Oststeinbek. Rentner prangert Missstände im Kursana in Oststeinbek an, lässt seine Frau in Glinder Heim verlegen. Einrichtung wehrt sich.
Andreas Paschela sitzt auf einer Holzbank gegenüber dem Kursana in Oststeinbek. Er ist an den Ort zurückgekommen, mit dem er nichts Gutes verbindet. Seine Frau Wanda war rund drei Monate in dem Pflegeheim untergebracht. Als er über seine Erlebnisse erzählt, hat er Tränen in den Augen, holt immer wieder tief Luft, um dann fortzufahren. Seine Geschichte erschüttert, macht fassungslos.
Der 72-Jährige wirkt vertrauenswürdig, betont mehrfach, die Wahrheit zu sagen – und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Einrichtung. Der Mann prangert Missstände bei der Pflege an, geht hart mit dem Personal ins Gericht und wirft Mitarbeitern arrogantes Verhalten vor. Seine Gattin hat er inzwischen in ein Heim nach Glinde verlegen lassen. Zu groß war die Sorge um ihre Gesundheit. Das Kursana weist alle Anschuldigungen zurück und verteidigt sich.
2017 begann es bei der Rentnerin mit der Demenz
Rückblick: Das Paar siedelt 1989 von Polen nach Deutschland um. Er arbeitet als Autokranfahrer, sie verdient ihr Geld in einer Eisdiele. Die Paschelas ziehen einen Sohn groß, verbringen viel Zeit miteinander. Sie führen eine glückliche Ehe. Und sie reisen gern, urlauben in New York, Kenia, Ägypten und zum Beispiel auf Kreta. Daran wollen sie auch im Rentenalter festhalten, haben sich noch viel vorgenommen. Das Paar lebt in einer Wohnung in Hamburg-Neuallermöhe, dritter Stock. 2017 beginnt es bei der heute 73-Jährigen jedoch mit der Demenz. „Erst war da die Vergesslichkeit“, sagt ihr Mann. Auffallend sei auch die stetige Nervosität gewesen. Und sie versteckt diverse Sachen in Schränken, bekommt Tabletten. Es geht ihr zunehmend schlechter.
Seit zwei Jahren ist die Rentnerin ein Pflegefall, fällt oft hin. „Ich konnte meine Frau nicht mehr allein lassen“, sagt Andreas Paschela. Er muss sie füttern, ins Bett bringen und in die Badewanne heben. Das fällt ihm schwer, denn sein Kreuz ist lädiert. Er bekommt Unterstützung von einem Pflegedienst, sagt: „Ich habe mir meinen Lebensabend anders vorgestellt.“ Dann schweigt er und weint. Der Rentner wollte seine Frau unbedingt in der Wohnung halten. Im vergangenen Jahr wird ihm aber klar: So geht es nicht weiter. „Ärzte haben zum Heim geraten. Sie sagten, sonst würden wir beide kaputt gehen.“
Verspäteter Einzug wegen eines positiven Corona-Tests
Andreas Paschela lässt sich von der Sozialberatung eine Liste mit Pflegeheimen in Hamburg und Umgebung schicken, sucht rund ein halbes Jahr nach einer passenden Unterkunft. Dann bietet das Kursana seiner Frau ein Zimmer an. Wanda Paschela kann inzwischen nicht mehr sprechen und ist bettlägerig. Am 12. November soll sie einziehen, infiziert sich jedoch mit Corona, muss in der Wohnung in Quarantäne bleiben. Deshalb klappt es erst Anfang Dezember. „Ich hatte seinerzeit einen sehr guten Eindruck vom Kursana“, sagt Andreas Paschela.
Das ändert sich schnell. „Sie haben meine Frau schlecht behandelt, ihr zum Beispiel zu wenig Flüssigkeit gegeben“, sagt der Senior. Ihre Mundschleimhaut sei ganz trocken gewesen. Als er das Personal darauf aufmerksam gemacht habe, sei er schroff abgewiesen worden. Dann wird Wanda Paschela binnen zehn Tagen dreimal in eine Klinik gebracht. Sie ist gestürzt, hat eine Platzwunde am Kopf und auch ein blaues Auge. Der Rentner wird immer misstrauischer gegenüber dem Pflegepersonal, will wissen, wie es dazu gekommen ist. „Mir wurde gesagt, meine Frau habe sich mit dem Rollstuhl aus dem Speisesaal entfernt, sei dann im Zimmer in einer Blutlache aufgefunden worden. Dabei kann sie sich in dem Gerät gar nicht allein fortbewegen.“ Auch bemängelt der Mann aus dem Bezirk Bergedorf, die Windeln seien nicht oft genug gewechselt worden. Einmal, bei einem Besuch kurz vor dem Mittagessen, sei der Pyjama voller Urin gewesen.
