Hamburg. Zu hohe pauschale Sparvorgaben, unrealistische Gewinnerwartungen, viele Risiken. Was die obersten Prüfer an den Senatsplänen monieren.
Seit dem Ende der Sommerpause beschäftigt sich die Hamburgische Bürgerschaft mit dem Haushaltsentwurf des rot-grünen Senats für die Jahre 2025 und 2026. Der hat ein Volumen von mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr und ist ausgedruckt fast 7000 Seiten dick. Weil wohl nur die wenigsten Abgeordneten diese Masse an Zahlen komplett durchdringen können, hat der Landesrechnungshof jetzt eine ausführliche Analyse vorgelegt – und in der sparen die unabhängigen Prüfer nicht mit Kritik.
So seien die „Globalen Minderkosten“ (GMK) mit durchschnittlich rund 2,5 Prozent viel zu hoch angesetzt, sagte Philipp Häfner, Haushaltsexperte und Vizepräsident des Rechnungshofs. Bei diesen GMK handelt es sich um pauschale Sparvorgaben des Senats an die Behörden: So dürften von einem 100-Millionen-Etat nur etwa 97,5 Millionen Euro ausgegeben werden. Wo eine Behörde 2,5 Millionen einspart, ist ihr überlassen. Das schränke jedoch die Budgethoheit der Bürgerschaft ein, so Häfner. Kumuliert gehe es um Ausgaben von 500 Millionen Euro pro Jahr, über die das Parlament nicht mitbestimmen könne.
Hamburgs Haushalt: Was der Rechnungshof daran „nicht zulässig“ findet
„Das ist nicht zulässig“, lautet das eindeutige Urteil des Rechnungshofs. Mit Globalen Minderkosten zu arbeiten sei zwar grundsätzlich in Ordnung und bundesweit in öffentlichen Haushalten üblich. Doch dafür gelte nach dem Rechtsverständnis des Rechnungshofs eine Obergrenze von zwei Prozent. Nur in Ausnahmefällen wie zu Corona-Zeiten, als sich viele Ausgaben schlicht nicht vorhersagen ließen, habe man auch 3,0 Prozent akzeptiert. Doch solche Ausnahmen lägen derzeit nicht vor, daher müsse der Senat „runter auf maximal 2,0 Prozent“, schreibt der Rechnungshof in seinem Bericht: „So wie es jetzt geplant ist, ist es falsch.“
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) hat dazu eine andere Haltung: „Der Senat hält eine GMK-Obergrenze von 3 Prozent angesichts der bestehenden Unsicherheiten für zulässig“, sagte er dem Abendblatt. „Er hat diese Obergrenze nicht vollständig ausgenutzt und ist insofern der Haltung des Rechnungshofs und dem Wunsch der Bürgerschaft entgegengekommen.“ Trotz der Obergrenze von 3,0 Prozent für Globale Minderkosten plane der Senat nur mit 2,42 Prozent für 2025 und 2,58 Prozent für 2026.
Hamburgs finanzielle Lage ist gut – dennoch drohen Milliarden-Schulden
Kritik übte der Rechnungshof auch an den mutmaßlich zu niedrig veranschlagten Sozialleistungen (Häfner: „Risiko“) sowie an einer geplanten Gewinnabführung des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) in Höhe von 35 Millionen Euro an den Haushalt. „Das Problem ist: Der LIG macht gar keinen Gewinn, sondern für die beiden Haushaltsjahre wird ein Verlust von 50 Millionen Euro erwartet“, so Häfner. Zudem plane der Senat gleichzeitig eine Eigenkapitalzufuhr an seinen Landesbetrieb in Höhe von 600 Millionen Euro. Was auf den ersten Blick widersinnig erscheine, solle wohl den Spielraum erhöhen, mutmaßte der Rechnungshof-Vize: Denn während die Eigenkapitalspritze bilanziell neutral wirke, erhöhe die Gewinnabführung diesen Spielraum.
Nötig habe die Stadt so etwas gar nicht, befand Häfner. Denn der Rechnungshof teile die Einschätzung des Senats, dass die finanzielle Lage gut sei. Die an kaufmännischen Regeln orientierte Hamburger Haushaltssystematik funktioniere, in vielen Jahren mit Überschuss seien Schulden abgebaut worden, und dies sowie die gesunkenen Zinssätze habe dazu geführt, dass nur noch 2,6 Prozent der Ausgaben für Zinsen draufgehen und nicht mehr 15 Prozent wie noch 2004.
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Gleichwohl warnte Häfner auch: Der Milliarden-Überschuss in 2023 – die genaue Summe will Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Dienstag bekannt geben – sei nicht „erwirtschaftet“, wie der Senat behaupte. Denn ganz wesentlich gehe er auf eine Änderung bei der Berechnung des Steuertrends zurück, weswegen 2,9 Milliarden Euro aus einer Konjunkturrücklage zurück in den Haushalt geflossen seien. Das sei „eher ein Sechser im Lotto“, so Häfner. Zudem drohe in den kommenden Jahren „eine gewaltige Neuverschuldung“ von insgesamt bis zu sieben Milliarden Euro, falls sich die Steuereinnahmen tatsächlich so schwach entwickeln wie zuletzt prognostiziert.
Nach Rechnungshof-Kritik: CDU fordert Haushalt „ohne Buchungstricks“
CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer begrüßte die Kritik des Rechnungshofs: „Globale Minderkosten von über 500 Millionen Euro pro Jahr sind ein klarer Verstoß gegen die Grundsätze der Haushaltsklarheit und -wahrheit. Hier schießt der Senat völlig über das vertretbare Maß hinaus.“ Er forderte einen „Haushaltsplan ohne Buchungstricks“: Der Senat dürfe nicht „mit pauschalen Sammelpositionen das Budgetrecht des Parlaments unterlaufen“.
Der Bund der Steuerzahler Hamburg sah sich „in vielen Punkten bestätigt“, so der Vorsitzende Sascha Mummenhoff. „Der Rechnungshof macht deutlich, dass der Senat in bestimmten Bereichen seiner Verantwortung nicht gerecht wird.“ Die Linke begrüßte vor allem die Kritik an den hohen Globalen Minderkosten: „Regelmäßig werden diese Sparvorgaben in den Einzelplänen dadurch erfüllt, dass Stellen unbesetzt bleiben, die für eine funktionierende Stadt aber nötig sind“, sagte ihr Haushaltsexperte David Stoop. „Und gleich anschließend weint Rot-Grün dann wieder Krokodilstränen, dass die Steuerfahndung nicht hinreichend prüft, dass Stellen in Schulen unbesetzt sind und die Bezirksämter nicht hinterherkommen bei der Wohngeldbearbeitung oder den Bauanträgen.“