundgesetz der wesentliche Grund dafür, dass Deutschland heute in der Welt so dasteht, wie es dasteht? 

Schwennicke: Wie steht es denn da?

Haider: Als eine der am besten funktionierenden und sozial austarierten Demokratien der Welt. Oder siehst du das etwa auch mal wieder anders?

Schwennicke: Nein, sehe ich auch so. Nur nicht sehr zukunftsfest. Etwas selbstgefällig, was auch in deinen Worten, wenn ich das sagen darf, durchschimmert. Wir sollten uns weniger auf die Schulter klopfen und lieber mehr in die Hände spucken.

Haider: Genau deshalb haben wir ja den Film gemacht – um zu zeigen, dass das Grundgesetz schön, aber keine Selbstverständlichkeit ist ...

Schwennicke: Und vor allem, dass man sich auf diesem Glanzstück von einer Insel im Chiemsee nicht ausruhen darf. Zu viel Weihrauch vernebelt die Sinne.