Ein E-Mail-Wechsel von Abendblatt und „Cicero“.

Christoph Schwennicke, Chefredakteur des in Berlin produzierten Magazins „Cicero“, und Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend an dieser Stelle veröffentlichen.

Haider: Lieber Christoph, welche Entwicklung in unserer schönen Welt macht dir im Moment eigentlich die meisten Sorgen? Die annullierten Wahlen in der Türkei? Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran? Der Wettbewerb zwischen China und den USA? Bin gespannt.

Schwennicke: Der Zustand Europas. Und bevor jetzt die ganzen politisch einschlägigen Schlaumeier wieder kommen, nur einmal, ganz präzise: der Zustand der Europäischen Union.

Haider: Das meinst du wirklich ernst? Der Zustand der EU beunruhigt dich mehr als Türkei, Iran, USA/China? Das muss du mir einmal erklären …

Schwennicke: Es wird nicht zu einem Krieg der USA mit dem Iran kommen, und aus politischen Gründen annullierte Wahlen in der Türkei sind ein berechtigter Grund, sich als Demokrat aufzuregen und zu protestieren. Der fragile und politisch schwächliche Zustand Europas ist aber mit Blick auf die global veränderten Machtverhältnisse ein Problem von einer ganz anderen Dimension.

Haider: Aus dem welche weltweiten Probleme entstehen könnten?

Schwennicke: Gegenfrage: Welche weltweiten Probleme resultieren noch mal gleich aus einer Bürgermeisterwahl in Istanbul?

Haider: Da hast du auch wieder recht. Also können wir für die Europawahl nur was hoffen?

Schwennicke: Dass die nationalen Regierungen die Klatsche begreifen, die sie bekommen werden, und die EU grundstürzend reformieren. Demokratischer und und schlagkräftiger machen. Nach dem Prinzip: schlank und effizient – und konsequent an den gemeinsamen Außengrenzen. Macron hat schon Vorschläge gemacht, Sebastian Kurz aus Österreich auch. Aus Deutschland kam regierungsseitig nichts. Europa hat lange selbstgefällig vor sich hin geschlafen und steht jetzt unter einem enormen Außendruck und Handlungsdruck. Manchmal entsteht unter hohem Druck bekanntlich ein Diamant. Manchmal nur Matsch. Bei der EU ist das Ergebnis derzeit offen.