Hamburg. Hamburger Metallkonzern steckt seit mehr als einem Jahr in Turbulenzen. Die Reaktionen der Anleger sind erstaunlich. Soll man zukaufen?

Man kann sagen, dass die Aktie des Hamburger Kupferherstellers Aurubis schon bessere Tage gesehen hat. Derzeit bewegt sich der Kurs der Anteilsscheine des Unternehmens, die im MDAX der mittelgroßen Werte notiert sind, um die 70 Euro. In den Hochzeiten im Frühjahr 2022 dagegen war jede der knapp 45 Millionen Aurubis-Aktien – exakt sind es 44.956.723 – deutlich mehr als 110 Euro wert. Das Allzeithoch datiert vom 25. März des vorvergangenen Jahres: 115,35 Euro.

Millionenklau bei Aurubis – so hat sich der Aktienkurs entwickelt

Es war ein Zeitpunkt, zu dem sich der Baustart des neuen Recyclingwerks der Hamburger in Augusta im Richmond County (Bundesstaat Georgia) abzeichnete und damit der Einstieg von Aurubis in den US-Markt. Im Nachhinein wird es wohl heißen, es sei nicht nur aktientechnisch der Höhepunkt gewesen, sondern auch die Phase, in der sich der Konzern auf der Höhe des Erfolgs während der gut fünfjährigen Amtszeit von Vorstandschef Roland Harings befand. Der aber muss in wenigen Wochen vorzeitig gehen. Vier Wochen vor Ende des Geschäftsjahres 2023/24 übernimmt Nachfolger Toralf Haag.

Denn seit Mai des vergangenen Jahres gab es Geschehnisse im Hamburger Stammwerk und wurden Vorgänge bekannt, die das Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung in eine tiefe Krise stürzten und den Vorstandschef kurz vor Weihnachten bei der Bilanzvorlage von einem „annus horribilis“ sprechen ließen, einem Horrorjahr. Ein Begriff, den man heute in der Hamburger Konzernzentrale allerdings nur noch äußerst ungern hört.

Aurubis: Hinter dem Konzern liegt ein Horrorjahr

Jedenfalls gab es ab dem Frühjahr in kurzer Reihenfolge zunächst mehrere schwere Arbeitsunfälle. Bei einem davon starben drei Menschen. Mitte Juni wurde durch eine Polizei-Razzia bekannt, dass Aurubis mindestens ab Anfang 2020 massiv bestohlen worden war. Wenige Wochen später musste der Konzern eingestehen, dass ihm Edelmetalle im Gesamtwert von etwa 180 Millionen Euro abhandengekommen waren, die Summe wurde später auf 169 Millionen Euro reduziert. Wie und durch wen der Schaden entstand, ist bis heute nur in Teilen bekannt und aufgeklärt.

Zwar meldete das Unternehmen zum Ende 2023 trotz der heftigen Einbußen einen Jahresgewinn von knapp 350 Millionen Euro – einen der höchsten in seiner Geschichte. Doch zugleich war bereits durchgesickert, dass der Aufsichtsrat offiziell noch prüfte, vermutlich aber längst entschlossen war, sich vom Vorstandschef und zwei weiteren Top-Managern im vierköpfigen Vorstand vorzeitig zu trennen.

Schon ab 2012 wurde der Konzern massiv betrogen – trotzdem passierte das wieder

Das geschah wenig später, ohne dass gleich ein Nachfolger präsentiert werden konnte. Es folgten weitere Diebstähle und der Beginn eines Prozesses, der deutlich macht: Schon zwischen 2012 und 2016 war der Konzern massiv betrogen worden. Dennoch konnte das Jahre später auf offenbar ähnliche Weise erneut geschehen

Und was hat all dies mit dem Aktienkurs gemacht? Unter dem Strich erstaunlich wenig. Sowohl Anfang Juni 2023, also kurz bevor das andauernde Kriminalitäts-Drama bei Aurubis begann, als auch aktuell notiert das Papier um und bei 70 Euro.

Wie Kriminalfälle und Management-Turbulenzen den Kurs verändern

Zwischendurch allerdings fuhr der Kurs Achterbahn zwischen 85,66 Euro Anfang August 2023 und dem Tiefpunkt 57,58 Euro Anfang März dieses Jahres (siehe Grafik). Dass sich Neuigkeiten über Straftaten und Management-Turbulenzen direkt im Aktienkurs niederschlagen, ist aber eher die Ausnahme, und die Folgen sind meist überschaubar und von kurzer Lebensdauer.

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So fiel der Kurs Mitte Juni 2023 nach der Polizei-Razzia binnen weniger Tage von 83,86 auf 78,20 Euro. Damals war noch nicht bekannt, wie groß der Schaden für Aurubis ist. Und Anleger mögen keine Unsicherheit. Als dann Ende August 180 Millionen Euro Schaden gerechnet wurde, gab es einen weiteren Rücksetzer: von 76,40 auf 69,54 Euro, immerhin gut 10 Prozent Wertverlust. Als dann Ende Januar die Trennung von weiten Teilen des Vorstands fix war, ging es dagegen deutlich nach oben. Die Anleger goutierten offenbar das Ende der Unsicherheit.

Die Einschätzung der Aktie durch Analysten ist gemischt: Sechs von ihnen empfehlen, das Papier zu halten, vier raten zum Kauf, zwei zum Verkauf. Als angemessener Kurs werden zwischen 70 und 91 Euro genannt.

Aktienwert: Aurubis zu kaufen wäre ein sehr gutes Geschäft

Am Dienstag kurz vor 14 Uhr wurde das Papier für genau 70 Euro gehandelt. Aurubis hatte damit einen Börsenwert von 3,15 Milliarden Euro. Doch das hat sehr begrenzte Aussagekraft. Denn: Der Konzern ist schuldenfrei, hat aber hohe Rücklagen und große Vorräte. Im Herbst 2023 waren es knapp 500 Millionen Bargeld und Metalle im Wert von 3,4 Milliarden Euro. Aurubis zu kaufen wäre am Dienstag wohl ein sehr gutes Geschäft gewesen.