Oststeinbek. Eine 86 Jahre alte Heimbewohnerin wurde beim Spaziergang verletzt. Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung.

In Oststeinbek (Kreis Stormarn) ist ein völlig betrunkener Altenpfleger mit einer 86 Jahre alten Rollstuhlfahrerin auf eine Straße gestürzt. Die Frau zog sich leichte Verletzungen zu. „Wir ermitteln wegen fahrlässiger Körperverletzung“, sagt Polizeisprecherin Kathrin Bertelsen. Ein Alkoholtest bei dem Mann ergab 4,4 Promille. Die Zeitarbeitsfirma, die den Aushilfspfleger ins Kursana Domizil nach Oststeinbek geschickt hatte, hat ihm bereits gekündigt.

Die auf Pflegekräfte spezialisierte Agentur hat Ersatz geschickt. „Mit dem Unternehmen haben wir ansonsten gute Erfahrungen gemacht“, sagt Jan Flaskamp, Leiter der Kommunikation bei der Dussmann Group in Berlin, dem Mutterkonzern von Kursana.

Laut Flaskamp hatte der Aushilfspfleger seinen dritten Tag in der Oststeinbeker Einrichtung, in der 105 Patienten leben. „Von Dienstbeginn um 8 Uhr bis circa 11.15 Uhr hatte er mit fünf Mitarbeitern unseres Heims Kontakt, darunter mit der Heimleitung“, sagt Flaskamp. Dabei habe es keine Auffälligkeiten wie eine Alkoholfahne gegeben.

Erst als der Mann das Haus mit der Rollstuhlfahrerin am Freitag gegen 11.30 Uhr verließ, sei einer Praktikantin sein torkelnder Gang aufgefallen. Die Frau habe den Mann angesprochen, doch er habe sich nicht stoppen lassen. Daraufhin sei die Praktikantin hinterhergegangen. Als sie den Unfall bemerkte, habe sie die Chefin informiert. „Unsere Heimleiterin ist vor Ort gewesen und hat der Polizei ihre Kooperation angeboten“, sagt Flaskamp. Außerdem habe man die Heimaufsicht beim Kreis Stormarn eingeschaltet und die Angehörigen der 86-Jährigen informiert.

Grundsätzlich werde jeder neue Mitarbeiter eingearbeitet und bekomme einen Wohnbereich zugeteilt. Flaskamp: „Über die Pflegedokumentation überwacht die Wohnbereichsleitung, welche Leistungen erbracht wurden.“ Es werde auf Vorerfahrung in der Pflege geachtet. Bei Vertretungskräften, die nur eine kurze Zeit bleiben, könne dies jedoch nicht immer garantiert werden. Das sei in Schleswig-Holstein auch nicht vorgeschrieben.

Das Pflegeheim ist bislang nicht negativ aufgefallen

„Grundsätzlich ist es auf Wunsch der Bewohner möglich, dass die Pfleger mit ihnen einen Spaziergang machen“, sagt Flaskamp. Das sei in der Regel eine Runde ums Haus, die ungefähr zehn Minuten dauere und nicht angemeldet werden müsse.

Bei der Heimaufsicht des Kreises ist das Kursana Domizil bisher nicht negativ in Erscheinung getreten. „Vor Kurzem waren Mitarbeiter zur routine­mäßigen Prüfung dort, auch da gab es nichts Auffälliges“, sagt Ingo Lange, Fachdienstleiter für öffentliche Sicherheit beim Kreis Stormarn. „Wir warten jetzt noch auf das Protokoll der Polizei, um den Fall abschließend zu beurteilen.“ Der ist auch für die Heimaufsicht Neuland: Keiner der Kollegen habe in den vergangenen Jahrzehnten etwas Ähnliches erlebt.

Dass Seniorenheime zur Überbrückung von Personalengpässen auf Zeitarbeiter zurückgreifen, sei durchaus üblich. „Solange der Schlüssel an ausgebildeten Mitarbeitern eingehalten wird, ist daran nichts auszusetzen“, so Lange. Der Aushilfspfleger von Oststeinbek habe offenbar ein massives Alkoholpro­blem. Wer mit 4,4 Promille unterwegs sei, habe bestimmt nicht zum ersten Mal so viel getrunken.

Stormarns Landrat Henning Görtz ist ebenfalls involviert. „Es ist gut, dass sofort persönliche Konsequenzen gezogen wurden und der Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigt wird“, sagt er.

Ex-Bürgermeister
Karl Heinz Mentzel
war als Erster am Unglücksort
Ex-Bürgermeister Karl Heinz Mentzel war als Erster am Unglücksort © HA | Marc R. Hofmann

Der frühere Oststeinbeker Bürgermeister Karl Heinz Mentzel hatte den Landrat ebenfalls benachrichtigt. Mentzel wohnt an der Uferstraße, hatte das Unglück beobachtet und als Erster geholfen. „Der Mann wollte den Rollstuhl wieder aufrichten und die Frau hineinsetzen“, sagt Mentzel, „doch dabei ist er immer wieder selbst hingefallen.“

Der 74-Jährige konnte die Seniorin hochheben und zurück in ihren Rollstuhl setzen. Dann habe er sie in den Arm genommen und beruhigt. Außerdem alarmierte er Polizei und Rettungsdienst. „Pfleger gehen regelmäßig mit einzelnen oder mehreren Heimbewohnern bei uns am Haus vorbei“, sagt er, „das finde ich eigentlich positiv.“ Von Bekannten habe er aber gehört, dass sie mit der Betreuung im Kursana-Pflegeheim unzufrieden seien. Im Juli 2015 bewertete der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) die stationäre Pflege mit der Note 1,0.

Der ehemalige Bürgermeister hatte selbst eine Angehörige in dem Heim gehabt, bei der die Betreuung nicht immer zufriedenstellend gewesen sei. „Standards müssen trotz Kostendrucks eingehalten werden. Ein Pfleger mit über vier Promille muss aufzuhalten sein.“

Auch andere Nachbarn treffen bei Spaziergängen gelegentlich Heim­bewohner. „Dabei ist uns jedoch nie etwas Negatives aufgefallen“, sagt Arend von Berkholz. Seine Frau Ursula ergänzt: „Der Vorfall ist mittlerweile Gesprächsthema im Ort.“ Auch Sabine Laatzen hat einen positiven Eindruck: „Mit den alten Leuten wird liebevoll umgegangen, sie sind zum Beispiel immer wettergerecht eingepackt.“