Bargteheide. Claudia Goldmann gehört zu rund 50 Foodsavern zwischen Ammersbek und Trittau. Sie will der Wegwerfmentalität etwas entgegensetzen.

Auf dem Hof am Ende einer Sackgasse in Bargteheide sind ein Dutzend gut sortierter Stiegen aufgereiht. Gefüllt sind sie mit Paprika und Zucchini, Bananen und Äpfeln, Milch und Sahne, Brot und Schokolade. All diese Waren wären eigentlich längst auf einer Müllhalde im Nirgendwo gelandet, ausgemustert von Supermärkten, kleinen Läden, Kiosken und Tankstellen. Dass sie stattdessen doch noch verzehrt werden können, ist das Verdienst von Idealisten wie Claudia Goldmann. Als so genannte Foodsaver retten sie Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs vor der sinnlosen Vernichtung.

Keine Konkurrenz zu den Tafeln

„Nein, wir machen den Tafeln keine Konkurrenz. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag für diese Gesellschaft und gehen deshalb immer vor. Und, nein, die Menschen, die zu uns kommen, tun dies nicht in erster Linie aus einer Bedürftigkeit heraus“, räumt die 34 Jahre alte Bargteheiderin gleich mal zwei Mythen ab. Retter und Abnehmer würden vor allem aus einer inneren Überzeugung heraus handeln. Die geprägt sei von Zahlen und Fakten, mit denen sie sich nicht einfach abfinden wollen.

Laut einer Studie des Thünen-Instituts in Braunschweig landen in Deutschland jährlich mehr als zwölf Millionen Tonnen Lebensmitteln in der Tonne. Der Groß- und Einzelhandel ist daran mit 500.000 Tonnen beteiligt, die Außer-Haus-Verpflegung mit 1,7 Millionen Tonnen. Der mit 6,1 Millionen Tonnen (52 Prozent) größte Anteil entfällt unterdessen auf die Verschwendung in privaten Haushalten. Jeder Bundesbürger wirft pro Jahr etwa 75 Kilogramm an verzehrbaren Produkten in den Müll. Eine Zahl, die auch Claudia Goldmann nachdenklich gemacht hat.

Kleinere Posten werden mit Fahrrad transportiert

„Ich habe mich mit dem Thema erstmals vor viereinhalb Jahren im Zusammenhang mit einer Ernährungsumstellung auseinandergesetzt“, berichtet sie. Dabei sei sie auf die Initiative foodsharing.de gestoßen. Die Internetplattform organisiert das Verteilen abgeschriebener Lebensmittel. Eingesammelt werden sie von freiwilligen Foodsavern, von denen es bundesweit inzwischen mehr als 101.000 geben soll.

Zwischen Ammersbek und Trittau sind es aktuell 50, von denen wiederum fünf in und um Bargteheide aktiv sind. „Wir wollen die Wege kurzhalten, um nicht auf der anderen Seite wieder unnötige CO2-Emissionen zu erzeugen“, erklärt Claudia Goldmann. Deshalb nutze sie zur Abholung kleinerer Posten so oft wie möglich statt ihres privaten Autos einen Fahrradanhänger, mit dem sich bis zu 30 Kilogramm transportieren ließen. Angefahren werden von Goldmann und ihren Mitstreitern etwa 20 Geschäfte, Kioske und Tankstellen sowie ein Zentrallager in Ahrensburg.

Viele Aktivisten sind Frauen zwischen 30 und 60 Jahren

Die Aktivisten sind ein bunter Verbund, der vornehmlich aus Frauen besteht, die zwischen 30 und 60 Jahre alt sind. „Darunter sind viele Mütter, aber auch Berufstätige ohne Kinder“, erzählt Goldmann, die als Rechtsassistentin bei der Otto-Group beschäftigt ist.

Unterstützt wird sie in ihrem Engagement von ihren Eltern, die selbst aus dem Einzelhandel kommen. Sie stellen der Tochter auf ihrem Hof geeigneten Raum zur kurzzeitigen Zwischenlagerung der Waren zur Verfügung. „Ich versuche das so zu organisieren, dass die geretteten Lebensmittel möglichst am nächsten Tag abgeholt werden können, damit sie noch frisch sind und nicht verderben“, so Goldmann.

Mehr als 110 Abnehmer haben sich vernetzt

Per Whatsapp-Gruppe informiert sie ihre mehr als 110 Abnehmer über das Angebot und das Zeitfenster für die Abholung. So wie am vorigen Sonnabend. Bereits kurze Zeit später sind die Ersten zur Stelle. Lina Waterböhr ist seit Dezember 2019 dabei. Sie ordert diesmal für vier verschiedene Haushalte mit insgesamt 18 Personen in Bargteheide und Tremsbüttel.

Lina Waterböhr wählt aus dem kostenlosen Angebot aus.
Lina Waterböhr wählt aus dem kostenlosen Angebot aus. © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

„Für uns ist das inzwischen zu einer echten Herzensangelegenheit geworden“, sagt sie. Vorbehalte gegen die geretteten Waren gebe es nicht. Oft sei das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht einmal überschritten. Und Obst und Gemüse ließen sich in der Regel noch immer vollkommen unbedenklich verarbeiten. „Durch das Foodsaving hat sich auch mein eigenes Konsumverhalten verändert. Ich kaufe jetzt viel bewusster ein und achte mehr darauf, dass Lebensmittel möglichst nicht weggeworfen werden“, gesteht sie.

Seit 2018 schon zehn Tonnen Lebensmittel gerettet

Gabriele Botes, die auch ihre Söhne in Ahrensburg und Hamburg mitversorgt, findet die permanente Überproduktion von Lebensmitteln einfach nur dekadent. „Das muss in den Köpfen der Leute mal ankommen. Weil die Herstellung vom Bedarf entkoppelt ist, werden so viele wertvolle Ressourcen sinnlos verschleudert. Da muss endlich ein Umdenken stattfinden“, fordert sie.

Claudia Goldmann, die sich auch in der Initiative Bargteheide Zero engagiert, ist überzeugt, dass das Vorleben guter Beispiele für aktiven Klima- und Umweltschutz viel mehr bewirkt als alle Verbote. Ihre persönliche Bilanz kann sich jedenfalls schon jetzt sehen lassen: Bei 395 persönlichen Abholungen seit Mitte 2018 hat sie bereits 10,7 Tonnen Lebensmittel gerettet.