Hamburg. Die Reform der Grundsteuer hat auch für Mieter in anderen Stadtteilen folgen. Für wen es teurer und für wen günstiger werden dürfte.
Seitdem der Senat kürzlich den Hebesatz für die ab dem Frühjahr 2025 geltende neue Grundsteuer festgelegt hat, hat in Hamburg das große Rechnen begonnen. Muss ich künftig mehr für mein Haus oder meine Wohnung an den Staat zahlen – und wenn ja, wie viel mehr? Oder sinkt der Steuerbetrag? Wohnungseigentümer können das selbst ausrechnen. Ist ein bisschen kompliziert, aber, wenn das Verfahren verstanden ist, recht schnell gemacht.
Frust und Freude über das Ergebnis halten sich in etwa die Waage, zeigen die Berechnungen, über die Leser dem Abendblatt berichten. Für manche steigt die Steuerlast um mehrere hundert Prozent. Das ist häufig dann der Fall, wenn der zu zahlende Betrag heute noch vergleichsweise niedrig ist. Für andere Eigentümer, insbesondere von Immobilien jüngeren Baujahrs, wird es tendenziell billiger.
Wohnen in Hamburg: Mit der neuen Grundsteuer kommt was auf Mieter zu
Unter dem Strich sollen sich Mehr- und Minderbelastungen ausgleichen. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) wird nicht müde zu betonen: Die Stadt will ihre Grundsteuereinnahmen insgesamt nicht erhöhen – sondern gerechter als bisher erheben. Manche sprechen von der „großen Gleichmacherei“.
Das werden aber nicht nur Eigentümer – manche schmerzlich, manche wohltuend – zu spüren bekommen. Auch auf die Mieter der rund 660.000 Wohnungen in der Stadt kommt da etwas zu. Denn auch sie zahlen Grundsteuer, allerdings indirekt.
„Mieter zahlen mindestens die Hälfte der Grundsteuern in Hamburg“
„Die Grundsteuer auf vermietete Wohnungen muss zwar vom jeweiligen Eigentümer abgeführt werden, doch die Vermieter legen sie in der Betriebskostenabrechnung auf ihre Mieter um“, sagt Rolf Bosse. Der Vorsitzende und Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg ist auf Grundlage einer groben Schätzung überzeugt: „Mindestens die Hälfte der Grundsteuereinnahmen für Wohnhäuser in Hamburg werden letztlich von Mietern aufgebracht.“ Insgesamt nimmt die Stadt etwa 510 Millionen Euro pro Jahr aus der Steuer ein.
Und ebenso wie bei den Eigentümern wird es durch die Neuberechnung der Steuer auch unter Mietern Gewinner und Verlierer der Reform geben. Konkrete Vorhersagen, für welche Mieter es teurer werden könnte, seien extrem schwierig bis so gut wie unmöglich, sagt Bosse. Doch erste Vergleichsrechnungen des Mietervereins zeigen zumindest grobe Tendenzen auf.
Grundsteuer: Welche Mieter wohl mehr, welche weniger zahlen müssen
„Für Wohnungen mit Baujahr in den 1950er- bis 1970er-Jahren dürfte es einen moderaten Anstieg geben“, sagt der Mietervereins-Chef. Für Mieter von Altbau-Wohnungen in Stadtteilen wie Eimsbüttel, Eppendorf, Winterhude, Othmarschen oder Hoheluft dagegen dürfte es „deutlich teurer werden“, prognostiziert Bosse..
Für eine knapp 70 Quadratmeter große Wohnung in einem denkmalgeschützten Mehrfamilienhaus mit Baujahr um 1900 könne die Grundsteuer durchaus um mehr als 100 Prozent steigen – von vergleichsweise moderaten 80 auf etwa 210 Euro pro Jahr. Hintergrund: Gebäude älteren Baujahres wurden bislang zumeist auf Grundlage eines viel geringeren Werts veranlagt, als sie ihn heute tatsächlich haben. Diese Ungerechtigkeit zu beseitigen war letztlich der Anlass für das Bundesverfassungsgericht, eine Neuordnung der Grundsteuer zu verlangen.
Als Gewinner der Reform sieht der Mietervereins-Vorsitzende dagegen die Mieter in erst wenige Jahre alten Häusern. „Für alle in Neubauten wird es tendenziell günstiger.“
Grundsteuer – „In Einzelfällen kann es eine Vervierfachung geben“
Die Einschätzungen des Mietervereins decken sich mit denen von Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften, also den Vermietern. Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) geht davon aus, dass die Grundsteuerbeträge für einen Teil der Grundstücke und der Mietshäuser darauf steigen, für einen anderen Teil aber fallen werden. Das bestätigten die Ergebnisse von Berechnungen von Mitgliedsunternehmen, sagt VNW-Direktor Andreas Breitner. „In Einzelfällen kann es Steigerungen auf das Drei- oder Vierfache des bisherigen Werts geben. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass die Mehrbelastungen für die Mieterinnen und Mieter überschaubar sein werden“, lautet seine Einschätzung. Den VNW-Mitgliedsunternehmen gehören in Hamburg etwa 300.000 Wohnungen.
Wie auch immer das Ergebnis aussieht, erfahren werden Mieter erst wesentlich später als Eigentümer, wie viel Grundsteuer sie künftig zahlen müssen. Verschicken will die Stadt die Bescheide zwar im Frühjahr 2025, Mieterinnen und Mieter dürften vielfach jedoch erst Klarheit haben, wenn sie ab Frühjahr 2026 die Betriebskostenabrechnung für das Vorjahr erhalten.
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Eine Kontrolle, ob die Stadt richtig gerechnet und der Vermieter richtig abgerechnet hat, könnte allerdings schwierig werden. „Gerade in Mehrfamilienhäusern mit vielen Wohnungen wird eine Überprüfung für eine einzelne Wohnung extrem kompliziert sein“, sagt Rolf Bosse. Dabei gebe es bekannte Fehlerquellen: So dürften bei Mietverträgen ab 2004 Terrassen- und Balkonflächen nur noch zu einem Viertel der Wohnfläche hinzugerechnet werden, nicht mehr zur Hälfte. „Wir wissen, dass das nicht immer geschieht“, so der Mietervereins-Vorsitzende. Doch selbst wenn Fehler entdeckt würden, sei die Frage, ob es lohne, rechtlich dagegen vorzugehen. „Es dürfte allenfalls um einige wenige Euro pro Jahr gehen.“
Grundsteuer in Hamburg: Mieterverein fordert, dass Vermieter sie zahlen
Der Mieterverein hat eine deutlich weitergehende Forderung: Die Grundsteuer solle gar nicht mehr auf Mieter umgelegt werden, sondern vom Vermieter gezahlt werden. „Die Grundsteuer ist aus unserer Sicht eine Vermögensteuer, die vom Eigentümer getragen werden muss“, sagt Bosse.