Hamburg. Spielzeug von Bieco gibt es in fast jedem Haushalt. Nun soll die Firma zur Marke werden. Was die Geschäftsführer für die Zukunft planen.
In der riesigen Lagerhalle in Stellingen stapeln sich die Kartons – ganz ohne Regale. Dafür gäbe es unter dem Schrägdach der 2600 Quadratmeter großen Halle ohnehin keinen Platz. Inmitten dieser Kartonburgen steht Florian Supa. „Wir wissen, wo die richtige Ware steht“, sagt er und lacht.
Denn was chaotisch aussieht, hat System. Eine Million Bestellungen gehen pro Jahr ein. „Besonders viele zu Weihnachten“, sagt Supa. „Die wollen wir schließlich schnell bearbeiten können.“ Gemeinsam mit seiner Frau Ulrike Supa-Kunkel und seinem Bruder Christopher führt der 41-Jährige ein Spielwarenunternehmen, das viele Hamburgerinnen und Hamburger kennen, ohne es zu wissen.
Bieco: Wie Hamburgs unbekannteste Spielzeugfirma den Markt erobern will
Denn wer Kinder hat oder regelmäßig erzieht, hat sehr wahrscheinlich schon einmal ein Produkt des Unternehmens in den Händen gehalten: Seit den 90er-Jahren designt Bieco Kinderspielsachen wie Motorikschleifen, Schiebe- und Schaukeltiere, Spielbogen, Steckenpferde, Rasseln, Kuscheltiere und Kindermöbel. Die Supa-Brüder und Ulrike Supa-Kunkel führen das Unternehmen in zweiter Generation als Familienunternehmen.
Beliebtestes Produkt ist laut Geschäftsführerin Supa-Kunkel ein sogenannter Geburtstagszug: Ein kleiner, aus Holz gefertigter Zug mit mehreren Waggons, der mit Figuren, Kerzen und Holzzahlen dekoriert werden kann. Aber auch die von ihrer Schwiegermutter designten Kuscheltiere, verschiedene Schaukeltiere oder andere Holzspielwaren werden laut der 42-Jährigen oft gekauft.
Bei großen Händlern für Kinderspielwaren – Baby One, Babywalz, Babymarkt oder MyToys etwa – stehen Produkte von Bieco in den Regalen. Auch in Drogerien wie Rossmann oder Müller und bei Tchibo gibt es das Spielzeug zu kaufen. Trotzdem kennen nur wenige Menschen den Markennamen. Das will das Führungs-Trio ändern – und nicht nur das.
Bieco: Mit neuen Vertriebswegen gegen den Umsatzrückgang
Denn schon vor Corona gingen die Umsätze im Spielwaren-Fachhandel zurück. „So kann es nicht weitergehen“, das war Christopher Supa klar, der die Firma 2015 zunächst allein von seinem Stiefvater übernahm. Er fragte also seinen sechs Jahre jüngeren Bruder Florian um Rat, der Erfahrung im Onlinehandel und Marketing hat. Statt weiterhin auf den stationären Handel zu setzen, mit dem Bieco damals immerhin 90 Prozent seines Umsatzes generierte, zogen sie ins Internet.
Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie erwies sich das als richtige Strategie. Nicht nur bei Amazon sind die Spielsachen der Hamburger Firma zu finden, sondern auch bei Otto, Ebay oder Kaufland. Den Anfang 2023 eröffneten eigenen Onlineshop will Bieco ebenfalls ausbauen.
Kinderspielzeug-Design: „Der Regenbogen hat ins Wohnzimmer gekotzt“
Inzwischen stammen 60 Prozent der Einnahmen aus dem Onlinehandel. Laut Florian Supa liegt der Umsatz „im hohen siebenstelligen Bereich“. Ein Viertel der Kunden sitzt im Ausland – in Frankreich, Spanien, Italien, Österreich oder England zum Beispiel. Das alles erarbeiteten die Supa-Brüder, während andere Spielzeug-Unternehmen wie Spiele Max oder HABA mit Insolvenzverfahren kämpften.
