Bad Oldesloe. Elternvertretung wendet sich mit offenem Brief an die Kreispolitik. Die Belastungsgrenze sei erreicht – organisatorisch wie finanziell.
Spontane Gruppenschließungen, gekürzte Betreuungszeiten, überlastete Erzieher, krankheitsbedingte Ausfälle und zahlreiche Kündigungen – in vielen Kitas des Kreises Stormarn häufen sich die Beschwerden genervter Eltern über gravierende Personalengpässe, die eine verlässliche Betreuung ihrer Kinder immer öfter erschweren. „Der Mangel an Fachkräften und die damit verbundenen Kürzungen der Betreuungszeiten in den Kindertagesstätten haben ein erschreckendes Maß erreicht“, sagt Maria Ahrends, Co-Vorsitzende der Kreiselternvertretung.
Auf der jüngsten Sitzung des Gremiums am 19. Mai haben sich die 13 Elternvertreter intensiv über die prekäre Lage ausgetauscht. Diskutiert wurde unter anderem der aktuelle Notstand in der Lasbeker Kita Regenbogenland, über den das Abendblatt in seiner Freitagausgabe, 20. Mai, berichtet hat.
Pandemie offenbart „verheerendes Fachkräfte-Defizit“
In der Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist es am Mittwoch, 18. Mai, zur Schließung von zwei Elementargruppen gekommen, weil gleich vier Erzieher und beide Leitungsmitarbeiter krankheitsbedingt ausgefallen sind. Der DRK-Kreisvorstand sprach von einer „Ausnahmesituation“. Elternvertreter monierten im Gespräch mit unserer Redaktion indes, dass die Kita bereits seit geraumer Zeit personell unterbesetzt sei, es eine hohe Fluktuation unter den Mitarbeitern und deshalb kaum Kontinuität und Regelmäßigkeit in der Betreuung gebe.
„Das allerdings ist im Kreis Stormarn längst ein flächendeckendes Problem, mit dem faktisch alle Träger zu kämpfen haben“, sagt der Co-Vorsitzende der Kreiselternvertretung, Marco Heidorn. Die Corona-Pandemie habe ein „verheerendes Fachkräfte-Defizit“ offenbart. „Betreuungseinbußen sind nach wie vor regelmäßig an der Tagesordnung“, konstatiert Heidorn.
Eltern-Umfrage zeichnet dramatisches Bild der Lage
Eine Umfrage der Kreiseltern-Vertretung zwischen Ende November 2021 und Mitte Januar dieses Jahres hat ein erschreckendes Bild von den Verhältnissen in den Kitas gezeichnet. 247 von 425 Elternvertretern kreisweit meldeten stundenweise Kürzungen von Betreuungszeiten, 162 die Absage vollständiger Tage und 240 bestätigten mehrfache Bitten von Kitaleitungen, die Kinder doch möglichst daheim zu betreuen.
Die Leitung der Awo-BewegungsKita in Reinfeld, in die auch Heidorns Sohn geht, errechnete allein für Mai 90 unbesetzte Betreuungsstunden. „Seit Anfang des Jahres gab es kaum eine Woche, in der es nicht zu Einschränkungen gekommen ist“, berichtet Heidorn. Mit diesem Problem würden die Eltern aber zunehmend allein gelassen. Es müsse Schluss damit sein, permanent auf das Verständnis und die Gunst der Arbeitgeber und der Großeltern setzen zu müssen.
Familien beklagen erhebliche Einkommensverluste
„Die Belastungsgrenze ist für viele Eltern nicht nur erreicht, sondern längst überschritten – organisatorisch wie finanziell“, sagt Maria Ahrends. Weil die fehlenden Betreuungszeiten innerfamiliär kompensiert werden müssten, seien viele Eltern gezwungen, ihre Arbeitszeit zu verkürzen. Das aber führe nicht selten zu Einkommensverlusten in den Familien. Verschärft werde die Lage zudem durch steigende Energiepreise und Lebenshaltungskosten.
Darauf hat die Kreiselternvertretung nun mit einem offenen Brief an die Kreispolitik reagiert. „Wir brauchen vertretbare Erstattungsmodelle, die sowohl für die Familien als auch die Einrichtungen und Träger funktionieren“, heißt es in dem Schreiben. Es könne nicht sein, dass trotz verminderter Betreuungszeiten die Elternbeiträge unberührt blieben und die Eltern gezwungen seien, weiter den vollen Beitrag zu zahlen.
Anspruch auf Erstattung ist bisher ausgeschlossen
Einen Anspruch auf Erstattung haben Eltern bislang nicht. In den gängigen Satzungen und Betreuungsverträgen, sind Rückzahlungen für unvorhergesehene Fälle ausgeschlossen. „Das mag vor 20 Jahren noch berechtigt gewesen sein, als Betreuungsausfälle noch relativ selten waren“, argumentiert Heidorn. Inzwischen habe sich die Situation aber grundsätzlich verändert. Wegen des Fachkräftemangels und lückenhafter Stellenpläne in vielen Einrichtungen könne von „außerordentlichen“ Umständen nicht mehr die Rede sein.
Anderenorts habe man darauf bereits reagiert. So biete die Landeshauptstadt Kiel ein weitreichendes Konzept für Beitragsrückerstattungen an, das auch für den Kreis Stormarn geeignet wäre. Sollten Einrichtungsträger und Kommunen diese Zahlungen nicht leisten können, sollte sich der Kreis beteiligen. „Immerhin ist er auch für die Bedarfsdeckung verantwortlich und kommt dieser Aufgabe aktuell nur unzureichend nach“, so Heidorn.
Jugendhilfeausschuss nimmt Thema auf die Agenda
Nach zwei Jahren Kitabetrieb unter Pandemie-Bedingungen und der Einführung eines reformierten KiTa-Gesetzes mit prognostiziertem Fachkräftemangel und zahlreichen Streiktagen benötigten Familien dringend Stabilität und Entlastung, sagt die Co-Vorsitzende der Kreiselternvertretung Maria Ahrends. Sie appelliert an die kitapolitischen Entscheidungsträger des Kreises Stormarn, möglichst rasch familienfreundliche Lösungen anzubieten.
In seiner nächsten Sitzung am Montag, 30. Mai, ab 19 Uhr will der Jugendhilfeausschuss Stormarn im Kreistagssitzungssaal bereits über den Vorstoß der Elternvertreter beraten.