Lübeck/Grönwohld. 21-Jähriger steht derzeit wegen Totschlags vor Gericht, doch die Nebenklage will erreichen, dass er wegen Mordes angeklagt wird.

Am späten Abend des 21. Oktober 2020 wurde Mohamed C. (22) mit 27 Messerstichen auf einem Spielplatz in der kleinen Gemeinde Grönwohld getötet. Seit dem 26. April steht Nick G. (Name geändert), ein 21 Jahre alter Bekannter des Opfers, in Lübeck vor dem Landgericht – wegen Totschlags. Auf eine Anklage wegen Mordes hatte die Staatsanwaltschaft verzichtet. Es gebe keine eindeutigen Beweise, dass Mohamed C. zum Zeitpunkt des tödlichen Angriffs arg- und wehrlos gewesen sei. Beides ist Voraussetzung für eine Mordanklage.

Nach dem Mord auf einem Spielplatz in Grönwohld haben zum Zeichen der Anteilnahme zahlreiche Grönwohlder am Tatort Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet.
Nach dem Mord auf einem Spielplatz in Grönwohld haben zum Zeichen der Anteilnahme zahlreiche Grönwohlder am Tatort Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. © Unbekannt | Picture Alliance

Bei der Familie des Opfers, die in dem Verfahren als Nebenkläger auftritt, sorgte das für Kritik. Deren Anwälte sehen inzwischen genug Anhaltspunkte für eine Verurteilung Nick G.s wegen Mordes. „Allein die Tatsache, dass der Geschädigte nur an der Körperrückseite Verletzungen aufwies, spricht für einen überraschenden Angriff“, sagte Nebenklagevertreter Joachim Breu. Zudem hätten bei der Obduktion Mohamed C.s sowie der rechtsmedizinischen Untersuchung des Angeklagten nach seiner Festnahme am 25. Oktober, vier Tage nach der Tat, keine Spuren eines Kampfes zwischen den Männern festgestellt werden können. „Das Opfer hat zwölf Jahre Kampfsport gemacht. Hätte er den Angriff kommen sehen, hätte er sich gewehrt“, so Breu.

Rechtsmedizinerin vermutet Attacke während einer Umarmung

Der Anwalt bezieht sich auf das Gutachten, das eine Rechtsmedizinerin am vergangenen Verhandlungstag vor zwei Wochen vorgestellt hatte. Sie hatte eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern unmittelbar vor der Tat ausgeschlossen. „Dann hätten beide typischerweise Hämatome aufgewiesen“, sagte sie. Als wahrscheinlichstes Szenario zeichnete die Rechtsmedizinerin eine Attacke während einer Umarmungssituation, etwa bei der Begrüßung.

„In diesem Fall hätte der Angeklagte seinen Arm mit dem Messer bereits hinter dem Rücken des Opfers gehabt und dieses hätte den Angriff nicht kommen sehen und sich dementsprechend auch nicht wehren können“, sagte die Expertin. Auch hätte Mohamed C. nicht aus der Umarmung fliehen können. Die Tatwaffe soll ein Schlagring mit ausklappbarem Messer gewesen sein, gefunden wurde er bis heute nicht.

Staatsanwaltschaft sieht Streit um Drogen als Tatmotiv

Zum Zeitpunkt der Anklageerhebung hatte das rechtsmedizinische Gutachten laut Staatsanwaltschaft noch nicht vollständig vorgelegen. Die Nebenklage hat nun beantragt, dass das Gericht einen sogenannten rechtlichen Hinweis erteilen soll. Ein solcher ist notwendig, wenn eine Verurteilung wegen eines anderen Tatvorwurfs als des angeklagten aus Sicht der Richter im Raum steht. Also in diesem Fall, wenn die Kammer Hinweise dafür sieht, dass Nick G. wegen Mordes anstatt wegen Totschlags zu verurteilen ist. Bis zum Fortsetzungstermin am Donnerstag, 27. Mai, wollen die Richter darüber entscheiden.

Das Tatmotiv bleibt unklar. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein Streit über Drogenschulden zu der tödlichen Attacke geführt hat. Beide Männer sollen gemeinsam mit Cannabis und Kokain gehandelt und sich dazu regelmäßig auf dem Spielplatz getroffen haben. Mehrere Zeugen hatten das vor Gericht bestätigt. Sowohl Mohamed C. als auch Nick G. wohnten in unmittelbarer Nähe. Auch am 21. Oktober sollen die Männer dort verabredet gewesen sein, das belegen Handychats. Aus der Korrespondenz der beiden war zudem hervorgegangen, dass Nick G. seinem Opfer einen Betrag von 700 Euro schuldete und den 22-Jährigen unmittelbar vor der Tat wiederholt vertröstet hatte.

Hinweise auf rechtsradikales Gedankengut des Täters

Die Nebenklage hingegen hatte ein rechtsradikales Motiv ins Spiel gebracht. Der Stiefvater des Angeklagten, Carsten S., soll mehrfach wegen rechtsradikaler Taten vorbestraft und Bassist in einer Band aus der Skinhead-Szene sein. Mehrere Bekannte von G. hatten zudem vor Gericht von einer ausländerfeindlichen Einstellung des 21-Jährigen berichtet. Für beide Ansätze gab es am dritten Verhandlungstag weitere Anhaltspunkte.

Ein Kriminalbeamter stellte die Ergebnisse der Durchsuchung der Wohnung von G. vor. Dabei seien neben mehreren Messern und einem Luftgewehr auch fünf teilweise verbotene CDs mit rechtsradikalem Inhalt gefunden worden. Die Auswertung der Bankkonten des Angeklagten habe ergeben, dass dieser zum Tatzeitpunkt Schulden in Höhe von rund 700 Euro gehabt habe.

DNA-Spuren des Angeklagten an der Hand des Toten

Weiter belastet wird Nick G. auch durch ein DNA-Gutachten. An Mohamed C.s Leichnam wurden demnach an der Hand genetische Spuren entdeckt, die mit der DNA des Angeklagten übereinstimmen. Die Verteidigung bestreitet die Aussagekraft des Gutachtens. Das genetische Material müsse nicht direkt vom Angeklagten auf Mohamed C. übertragen worden sein, sondern können auch sekundär, also durch einen Gegenstand, den beiden anfassten, an die Hand des 22-Jährigen gelangt sein, argumentierte G.s Anwalt Eric Goldbach.

Der Verteidiger brachte stattdessen einen weiteren Tatverdächtigen ins Spiel. Bei einer Party soll der ehemals beste Freund von Nick G., der bereits vor Gericht ausgesagt hat, gegenüber anderen geäußert haben, er habe Mohamed C. getötet. Alle Gäste der Feier sollen zu dem Zeitpunkt jedoch betrunken gewesen sein. „Dieser Spur, die meinen Mandanten eindeutig entlastet, muss nachgegangen werden“, so Goldbach. Das Gericht möchte die beiden Männer nun in der kommenden Woche befragen.