Schriftstücke über Krankenhausaufenthalte sind im Ordner gesammelt
Seine Ausführungen sind sehr detailliert. Andreas Paschela hat einen Ordner mit Schriftstücken über die Krankenhausaufenthalte inklusive Diagnose. Auch ausgedruckte E-Mails an das Kursana sind darin abgelegt. Eine datiert vom 11. Januar. Es geht um den positiven Corona-Test seiner Frau vom 27. Dezember in dem Pflegeheim. Die Laborergebnisse soll er, so steht es in dem Schreiben, dem St.-Adolf-Stift in Reinbek übermitteln, wo seine Frau am 5. Januar eingeliefert und negativ getestet wurde. „Bitte senden Sie mir die Ergebnisse meiner Frau zu, sodass ich meinen Pflichten als Bevollmächtigter nachkommen kann“, heißt es im vorletzten Absatz der elektronischen Nachricht. Dem kommt das Kursana nicht nach.
Andreas Paschelas Ärger über den Umgang mit ihm wächst. Ein Grund sei auch ein Besuchsverbot im Januar gewesen. Das will er nicht hinnehmen, kontaktiert daraufhin die Hauptverwaltung in Berlin. „Wir haben den Kompromiss gefunden, dass ich montags, mittwochs und freitags kommen kann“, erzählt er. Kurz darauf habe ihn die Oststeinbeker Pflegeeinrichtung angerufen und sich über diese Aktion beschwert. Der Rentner wirft dem Personal zudem vor, seiner Frau Tabletten verabreicht zu haben, die sie nicht hätte einnehmen sollen. Und er sagt: „Ihr Zustand hat sich verschlechtert.“ Deshalb will er bei der Verabreichung des Mittagessens im Zimmer anwesend sein, das Personal also kontrollieren. „Mit wurde gesagt, dass man erst mit dem Füttern beginne, wenn ich den Raum verlasse.“ Auf die Frage warum, sei ihm von der Direktorin mitgeteilt worden, das könne er im Internet recherchieren. Andreas Paschela schüttelt den Kopf, als er seine Version der Ereignisse schildert.
Laut Kursana hat es kein Besuchsverbot gegeben
Das Pflegeheim hat eine komplett andere Sichtweise auf die Geschehnisse. „Die Vorwürfe des Angehörigen weisen wir zurück. Die gute Pflege und Betreuung der Bewohner ist jederzeit sichergestellt“, sagt eine Kursana-Sprecherin. Selbstverständlich wechselten Mitarbeiter regelmäßig das Inkontinenzmaterial und dokumentierten das in der Pflegedokumentation. Getränke würden jederzeit bereitgestellt und auch aktiv angeboten. Die Medikation sei durch den behandelnden Arzt verändert und entsprechend umgesetzt worden. Beim Versuch, eigenständig aus dem Rollstuhl aufzustehen, sei die Bewohnerin gestürzt und habe sich verletzt.
Auch geht die Sprecherin auf Andreas Paschelas Auftreten in der Einrichtung ein: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass unsere Mitarbeiter Angehörige während der Versorgung der Bewohner für einen Moment aus dem Zimmer bitten, zum Beispiel um deren Intimsphäre zu schützen. Im konkreten Fall erfolgte die Bitte, weil der Angehörige Mitarbeitern gegenüber unflätig war.“
Das vorübergehend ausgesprochene Besuchsverbot bestreitet die Sprecherin: „Als Präventionsmaßnahme gegen das Coronavirus haben wir in Abstimmung mit den Behörden ein Besuchskonzept aufgesetzt. Danach sind Besuche im Zimmer nicht möglich, aber im Besucherraum und unter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln. Das hat auch der Angehörige genutzt. Als sich der Gesundheitszustand der Bewohnerin verschlechterte, konnte er sie unter Einhaltung des Hygienekonzepts täglich und auch spontan in ihrem Zimmer besuchen.“ Ein schriftliches Ergebnis des Covid-19-Tests habe in der Einrichtung nicht vorgelegen, dies sei Andreas Paschela auch klar kommuniziert worden. „Grundsätzlich ist für die Kommunikation von Testergebnissen das Gesundheitsamt zuständig“, so die Sprecherin.
Heimaufsicht stellte 2016 Mängel im Kursana fest
Das Kursana in Oststeinbek geriet schon einmal im Sommer 2016 in die Schlagzeilen, als ein betrunkener Pfleger mit einer Bewohnerin mitsamt Rollstuhl umgekippt war. Dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und der Heimaufsicht des Kreises Stormarn waren bei einer regelmäßigen Prüfung in jenem Jahr zudem Mängel aufgefallen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurden dazu jedoch keine weiteren Angaben gemacht. Laut Unternehmen handelte es sich dabei jedoch hauptsächlich um Mängel bei der Dokumentation im Bereich Pflege.
Wanda Paschela ist seit vergangenem Montag in einem Glinder Seniorenheim untergebracht. Ihr Mann hat den Vertrag mit dem Kursana zum 28. Februar gekündigt. „Es ist erstaunlich, wie schnell es ihr binnen weniger Tage besser geht“, sagt der Senior. Seine Frau esse jetzt richtig gut, sitze viel im Rollstuhl und liege weniger im Bett als zuvor.
In seinen Worten schwingt Erleichterung mit. Am Freitagnachmittag hat der Hamburger seine Gattin wieder besucht, sie im Rollstuhl durch die Stadt geschoben und ihr die neue Umgebung gezeigt. Das Pflegepersonal lobt er übrigens in höchsten Tönen.