Bad Oldesloe. Am 19. August geht es los. Jugendliche ab 14 Jahren dürfen über Teilnahme selbst entscheiden. Einige haben Bedenken wegen Mobbing.

Die Infektionszahlen steigen, ebenso die Zahl der Corona-Patienten in Intensivstationen. Parallel laufen die Vorbereitungen für die Impfaktion an 250 Gemeinschaftsschulen und Gymnasien in Schleswig-Holstein. Start ist am 19. August. Bis zu den Herbstferien bleiben sechs Wochen Zeit, um alle impfwilligen Schüler ab zwölf Jahren sowohl mit der ersten als auch der zweiten Dosis des Vakzins von Biontech zu immunisieren.

Während die einen das Angebot als Chance sehen, fühlen sich andere davon offensichtlich provoziert. Eine Schleswig-Holsteinerin reichte gegen die Aktion einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht in Schleswig ein. Und musste sich von den Richtern sagen lassen, dass ihr die Befugnis für eine Klage fehle. Denn niemand müsse das Angebot annehmen.

Schulen melden Bedarf bei der Kassenärztlichen Vereinigung

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) ist für die Organisation verantwortlich. Bis zum heutigen Montag können die Schulen ihren Bedarf anmelden. Auf diesen Daten baue die Organisation auf. „Die Ärzte aus den mobilen Teams, die in den Pflegeheimen und Quartieren impfen, sind bis zum 18. August mit den Bedarfen durch“, sagt KVSH-Sprecher Nikolaus Schmidt. Damit würden Kapazitäten frei. Die Teams kämen von verschiedenen Hilfsorganisationen. „Einen großen Teil der Helfer haben wir über das Rote Kreuz rekrutiert.“

Im Hinblick auf die Schulaktion sagt DRK-Mitarbeiter Benjamin Hussong: „Die mobilen Impfteams werden sich personell verändern.“ Das Rote Kreuz stelle nur Personal. Laut Schmidt hat die KVSH die Mediziner für die Teams selbst geworben. Es sind vorwiegend pensionierte, niedergelassene oder freigestellte Ärzte sowie Medizinstudenten, die ihr Studium kürzlich beendet haben.

Zwei Norderstedter Klassen mussten in Quarantäne

Auch für die Schulen bedeutet das Vorhaben Aufwand. Der Vorsitzende des Schulleitungsverbands Schleswig-Holstein, Uwe Niekiel, sagt: „Wir haben alle Hände voll zu tun, das in den Schulen zu organisieren.“ Das einfach zu erreichende Impfangebot sei ein begrüßenswerter Schritt. Allerdings mit einem bitteren Nachgeschmack, so Niekiel. Denn jede Schule müsse vor Ort Sorge dafür tragen, dass niemand diskriminiert werde, weil er sich impfen oder nicht impfen lasse.

„Wir reißen uns nicht darum, das auch noch zu machen“, sagt er. Doch die Aktion trage dazu bei, das Ziel zu erreichen, 85 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Niekiel verweist darauf, dass im Umfeld einer Brunsbütteler Schule innerhalb einer Woche drei Ansteckungsfälle aufgetreten seien. Und in Norderstedt mussten nach Schulstart zwei Klassen in Quarantäne (wir berichteten).

Verschlossene Umschläge mit Anmeldungen eingesammelt

Im Gymnasium Trittau ist der stellvertretende Schulleiter Nils Wagner mit den Vorbereitungen beschäftigt. Er sagt: „Für die Aktion werden ein Vorbereitungs-, ein Gesprächs-, ein Impf- und ein Nachbereitungsraum benötigt.“ Die Schule melde den Bedarf und den jeweiligen Ansprechpartner an die Kassenärztliche Vereinigung. Es könnten auch Wunschzeiträume angegeben werden. „Es ist aber nicht gewährleistet, dass sie berücksichtigt werden.“

Die Anmeldungen hätten die Schüler in verschlossen Briefumschlägen bei den Klassenlehrern abgegeben, die die Listen mit Impfwilligen erstellten. Die Unterlagen habe die Schule zuvor per E-Mail sowohl an Eltern als auch Schüler geschickt. Bei Zwölf- und 13-Jährigen müssten die Erziehungsberechtigten unterschreiben, ab 14 Jahren dürften das die Schüler selbst.

David Ermes, Sprecher des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums, sagt: „Es wird an jedem Standort quasi ein kleines Impfzentrum aufgebaut.“ Die Schulen müssten klären, wohin das passe, damit die Laufwege nicht störten. Es gebe zwar mehr als 250 Standorte, aber einige lägen so nah beieinander, dass es reiche, eine der Schulen anzufahren. Private Schulen wie beispielsweise die Waldorfschule in Bargteheide seien ausgenommen. Ermes: „Das schließt nicht aus, dass es in weiteren Aktionen auch Angebote für andere Schulen gibt.“

Landesschülersprecher will weiter Testpflicht für alle

Denn nach wie vor gilt das Credo der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien (CDU): „Schulschließungen kommen – wenn überhaupt – nur punktuell und als allerletztes Mittel in Betracht“, sagte sie in einem Interview mit dem NDR. Die Ständige Impfkommission (Stiko) habe eine Impfempfehlung nur für Jugendliche mit Vorerkrankungen ausgesprochen. Aber das bedeute keineswegs, dass sie eine Impfung für Zwölf- bis 17-Jährige ausschließe, so Prien: „Wir haben in Schleswig-Holstein auch in den letzten Wochen bereits Jugendliche ab zwölf geimpft.“

Bernd Schauer, Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Landesverbands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagt: „Wir hätten uns zuerst eine Stiko-Empfehlung gewünscht.“ Trotzdem sei das Angebot ein richtiger Schritt. Er befürchte jedoch, dass die Schulen „zwischen die Fronten geraten“ könnten. So habe eine Schule in Niebüll einen Drohbrief erhalten. „Mich erschüttert das schon“, sagt Schauer. Diskussionen sollten mit demokratischen Mitteln ausgefochten werden. „Ohne, dass es Drohungen gibt.“

Schülersprecher für Impfung am Nachmittag

Ben Fricke, Landesschülersprecher der Gymnasien, sagt: „Ich kann mir vorstellen, dass Eltern von jüngeren Schülern die Impfung sehr kritisch sehen.“ Er finde die Aktion gut, „sie hätte aber auch früher kommen können“. Der 17-Jährige besucht das Gymnasium Eckhorst in Bargteheide. An seiner Schule habe es kein Infomaterial gegeben. Besser wäre es gewesen, wenn „Vertrauenspersonen wie Biologielehrer die Aufklärung übernommen und offen über die Risiken gesprochen“ hätten.

Eine Möglichkeit zur Vermeidung von Mobbing sieht Ben Fricke darin, die Aktion auf den Nachmittag zu legen. „Dadurch wird der Druck rausgenommen.“ Die Regelung, dass Geimpfte und Genesene sich nicht wie alle anderen Schüler zweimal in der Woche selbst testen müssen, kritisiert Fricke. Auch diese Gruppe könne die Infektion übertragen. „Ich finde es fragwürdig, das Testen sollte unbedingt weitergemacht werden.“