Hamburg. Heute vor zwei Jahren starb Yagmur im Elternhaus. Michael Lezius veranstaltet Gedenktag und gründet eine Stiftung zu Kinderschutz.
Michael Lezius hatte sich nach vielen Jahrzehnten eigentlich schon längst aus dem aktiven Kinderschutz zurückgezogen. Doch als das dreieinhalb Jahre alte Mädchen Yagmur heute vor zwei Jahren im eigenen Elternhaus umgebracht wurde, war das die Initialzündung für den 73-Jährigen, sich wieder zurückzumelden. Lezius hat die heute stattfindende Yagmur-Gedenkveranstaltung in der Patriotischen Gesellschaft ins Leben gerufen. Außerdem will er mit einer Stiftung, Menschen ehren, die sich um den Kinderschutz verdient gemacht haben.
Lezius kämpft für die Umkehrung des Prinzips, dass Elternrecht höher bewertet wird als das Kinderrecht. Er kennt die Auseinandersetzungen mit Behörden, seit er 1980 einen Pflegesohn aufgenommen hat. Daraus entstand seine Idee für den ersten „Tag zum Kindeswohl“ im Jahr 1986. Er war Initiator der Stiftung zum Wohl des Pflegekindes, die 1992 gegründet wurde. Bis 2012 war er dort aktiv und zog sich dann zurück. „Da war ich 70 Jahre.“ Es sollte dann auch mal gut sein.
Ziel der Stiftung soll ein Yagmur-Gedächtnispreis sein
Dann starb Yagmur. Lezius wollte dem Fall auf den Grund gehen. Er verfolgte den Strafprozess gegen die Eltern, protokollierte jeden Verhandlungstag und besuchte ebenfalls jede Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA), der das Versagen der Behörden behandelte.
Weil er verändern möchte, ist Lezius nun dabei, eine Stiftung ins Leben zu rufen. Er hat 20.000 Euro aus dem eigenen Vermögen zur Verfügung gestellt. Weitere 30.000 Euro sind für die Gründung nötig. Das Ziel der Stiftung ist ein Yagmur-Gedächtnispreis, der jährlich vergeben werden soll. Mit 2000 Euro sollen etwa Erzieherinnen, Polizisten, Nachbarn oder Organisationen, die sich um den Kinderschutz verdient gemacht haben, ausgezeichnet werden. Lezius: „Das Kinderschutzkonzept in Hamburg ist gut. Es wird aber nicht gelebt.“
Der Fall Yagmur hat zu Veränderungen im System geführt
Kritisch nimmt auch CDU-Fraktionschef André Trepoll das Kinderschutzsystem unter die Lupe. Er war Vorsitzender des Untersuchungsausschusses Yagmur, der vor einem Jahr seinen Abschlussbericht vorgelegt hat. Heute sagt er, dass einige Forderungen umgesetzt, viele aber noch nicht in Angriff genommen worden seien. „An zahlreichen Stellen hapert es gewaltig, und die verantwortlichen Behörden lassen zum Teil nicht die erforderliche Veränderungsbereitschaft erkennen. So weigert sich der rot-grüne Senat, die Einbeziehung der bezirklichen Kinderschutzkoordinatoren in komplizierten Kindeswohlgefährdungsfällen verbindlich vorzuschreiben.
Leitartikel: Die Lehre aus dem Fall Yagmur
Auch der Ausschluss der Rückführung von Kindern in die Herkunftsfamilie bei länger bestehender Gewaltproblematik, verbunden mit einer latenten Gefährdung des Kindes, wird nicht wie gefordert verbindlich geregelt.“ Und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), die während des PUA Obfrau der SPD-Fraktion war, sagt rückblickend, dass sie zunächst dagegen war, das Gremium einzuberufen, weil für sie die „Rücktrittsforderungen im Vordergrund standen“. „Am Ende war es aber gut, dass wir das gemacht haben, weil der PUA sich als sinnstiftend erwiesen hat“, sagt Leonhard. So sei ausgiebig über die vielen Punkte gesprochen worden, an denen Yagmur hätte gerettet werden können. Das habe zu Veränderungen geführt. Etwa, dass eine Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Justiz nun obligatorisch sei.