Hamburg. Ein Start-up produziert Naturkosmetik mitten in Hamburg. Doch die wirtschaftliche Lage ist schlecht. Wie es weitergeht.
Natürlich liegt es nicht nur an der Handcreme, wenn ein deutscher Ruderer eine olympische Goldmedaille gewinnt. Aber die richtige Pflege der Hände ist in vielen Sportarten wichtig: beim Klettern, Bouldern, Gewichtheben und eben beim Rudern. Davon ist das Hamburger Start-up 4 people who care überzeugt: Das Gründer-Quartett hat eine feste Handcreme aus Bienenwachs entwickelt, zertifiziert als Naturkosmetik und von der Tierrechtsorganisation Peta anerkannt. Auch dem Ruderer Oliver Zeidler hatten sie einmal eine Probe für die Handpflege zugeschickt.
Die Reaktion des Ruderers zum Produkt der Hamburger sei positiv ausgefallen, erinnert sich Fritz Hinrichsmeyer, einer der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens. Als Zeidler Anfang August bei Olympia im Ruder-Einer die Goldmedaille für Deutschland holte, gratulierte Hinrichsmeyer dem Sportler über Instagram.
Oliver Zeidler: Wo die Handcreme für den Ruder-Olympiasieger entstand
Doch trotz des Lobs von Kletterern oder dem erfolgreichen Ruderer: Dem Start-up geht es nicht gut. Damit ist es nicht allein. Viele junge Unternehmen hadern mit der wirtschaftlichen Lage. Die Gründer von 4 people who care kämpfen etwa mit den deutschlandweiten Insolvenzen von Unverpacktläden, in denen sie stark vertreten waren. Hinzu kommt: Die Zahl der Menschen, die bereit sind, für umweltverträgliche Produkte mehr Geld zu bezahlen, geht seit dem Jahr 2021 zurück. Das zeigt eine Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach. Das Gründungsteam um Fritz Hinrichsmeyer spürt das.
Wie ein Stück Seife sieht die Creme des Start-ups aus. Verpackt ist sie in einer Blechdose, die wiederverwendet werden kann. Zwar halte das Creme-Stück so lange wie drei herkömmliche Tuben Handcreme aus der Drogerie, so das Versprechen. Doch der Preis von 9,90 Euro inklusive Metalldose fällt höher aus. Neben der Handpflege produziert das Unternehmen inzwischen weitere Naturkosmetik – feste Sonnen-, Fuß- und Deocremes sowie verschiedene Körperöle. Der Verkauf laufe zum Teil aber schleppender als erhofft.
Hamburger Start-up schlitterte direkt in die Corona-Pandemie
Deshalb gibt es schon wieder einen Aktionsverkauf zu reduzierten Preisen. Für die Gründer ein Dilemma: Einerseits wolle man die Produkte nicht „verramschen“, wie Fritz Hinrichsmeyer es nennt. Andererseits funktioniere der Verkauf mit Rabatten deutlich besser. „Menschen wollen das Gefühl haben zu sparen“, glaubt der 34-Jährige. Doch es kann nicht jeden Tag Black Friday sein. Der Umsatz des Unternehmens lag im vergangenen Jahr bei 500.000 Euro, 2024 soll er erstmals siebenstellig werden. Das ist der Plan und die große Hoffnung. Ein Millionenumsatz, so der Gründer, sei erforderlich, um die von der Bank geliehenen 300.000 Euro Startkapital zu tilgen.
Dabei hatte es kurz vor der Corona-Pandemie verheißungsvoll begonnen: Wochenlang hatten die vier Freunde – Lennart Johnsen, Marc Seipel, Benno Hinrichsmeyer und sein Bruder Fritz – an ihrer Idee gefeilt, in WG-Küchen und im alten Kinderzimmer im Haus der Eltern am Businessplan geschrieben, erste Creme-Varianten im Freundeskreis verkauft.
