Hamburg. Senat erlaubt im Haushalt 2023/24 „globale Minderkosten“ von drei Prozent – das schafft zunächst Spielraum, dann aber Sparzwänge.

Finanzpolitik ist in diesen Zeiten kein Kindergeburtstag. Während die Einnahmen des Staates infolge der Corona-Krise zurückgehen oder zumindest völlig unsicher sind, steigen die Ausgaben kräftig an: Die Krisenbekämpfung und die Inflation mit steigenden Personal-, Energie- und Baukosten bereiten den Haushältern große Sorgen.

Der Hamburger Senat reagiert darauf jetzt mit einem drastischen Schritt: Für den kommenden Doppelhaushalt 2023/24 werden die „globalen Minderkosten“ (GMK) von vornherein auf bis zu drei Prozent festgelegt. Das wird letztlich dazu führen, dass nahezu alle Behörden drei Prozent ihres Etats einsparen müssen – wo und wie sie das tun, ist ihnen überlassen. Bislang lagen die GMK meist bei zwei Prozent, sie steigen also um 50 Prozent.

Hamburger Haushalt mit unangenehmen Nebenwirkungen

Für die Bürgerschaft, die jeden neuen Haushalt verabschieden und auch jede größere Verschiebung innerhalb des Etats absegnen muss, hat das die unangenehme Nebenwirkung, dass sie bei diesen drei Prozent nicht mitreden kann. Entsprechend kritisch sehen viele Abgeordnete das Instrument. „Die geplante massive Ausweitung globaler Minderkosten im Haushalt ist mehr als fragwürdig“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer dem Abendblatt. Bei einem Etatvolumen von rund 17 bis 18 Milliarden Euro würden drei Prozent globale Minderkosten mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr ausmachen – also eine halbe Milliarde, die an vielen Stellen eingespart werden muss, ohne dass das Parlament darüber mitbestimmen kann. „Ein klarer Verstoß gegen die Grundsätze der Haushaltsklarheit und -wahrheit“, so Kleibauer. Diese verpflichten den Senat darzulegen, wofür er Geld ausgibt.

„Mit der Anhebung der Obergrenze auf drei Prozent schießt der Senat völlig über das vertretbare Maß hinaus, zumal viele Behörden bereits bislang kaum die geplanten Minderkosten von zwei Prozent erreicht haben“, kritisiert der Christdemokrat. Seine Vermutung: „Hier versucht der Senat mit Buchungstricks zu kaschieren, dass die Ausgabenwünsche der rot-grünen Koalition zu hoch sind und nicht erreicht werden können.“ Das sei auch „verfassungsrechtlich ziemlich zweifelhaft“.

Das führt zu einem kniffligen Punkt: Denn obwohl die GMK politisch in der Regel als Sparvorgabe oder Mittel zur Haushaltskonsolidierung gewertet werden, sind sie streng genommen auch ein Gestaltungsinstrument. In Hamburg läuft das folgendermaßen: Alle Behörden haben im Herbst von der Finanzbehörde vorgegeben bekommen, wie viel Geld sie 2023/24 ausgeben dürfen („Eckwerte“). Infolge stellen sie ihre Etats auf und reichen sie bei Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) ein. In aller Regel sind diese Vorschläge „überbucht“, die Behörden wollen mehr Geld ausgeben als zur Verfügung steht. Jetzt gibt es entweder die Möglichkeit, die Ansätze zu kürzen – oder man nutzt die GMK.

Behörden mit vielen Investitionen haben es einfacher

Konkretes Beispiel: Eine Behörde hat einen Etat von 100 Millionen Euro im Jahr, will aber 110 ausgeben. Entweder kürzt sie bereits jetzt 10 Millionen – oder sie kürzt nur auf 103 Millionen und verpflichtet sich, weitere drei Millionen als globale Minderkosten einzusparen. So verschiebt sie das Problem schlicht: Aus einem vergrößerten Spielraum wird im Laufe des Jahres ein Zwang zum Sparen. Der wird oft dadurch erfüllt, dass Projekte verschoben oder Stellen zumindest zeitweise nicht besetzt werden.

Grundsätzlich gilt: Behörden, die einen hohen Anteil an Investitionen haben wie die Wirtschafts-, die Verkehrs- oder die Stadtentwicklungsbehörde, haben es deutlich einfacher, Mittel einzusparen, als solche, die große Personalkörper bezahlen müssen, etwa die Innen-, die Schul- oder die Justizbehörde. Auch Kultur- und Wissenschaftsbehörde tun sich mit Sparvorgaben schwer, da sie vor allem Mittel für Kulturbetriebe und Hochschulen weiterreichen. Wenn sie ihre GMK-Vorgaben nicht erreichen, wird das oft aus den zentralen Töpfen der Finanzbehörde ausgeglichen.

Finanzsenator Dressel verteidigt den Minderkosten-Ansatz

Deren Chef Andreas Dressel verteidigt den Minderkosten-Ansatz. Er verweist darauf, dass der Rechnungshof in seinem Corona-Sonderbericht Globale Minderkosten von bis zu drei Prozent als noch hinnehmbar bezeichnet habe. „In diesen finanzpolitisch unsicheren Corona-Krisen-Zeiten, in denen sich Finanzbedarfe unterjährig häufiger ändern können, ist deshalb für die Haushaltsaufstellung ein Stück mehr Flexibilität notwendig als im Normalzustand“, sagte der Finanzsenator dem Abendblatt. „Deshalb ist die dreiprozentige GMK ein pragmatischer und tragfähiger Weg, für den ich im Aufstellungsverfahren von meinen Senatskollegen viel Zustimmung erfahren habe.“

Die Finanzbehörde verweist zudem darauf, dass schon für das laufende Jahr drei Prozent globale Minderkosten veranschlagt seien und für 2023 ursprünglich sogar vier Prozent GMK angesetzt worden seien. Kleibauer hält entgegen, dass der Ansatz für 2022 eine Ausnahme sein sollte und zudem nicht bei Aufstellung des Etats geplant gewesen sei. Seine Kritik stößt auch im Regierungslager zum Teil auf Verständnis. „Die Erhöhung der Globalen Minderkosten auf drei Prozent ist unter den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie für den kommenden Doppelhaushalt noch vertretbar“, sagt Grünen-Finanzexperte Dennis Paustian-Döscher. „Uns ist aber das Demokratiedefizit dieser Maßnahme bewusst, da die Durchführung der Einsparungen nicht mehr in der Haushaltsverantwortung der Bürgerschaft liegt. Daher erwarten wir, dass die Globalen Minderkosten im Haushaltsentwurf für 2025/26 idealerweise wieder auf unter zwei Prozent abgesenkt werden.“