Ahrensburg/Reinbek. Nicht einmal jeder zehnte Schüler nutzt das Angebot. Schulleiter sehen sich Anfeindungen von Eltern ausgesetzt.

Das Interesse von Stormarner Jugendlichen, sich in der Schule gegen das Coronavirus impfen zu lassen, ist verhalten. So lautet die erste Bilanz, eine Woche nachdem die Kampagne angelaufen ist. Laut Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) möchte bislang nicht einmal jeder zehnte Schüler im Kreis, der älter als zwölf Jahre ist, das Angebot nutzen. Die im Vorfeld von Medizinern und Lehrern geäußerte Sorge, die Jugendlichen könnten einem Gruppenzwang unterliegen, sich impfen zu lassen, scheint sich derweil als unbegründet zu erweisen.

Gerade einmal 1074 von mehr als 15.000 Jugendlichen, die eine weiterführende Schule im Kreis besuchen, hatten sich laut Marco Dethlefsen, Sprecher der KVSH, bis zum Start der Aktion am vergangenen Donnerstag für eine Impfung angemeldet. Landesweit ist der Anteil ähnlich niedrig: 10.564 von rund 160.000 Schülern der Gemeinschaftsschulen und Gymnasien haben sich registriert. Bis einschließlich Dienstag haben laut Dethlefsen 259 Mädchen und Jungen an den Stormarner Schulen ihre erste Impfung erhalten.

Eltern haben häufig noch großen Beratungsbedarf

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die mobilen Impfteams nicht an allen Bildungseinrichtungen gleichzeitig im Einsatz sind. Für jede der weiterführenden Schulen ist zunächst ein Tag für die Impfungen vorgesehen. Während die Schüler einiger Gymnasien und Gemeinschaftsschulen die erste Dosis somit bereits erhalten haben, bekommen andere erst in den kommenden Tagen Besuch von den mobilen Einheiten.

Eine der Schulen, an der die Kampagne bereits Halt gemacht hat, ist das Eric-Kandel-Gymnasium (EKG) in Ahrensburg. Dort konnten sich Jugendliche ab zwölf Jahren am vergangenen Donnerstag immunisieren lassen. „Etwa zehn Prozent, rund 70 Schüler, haben das Angebot genutzt“, sagt Schulleiter Gerd Burmeister. Er führt die verhaltene Nachfrage darauf zurück, dass viele Jugendliche, besonders der höheren Jahrgänge, sich bereits zuvor bei ihrem Hausarzt oder in einem Impfzentrum hätten immunisieren lassen. Bei den Jüngeren hätten hingegen die Eltern häufig Beratungsbedarf, bevorzugten eine Impfung beim Arzt. Jugendliche unter 14 Jahren benötigen eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern, um sich immunisieren zu lassen. Die älteren Schüler dürfen darüber selbst entscheiden.

An der Sachsenwaldschule gab es nur 70 Anmeldungen

Die Befürchtung, dass durch das Impfen in der Schule ein Gruppenzwang entstehen könnte, hat sich laut Burmeister nicht bestätigt. „Zumindest, soweit sich das aus Lehrersicht beurteilen lässt, gab es keinen Druck auf Einzelne“, sagt er. Die Schulleitung habe sich bemüht, die Aktion so anonym wie möglich durchzuführen. „Die Anmeldungen konnten in namenlosen Briefumschlägen beim Klassenlehrer oder im Sekretariat abgegeben werden“, so Burmeister. „An dem Tag selbst haben wir die Termine für die älteren Schüler so gelegt, dass sie in den Pausen unauffällig zur Impfung gehen konnten. Die Jüngeren waren erst nach Unterrichtsende an der Reihe“, sagt Burmeister.

Auch an der Sachsenwaldschule in Reinbek sind die Anmeldezahlen unter den Erwartungen geblieben. Von den 1083 Schülern haben sich rund 70 registriert. „Möglicherweise liegt das auch daran, dass die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission für Jugendliche ab zwölf erst kurz vor Anmeldeschluss kam“, sagt die Leiterin des Gymnasiums, Helga Scheller-Schiewek.

