Hamburg. Marisa Heyn war in Wien in der Isolation. Das Quartier empfand sie als Gefängnis. Jetzt ist die Studentin zurück bei der Familie.
Manchmal kommt ihr das normale Leben ein wenig irreal vor. Wenn sie ganz selbstverständlich im Auto sitzt, um zu ihrer Familie zu fahren. Oder wenn sie über einen Weihnachtsmarkt bummelt. Denn Marisa Heyn hat in den vergangenen Wochen erfahren, dass diese Freiheit in Zeiten von Corona nicht selbstverständlich ist. Gleich zweimal musste sie rund 14 Tage in Quarantäne aushalten. Das letzte Mal in einem gewöhnungsbedürftigen Zimmer am Rand von Wien (das Abendblatt berichtete). Allein, ohne Freunde und Familie. Seit Kurzem ist die 21-Jährige zurück in Kiel. Und froh, wieder zu Hause zu sein.
Die letzten Tage in der Corona-Quarantäne in Wien waren aufregend. Immer wieder versuchte die Studentin zu erfahren, wann sie sich frei testen konnte. „Ich habe ewig in den Warteschleifen der Gesundheitsbehörde gehangen.“ Marisa Heyn war registriert als positiv getestete Person, allerdings gab es keine Unterlagen zu ihrem Aufenthaltsort. Sie galt als Quarantäne-flüchtig.
Kieler Studentin Marisa Heyn saß in der Falle
Dabei lebte sie bereits über eine Woche in dem Quartier, das die österreichische Regierung für Menschen ohne festen Wohnsitz eingerichtet hatte. In einem Krankenzimmer in einem stillgelegten Krankenhausflügel einer Klinik am Rande der Stadt. Nach neun Tagen in Isolation habe ihr ein Mann der Behörde geraten, sich in einer Apotheke frei testen zu lassen. Oder einen der offiziellen Testtrupps zu sich in die Quarantäne zu bestellen.
„Absurd. Schließlich durfte hier niemand rein.“ Als sie dann den Mitarbeitern der Anlage gesagt habe, dass sie zu einem Test in der Apotheke um die Ecke gehen wolle, waren die irritiert. „Sie würden die Polizei rufen müssen, sollte ich das Gelände verlassen.“ Marisa Heyn saß in der Falle. Sie konnte nichts tun, als darauf zu hoffen, dass irgendwann jemand kommt, um sie zu testen.
Gerade mal einen Tag später stand plötzlich ein Mann in ihrem Zimmer. Er sei hier, um sie zu testen, erklärte er ihr. Marisa Heyn war überrascht und erleichtert. „Ich habe sofort angefangen, meinen Koffer zu packen.“ Schon am Tag darauf zur Mittagszeit wurden ihr dann die Entlassungsunterlagen ausgehändigt. „Mein PCR-Test war noch positiv, aber der entscheidende Wert, der CT-Wert, war so hoch, dass ich nicht mehr als ansteckend galt.“
Wien: Corona-Unterkunft vor allem für Geflüchtete
Aber wohin jetzt? Der nächste Zug in die Heimat ging erst am nächsten Tag. Wien steckte zu diesem Zeitpunkt schon in einem Lockdown. Hotels waren geschlossen. „Ich habe in meinem Hostel angerufen und gefragt, ob ich noch eine Nacht dort unterkommen kann.“ Konnte sie, für Notfälle dürfen die Betreiber ihre Zimmer vergeben. Also schlief sie eine letzte Nacht in Wien – vorerst zumindest. Und stieg am Morgen darauf in den Zug.
Zum Glück, sagt Marisa Heyn, hat sie ihre Wohnung in Kiel noch nicht gekündigt. Hier will sie jetzt die kommenden Wochen bleiben. Die Veranstaltungen des Studiums gibt es derzeit nur noch digital. Nach wie vor suche sie aber ein WG-Zimmer in Wien.
Wenn Marisa Heyn jetzt durch die Straßen von Kiel läuft, denkt sie noch oft an die Tage in der ungewöhnlichen Quarantäne zurück. Was für sie eine eher heruntergekommene Unterkunft war, war für viele ein echtes Geschenk, sagt sie. „Ich habe erfahren, dass dort vor allem Flüchtlinge untergebracht sind.“ Einige von ihnen würden kurz vor der Abschiebung stehen. „Für sie ist die Corona-Unterkunft quasi das Ticket in die Freiheit.“ Warum? Weil dort die Kontrollen nicht so streng sind und sie entkommen können.
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Marisa Heyn: "Eine hilfreiche Erfahrung"
„Allein, als ich da war, sollen fünf Menschen geflüchtet sein, hat man mir erzählt.“ Das habe sie sehr nachdenklich gemacht. „Denn was für mich wie ein Gefängnis erschien, bedeutete für andere eine letzte Chance.“ Ganz zu schweigen von dem etwas heruntergekommenen Zustand der Unterkunft. Den hätten andere gar nicht so empfunden. „Schließlich gab es ein Einzelzimmer, regelmäßig warmes Essen und Duschmöglichkeiten.“
Immer wieder empfinde sie jetzt ganz intensiv, wie gut es ihr gehe. „Außerdem bin ich der Meinung, dass im Nachhinein betrachtet ein solches Erlebnis eine hilfreiche Erfahrung ist“, sagt sie. „So schnell bringt einen nach zweimal zwei Wochen Quarantäne nichts mehr aus dem Konzept.“
Eins möchte Marisa Heyn noch klären. „Ich mache in zwei Wochen einen Antikörpertest.“ Es gibt den Verdacht, dass sie einfach nicht genug Antikörper bilde. „Und wenn ich auch jetzt nur wenige Antikörper im Blut habe, dann muss ich mein Leben darauf einstellen.“ Discobesuche oder Partys seien dann mit Vorsicht zu genießen. Ein netter Abend könne schnell zu zwei weiteren Wochen Quarantäne führen. Aber es gibt Schlimmeres, das hat sie ja gerade erst gelernt…