Start-up produziert feste Handcreme ohne Plastik und Palmöl
Zunächst wollten sie sich auf eine Zielgruppe konzentrieren: Menschen in Kletter- und Boulderhallen, die an einer nachhaltig produzierten, festen Handcreme interessiert sind. „Vom Klettern bekommt man oft raue Hände“, sagt Fritz Hinrichsmeyer, der selbst klettert. Eine Marktrecherche nach einer festen Handcreme ohne Plastik und Palmöl ergab: da ist nichts. Also nahm das Quartett die Sache selbst in die Hand. Doch die Pandemie machte es den Gründern nicht leicht.
Boulder- und Kletterhallen hatten monatelang geschlossen. Die vier Freunde hatten ihr Produkt nur wenige Monate zuvor in mehr als 40 Hallen platziert. Ein Onlineshop musste her, und zwar schnell. Dann hatten sie Glück im Unglück: Zwar kauften weniger Kletter-Begeisterte ein – der Verbrauch von Handcreme schoss wegen der vermehrten Nutzung von Hände-Desinfektion trotzdem in die Höhe. „Das war unsere Rettung“, sagt Hinrichsmeyer heute.
Feste Handcreme aus Hamburg – Alnatura, dm und Globetrotter sind Kunden
Mehr als zwanzig verschiedene Produkte hat das Start-up inzwischen im Sortiment. Der größte Kunde ist Alnatura – bei dm, Bio Company und bald auch bei Globetrotter stehen sie ebenfalls im Regal. Statt auf Unverpacktläden setzt das Unternehmen nun auf Concept Stores und Geschenkeläden. Über den Berg sei das Team noch nicht.
„Aufgeben ist keine Option“, gibt sich Mit-Gründer Fritz Hinrichsmeyer kämpferisch. Schwierig sei es jedoch gewesen, als er engen Freunden kündigen musste. „Wir haben zu früh ohne Rücklagen zu viel Personal eingestellt“, sagt der 34-Jährige – ein vermeidbarer Fehler. Inzwischen arbeiten acht Menschen für das Start-up, in Teilzeit oder als Werkstudierende. Zwischenzeitlich waren es 19 gewesen.
Start-up für Naturkosmetik mit eigener Manufaktur in Hamburg
Ein- bis zweimal pro Woche zieht sich das Team weiße Kittel, gereinigte Schuhe und Haarnetze an und produziert gemeinsam in den Räumen direkt neben dem Büro. Etwa 3000 bis 4000 Produkte schaffen sie am Tag. Um Kosten zu sparen, teilen sie sich die Fläche mit dem Hamburger Start-up Gaia, das Bienenwachstücher herstellt.
Morgens um 4 Uhr heizen sie silberne Gulasch-Erwärmer an, die sonst in Großküchen genutzt werden. Darin landen Bienenwachs, Olivenöl oder Aloe-vera-Saft. Verpackt und versendet werden die fertigen Produkte in Buchholz im Landkreis Harburg – von einem Unternehmen, das psychisch erkrankte Menschen auf dem Weg zurück ins Arbeitsleben unterstützt.
Hamburger Start-up für Naturkosmetik findet Investoren
Um die 10.000 Menschen zählt 4 people who care zu den Stammkunden. Sie bestellen regelmäßig Hand- und Fußcreme. Das Onlinegeschäft mache die Hälfte des Umsatzes aus: Rund 1000 Bestellungen gehen pro Monat ein. „Zu Weihnachten ist es immer krass“, sagt Hinrichsmeyer. „Dann steigt der Umsatz auf das Drei- bis Vierfache.“
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Bis es in diesem Jahr so weit ist, stimmt den 34-Jährigen etwas anderes hoffnungsvoll. Nach einer weiteren Finanzierungsrunde haben sich neue Investoren gefunden: vor allem Privatpersonen, die insgesamt eine Summe im mittleren sechsstelligen Bereich zur Verfügung stellten. Es geht also weiter für das Team um Hinrichsmeyer, der vor Kurzem Vater geworden ist. Genug Gründe, um aufzuatmen.