Doch was, wenn der sinkende Umsatz nicht bloß am veränderten Einkaufsverhalten, sondern an den Produkten selbst lag? Das fragte sich Ulrike Supa-Kunkel, als sie 2019 nach der Geburt ihrer Tochter mit buntem Kinderspielzeug überhäuft wurde. „Der Regenbogen hat ins Wohnzimmer gekotzt“, sagte die damals 37-Jährige zu ihrem Mann, wenn die beiden abends ihr Zuhause in Travemünde aufräumten.
Damit es auch den Eltern gefällt: Spielzeug im Scandi-Look
Bei Instagram tippte Supa-Kunkel bei anderen Designs auf den Herz-Button: Wohnungen und Häuser, die im skandinavischen Stil – im sogenannten Scandi-Look – eingerichtet waren, fand sie chic. Doch die dort abgebildeten Spielwaren in gedeckten Pastelltönen waren teuer. Schnell überzeugte sie ihren Mann von der Idee, das Design von Bieco komplett zu überarbeiten: in ebendiesem Scandi-Look, dafür aber zu familienfreundlicheren Preisen.
Um die 300 Produkte entwickelte das Paar nach Feierabend auf dem heimischen Sofa. Schließlich konnten sie auch den Rest der Familie von ihrer Idee überzeugen. Statt quietschbunt geht es heute gediegener zu: Pastellfarben und Holzoptik dominieren das Sortiment. Mit allen Farbvarianten bietet Bieco 700 verschiedene Produkte an. Spielwaren für Null- bis Dreijährige bilden das Kerngeschäft. Etwa 20 Personen beschäftigt das Unternehmen. In der Vorweihnachtszeit, wenn bis zu 3000 Pakete täglich gepackt werden müssen, ein paar mehr. Viele der Beschäftigten arbeiten schon jahrzehntelang dort.
Seit 1958 besteht das Unternehmen, das immer Kinderspielzeug und Accessoires vertrieben hat. Anfangs hieß es noch Bébé Confort. Mitte der 70er-Jahre kaufte der in der Spielzeugbranche einigen noch bekannte Harald Bienengräber die Firma, nannte sie Bienengräber und Co. Er baute den Spielwarenhandel unter der Marke Bieco aus. In Familienhand ist das Unternehmen seit den 90er-Jahren, als der Stiefvater der Supa-Brüder, Friedrich Blomeyer, übernahm.
Geschäftsführer von Bieco: Firma hat von Videogames zu Kinderspielzeug alles
Als Familie zusammenzuarbeiten, kann manchmal herausfordernd sein. „Aber unsere Familie ist intakt“, sagt Florian Supa. Das heißt nicht, dass es nicht auch mal zu Reibereien kommt. Der 41-Jährige und seine Frau Ulrike waren viele Jahre in der Gaming-Industrie tätig – haben vor Bieco schon in vier anderen Unternehmen zusammen gearbeitet, teils auch in denselben Teams. Sie bringen eher eine „Trial-and-Error“-Mentalität mit: Sie preschen mit ihren Ideen gerne vor, probieren aus – und kassieren mal größere, mal kleinere Rückschläge, aus denen sie lernen.
Für Christopher Supa ist das nicht immer leicht, sagt er. Sein Bruder Florian hat dafür Verständnis: „Christopher ist eben Architekt: Man plant ein Haus ja auch erst fertig, bevor man anfängt zu bauen.“ Einig sind sich die Brüder: Ein Unternehmen muss sich weiterentwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Veränderung ist keine Kritik an der glorreichen Vergangenheit, sondern eine Notwendigkeit für die Zukunft“, den Satz hat Florian Supa einmal gelesen, wohlwissend, dass das so klischeehaft wie aus einem Sprüche-Kalender für Erfolgsmanager klingt.
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Veränderung scheint in die DNA des Spielwaren-Unternehmens eingewoben zu sein: Von „Annette Himstedt“-Sammelpuppen über Nintendo-Spielekonsolen bis hin zu Monchhichi-Puppen wurde beim Sortiment in den 65 Jahren seines Bestehens schon einiges ausprobiert und korrigiert. Vielleicht hat das Führungstrio deshalb keine großen Sorgen vor der Zukunft. „Wir wollen die 100 Jahre vollmachen“, das ist Florian Supas klares Ziel. „Dafür müssen wir den alten Tanker aber in ein Speedboot verwandeln.“ Noch so ein Kalenderspruch. Aber das macht den Inhalt ja nicht weniger wahr.