Nach dem skandalösen Vorfall mit einem betrunkenen Pfleger in Oststeinbek beantwortet das Abendblatt acht wichtige Fragen zum Thema.
Ahrensburg/OststeinbekSturzbetrunken fährt ein Pfleger eine Bewohnerin im Rollstuhl vor dem Kursana-Pflegeheim in Oststeinbek spazieren. Der Mann stürzt, reißt den Rollstuhl der 86-Jährigen um. Die Frau wird leicht verletzt. Der Pfleger wird fristlos entlassen. Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung. Ein krasser Fall, der manche Stormarner, die Angehörige in einer Einrichtung unterbringen möchten, sicher verunsichert. Auch könnte er Alten- und Pflegeheime erneut in Verruf bringen. Zu Recht? Nein. Es gibt auch positive Beispiele. Das Abendblatt beantwortet acht wichtige Fragen.
Wer sorgt für die Kontrolle der Stormarner Einrichtungen?
Mindestens einmal im Jahr unterziehen die Heimaufsicht des Kreises Stormarn und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) die Heime einer Prüfung. „Die Kontrollen finden immer unangekündigt statt“, sagt Silva Krause, eine von vier Mitarbeitern der Heimaufsicht. „Bei Beschwerden kann es auch anlassbezogene Prüfungen geben. Wenn nötig, besuchen wir das Heim sofort. In manchen Fällen reicht aber auch eine Aktenprüfung.“
Was genau wird überprüft?
Der Medizinische Dienst prüft, ob grundsätzlich genügend Personal und Betten vorhanden sind. Außerdem wählen Mitarbeiter des Dienstes nach dem Zufallsprinzip Bewohner aus, überprüfen deren Gesundheitszustand und stellen Fragen zur Zufriedenheit mit der Pflege. Imke Wriedt, Ver.di-Gewerkschaftssekretärin für den Bezirk Südholstein, empfiehlt Angehörigen, bei der Anmeldung unbedingt darauf zu achten, ihr Einverständnis zu solchen Befragungen zu erteilen.
Wie verschaffe ich mir einen Überblick über das Angebot?
Der Verband der Ersatzkassen gibt online unter www.pflegelotse.de eine Übersicht über die Prüfungsergebnisse des MDK. Die Teilergebnisse werden übersichtlich in fünf Kategorien geordnet dargestellt. Außerdem empfiehlt Gewerkschafterin Imke Wriedt eine umfassende Datenbank auf der Website https://correctiv.org/recherchen/pflege/wegweiser.
Wie erfahre ich Details über ein bestimmtes Heim?
„Ein Heim sollte vorab besucht werden. Sprechen sie mit Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen“, sagt Silva Krause von der Heimaufsicht. Außerdem sollten Angebote zum Probewohnen genutzt werden. Auch Dörte Deisner, Pflegedienstleiterin des Tobias-Hauses in Ahrensburg empfiehlt den direkten Kontakt. „Die Noten offizieller Überprüfungen sind bestenfalls ein Indikator, vertrauen Sie lieber auf ihren persönlichen Eindruck“, sagt sie. „Schauen Sie sich selbst um, riechen Sie mal.“
Gibt es genügend Personal in Stormarns Altenheimen?
Imke Wriedt von der Gewerkschaft ver.di sagt: „Uns erreichen zahlreiche Beschwerden von Pflegedienstmitarbeitern, die ständig unter großem Zeitdruck stehen. Für viele ist die Arbeitsbelastung angesichts der geringen Bezahlung nicht mehr zu stemmen. Dadurch entsteht ein Fachkräftemangel.“ Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Personalschlüssel, der von der Pflegestufe der Bewohner abhängt. Dörte Deisner schildert die Situation im Tobias-Haus mit diesen Worten: „Auf fünf Bewohner kommt bei uns circa eine Pflegekraft.“ Den Personalmangel kann sie bestätigen: „Wir haben in der Tat Probleme, im Randgebiet zu Hamburg genügend Personal zu finden. Viele nehmen besser bezahlte Stellen in der Stadt an.“
Wie sichern Einrichtungen die Qualifikation der Mitarbeiter?
Gesundheits- und Pflegeassistenten mit mindestens einjähriger Ausbildung arbeiten zusammen mit Pflegehelfern, für die in Schleswig-Holstein keine Mindestqualifikation vorgeschrieben ist. Allerdings muss immer, auch bei Nachtschichten, zumindest eine Pflegefachkraft mit dreijähriger Ausbildung zugegen sein. „Im Tobias-Haus werden Mitarbeiter erst nach einem Probetag eingestellt“, sagt Dörte Deisner. „Auch danach werden sie noch über die Dauer von sechs Monaten von einem Mentor begleitet. Erst nach mehreren Feedback-Gesprächen entscheiden wir über eine weitere Beschäftigung.“ An finanzieller Unterstützung für Weiterbildung von Pflegekräften fehle es jedoch.
An wen können Betroffene sich bei Problemen wenden?
In allen Heimen sollten Silva Krause zufolge Beschwerde-Formulare ausliegen. Diese werden anonym in einen Briefkasten eingeworfen und dann an die Leitung weitergegeben. Ansonsten können sich Angehörige oder Bewohner ebenfalls anonym an die Heimaufsicht des Kreises oder das Pflege-Nottelefon unter der Nummer 01802/49 48 47 wenden. Außerdem wird in jedem Heim ein Beirat gewählt – in der Regel aus Bewohnern bestehend – der die Prüfberichte der Krankenkassen einsehen kann.
Welche Folgen hat der Vorfall im Oststeinbeker Heim?
Silva Krause von der Stormarner Heimaufsicht sagt dazu auf Anfrage des Hamburger Abendblattes: „Ich habe mich telefonisch bei der Heimleitung über diesen Fall erkundigt. Der Bewohnerin geht es demnach gut. Ein Arzt und die Angehörigen wurden informiert. Der Pfleger wurde bereits entlassen.“ Damit sei der Fall für die Behörde des Kreises in Bad Oldesloe abgeschlossen.
Allerdings verweist Silva Krause in diesem Zusammenhang darauf, dass die Behörde bei einer routinemäßigen Überprüfung der Einrichtung in Oststeinbek bereits im Juli auf Mängel aufmerksam geworden sei. Um welche Mängel es sich dabei handelt, darüber macht Krause aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben. In Bezug auf diese Mängel seien der Heimleitung aber Fristen gesetzt worden.