Grambek/Geesthacht. Mitarbeiter des für Kreis Stormarn zuständigen Entsorgers gewähren Einblicke in die Branche. Sie sprechen von Stress und Zeitdruck.
Vom 1. Januar nächsten Jahres an soll bei der Müllabfuhr in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg alles anders werden. Nach einer europaweiten Ausschreibung wird die Firma Damm mit Sitz in Grambek bei Mölln, wie berichtet, das Leeren der Bio- und Restmülltonnen in beiden Kreisen von der Grabau Entsorgung GmbH (GEG) mit Sitz in Geesthacht übernehmen. Dass dann auch alles besser wird, glauben nicht einmal die, die diesen Job Woche für Woche erledigen – die Müllwerker selbst. Unsere Redaktion hat mit zwei von ihnen gesprochen. Sie gewähren Einblicke in eine Branche, in der Zeitdruck, Stress und Anfeindungen zum Alltag gehören.
Personalprobleme seien nicht mehr zu kompensieren gewesen
Müll ist ein sensibles Thema. Insbesondere dann, wenn er nicht abgeholt wird, wie angekündigt. „Da verlieren Bürger schnell mal die Beherrschung“, sagt Bernd R. (Namen geändert), mehrere Jahre Mitarbeiter bei der GEG. Es werde bereits wegen Kleinigkeiten gepöbelt, gemotzt und gedroht. „Es reicht schon eine matschige Bananenschale in der ansonsten leeren Restmülltonne und man blockiert uns den Weg. Vor einigen Monaten baute sich sogar jemand mit einem Baseballschläger auf, weil sich seine Biotonne nicht restlos leeren ließ“, berichtet sein Kollege Thomas S.
Von solchen und ähnlichen Geschichten könne praktisch fast jeder berichten, der bei GEG als Fahrer oder Lader tätig sei. Insbesondere aus der Zeit Mitte 2018, als die Abfuhr über mehrere Monate hinweg nur unregelmäßig oder gar nicht erfolgte. „Auch wir waren damals von eine deutschlandweiten Grippewelle betroffen, durch die etwa 30 Kollegen ausgefallen sind“, sagt GEG-Prokuristin Stefanie Conte. Als dann auch noch binnen weniger Tage 18 von 30 Fahrern für besser Angebote gekündigt hätten, seien die Personalprobleme nicht mehr zu kompensieren gewesen.
Besetzung der Sammelfahrzeuge sei problematisch
„Gerade in diesen Monaten waren vier bis fünf Überstunden pro Tag keine Seltenheit. Von einer geregelten 40-Stunden-Woche, auf die sich unser Monatslohn bezieht, waren wir weit entfernt“, schildert Thomas S. die Situation. Es dauere halt, wenn ein Team an einem Tag bis zu 2000 Tonnen zu leeren habe. Da hätten nicht einmal die eigentlich vorgeschriebenen Pausenzeiten eingehalten werden können. Ebenso wenig wie die zulässige Fahrzeugzuladung von elf Tonnen. „Um die Touren fristgemäß abwickeln zu können, mussten immer wieder zwei, drei Tonnen mehr geladen werden als erlaubt.“ Das bedeute für die Fahrer ein erhebliches Risiko, weil sie bei einer Kontrolle Gefahr liefen, ihren Führerschein zu verlieren.
Für problematisch hält Bernd R. auch die Besetzung der Sammelfahrzeuge. Normal seien bei GEG ein Fahrer und ein Lader. „Sind doch mal zwei Lader an Bord, ist das fast wie ein Lottogewinn, weil dadurch die Belastung für die Lader automatisch sinkt“, erklärt R.
23.000 Biotonnen mehr innerhalb von sechs Jahren
Wirklich normalisiert habe sich die angespannte Lage aber nie. Selbst dann nicht, als mit Unterstützung der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH), die für die Entsorgung in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg zuständig ist, zusätzliche Fahrzeuge und Hilfskräfte verpflichtet wurden, um die regelmäßige Abfuhr zu gewährleisten. Der reguläre Feierabend um 14.45 Uhr sei noch immer eher die Ausnahme. Erst recht, wenn es zu einem Fahrzeugdefekt komme. Dann nämlich müsse umgehend die Firma Faun Umwelttechnik in Bad Oldesloe angefahren werden, um den Schaden beheben zu lassen. „Das kann schon mal ein bis zwei Stunden dauern“, sagt Tomas S. Anschließend müsse die Tour aber auf jeden Fall zu Ende gefahren werden. „Und wenn man dann gerade in Nordstormarn unterwegs ist, kommst du eben erst weit nach 18 Uhr wieder auf dem Betriebshof in Geesthacht an“, so S.
Zumal sich über die Jahre durch neue Wohngebiete auch die Zahl der zu transportierenden Tonnen deutlich erhöht hat. Waren es zur Übernahme des Entsorgungsauftrags für Stormarn 2015 noch 75.238 Restmüll- und 53.408 Bio-Tonnen, so erhöhte sich die Zahl bis jetzt auf 77.645 und 64.334. Im Herzogtum ist es im gleichen Zeitraum zu einem Zuwachs von 65.266 auf 67.409 Restmüll - sowie von 41.657 auf 53.458 Biotonnen gekommen. „28 Fahrzeuge und 70 Mitarbeiter waren letztlich viel zu wenig, um die Abfuhr für beide Kreise sicherstellen zu können“, sagt Bernd R. „Das Mülldesaster war absehbar.“
170 Bewerbungen gingen beim Damm-Geschäftsführer ein
Nachfolger Damm will laut AWSH-Sprecher Olaf Stötefalke künftig mindestens 34 Fahrzeuge und rund 100 Mitarbeiter einsetzen. Thomas S. bezweifelt, dass Damm das gelingen wird. Das Übernahme-Angebot, das die Firma vielen GEG-Mitarbeitern Anfang diese Jahres unterbreitet habe, sei nicht ausreichend. „2560 Euro brutto und nur 26 Tage Urlaub sind kein großer Anreiz, um sich längerfristig an Damm zu binden. Das sind trotz diverser Sonderzahlungen schlechtere Konditionen als bei Grabau, wo Fahrer 2780 Euro bekommen haben und 30 Tage Urlaub die Regel war“, so S.
Das beurteilt Damm-Geschäftsführer Jens Göhner gänzlich anders: „Durch die Sonderzahlungen werden viele Müllwerker der GEG bei uns mehr verdienen. 45 von ihnen wollen am 1. Januar zu uns wechseln, das spricht wohl für sich.“ Überdies hätten ihm Mitte der Woche weitere 170 Bewerbungen vorgelegen.