Impfaktion bedeutet logistische Herausforderung

Auch wenn Schulleitung und Lehrkräfte an der Impfaktion selbst nicht beteiligt sind, bedeutet sie eine logistische Herausforderung. „Fürs Arztgespräch, die Impfung und anschließende Ruhezeit parallel zum Unterrichtsbetrieb müssen wir fünf Räume vorhalten“, sagt Scheller-Schiewek. Spannungen unter den Schülern im Zusammenhang mit der Kampagne hat sie bislang nicht wahrgenommen. „Natürlich ist die Impfung in den Klassen Thema, aber nicht auf ausgrenzende Weise“, sagt sie.

Anders sei es hingegen unter den Eltern. „Da gehen die Meinungen erheblich auseinander, ob Schulen der richtige Ort für die Impfungen sind, “, sagt Scheller-Schiewek. Es seien zwar nur wenige Eltern, die sich massiv beschweren würden. „Aber es gibt auch Fälle, in denen ich mich persönlich bedroht gefühlt habe“, sagt sie. Einen Vorfall habe sie in diesem Zusammenhang bereits an das Ministerium gemeldet.

Masken- und Testpflicht sorgt für viele Diskussionen

Auch ihr Kollege Gerd Burmeister vom EKG hat die Erfahrung gemacht, sich als Schulleiter den Unmut einiger Eltern zuzuziehen. „Weniger in Bezug auf die Impfung, als vielmehr aufgrund der Masken- und Testpflicht und anderer Regeln in den vergangenen Monaten“, berichtet er. Dass die Impfkampagne sozialen Sprengstoff biete, habe ihm die Ankunft des mobilen Teams an seiner Schule vor Augen geführt. „Die Ärzte und Helfer wurden von Polizeibeamten begleitet, das war ein befremdlicher Anblick“, so Burmeister.

Beide Schulleiter betonen, dass es von schulischer Seite aus keinen Druck gebe, sich impfen zu lassen. „Wir stellen zwar die Räume zur Verfügung, sind aber letztlich nichts weiter als der Ort der Durchführung“, sagt Burmeister. Die Organisation liege allein beim Bildungsministerium und der KVSH. Das erkläre er auch den Eltern immer wieder.

Laut Ministerin Prien schon 40 Prozent aller Schüler geimpft

Für Lehrkräfte sei es dennoch eine Gratwanderung, sagt Andrea Aust, Kreisvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW in Stormarn. „Natürlich bringt die Impfkampagne Unruhe in die Klassenräume und es gibt gerade bei Jüngeren Klärungsbedarf und viele Fragen.“ Zur pädagogischen Aufgabe der Lehrkräfte gehöre es dann, Aufklärungsarbeit zu leisten. „Andererseits ist das Thema so sensibel, dass die Kollegen versuchen müssen, jeden Eindruck einer Einflussnahme zu vermeiden“, so Aust.

Bildungsministerin Karin Prien sieht die Impfkampagne als Erfolg. „Von allen Schülern zwischen zwölf und 17 Jahren sind bereits 39,8 Prozent geimpft“, sagte die CDU-Politikerin. Sie freue sich, dass das niedrigschwellige Angebot einer Impfung in den Räumen der Schule gut angenommen werde. In den kommenden Wochen werde es an allen Schulen im Land ein Impfangebot geben. „Schülerinnen und Schüler, die sich bisher noch nicht angemeldet haben, das aber zum Beispiel aufgrund der geänderten Empfehlung der Stiko noch tun wollen, können sich jederzeit noch über ihre Schulen anmelden“, betonte Prien.

Schülervertreter fordern Öffnung des Angebots für Eltern

Auch von der Landesschülervertretung gibt es überwiegend lobende Worte. Rückmeldungen über Diskriminierung und Ausgrenzung von ungeimpften Schülern und solchen, die das Angebot nicht annehmen wollen, habe es bislang nicht gegeben. Zwei Kritikpunkte hat Ben Fricke, Landesschülersprecher, aber dennoch. „Wir wünschen uns mehr aktive Aufklärungsarbeit, damit eine größere Zahl Schüler über das Angebot, Vorteile und Risiken informiert wird“, sagt der 17-Jährige, der das Gymnasium Eckhorst in Bargteheide besucht. Und: „Ein sinnvoller Ansatz wäre es, das Angebot an den Schulen auch für Eltern und Geschwister zu öffnen.“ Dadurch könnten die Hemmschwelle reduziert und eine größere Personenzahl erreicht werden.