Hamburg. Umsatz dramatisch eingebrochen. Bauarbeiten am Jungfernstieg und an den Colonnaden werden zum Problem. Große Orchester als Kunden.
Selbst der Ton des Festnetztelefons klingt hier melodisch. Barbara Teveßen steht in ihrem Musikfachgeschäft „Melodie“ und summt leise die gerade ertönte Klangfolge nach. „Das müsste eines von Bachs Brandenburgischen Konzerten sein“, sagt sie und überlegt. „Aber ich komme gerade nicht drauf.“ Die 45-Jährige betreibt Hamburgs einziges Fachgeschäft für Musiknoten. Doch sie sorgt sich um ihren Laden in den Colonnaden.
Baustellen am Jungfernstieg vermiesen Fachhändlerin den Umsatz
Denn seitdem sich am Jungfernstieg und Neuen Jungfernstieg Baustellen an Baustellen reihen, bleibt die Laufkundschaft fern. Nicht nur bei Teveßen ist das so. Um 40 bis 50 Prozent sei ihr Umsatz seit März dieses Jahres eingebrochen. Die absoluten Zahlen will die Geschäftsführerin nicht nennen, nur so viel: „Wenn man abends 90 Euro in der Kasse hat, kann sich jeder ausrechnen, dass das nicht funktioniert.“ Das seien die schlimmsten Tage – und die erlebe die gelernte Musikfachhändlerin aktuell zu häufig: „Normalerweise spielen wir vierstellige Beträge am Tag ein.“
Nun auch noch das: Eine weitere Baustelle – direkt vor der Tür ihres Ladengeschäfts. Es stehen Testbohrungen für die neue U5 an. Zwar soll die Baustelle laut Hochbahn-Sprecherin Lena Steinat voraussichtlich nur zwei Wochen bestehen bleiben. „Die Eingänge der umliegenden Geschäfte und Gastronomien werden zu jeder Zeit zugänglich sein“, versichert Steinat außerdem. Aber für Teveßen ist das kein Grund für Optimismus. Sie fragt sich, wann sich die Colonnaden, eine von Hamburgs historischen Flaniermeilen, von all den Bauarbeiten erholen.
Notenfachhandel trotzt Onlinehandel durch gute Beratung
Von den Sorgen ist im Geschäft selbst wenig zu spüren. Die stuckverzierten Wände sind mintgrün gestrichen, der Kronleuchter an der Decke glitzert. Eine hereinkommende Kundin spielt auf einer Zungentrommel. Meditative Klänge breiten sich im Raum aus. Dann streicht sie über die Röhrenglocken eines Windspiels. Kundinnen und Kunden stöbern gern im etwa 75 Quadratmeter großen Laden von Teveßen. Neben Musiknoten gibt es hier auch Notenpulte, kleine Instrumente wie Blockflöten oder Trommeln, Gitarren- und Geigensaiten, Taktstöcke sowie Geschenkartikel und Stoffe in Musik-Optik zu kaufen.
„Wenn man abends 90 Euro in der Kasse hat, kann sich jeder ausrechnen, dass das nicht funktioniert.“
Die Kundschaft profitiert aber vor allem von der fachlichen Beratung der Beschäftigten: Vier Teilzeitkräfte arbeiten neben der Geschäftsführerin in der Musikalienhandlung. „Mit Leidenschaft“, sagt Barbara Teveßen. „Wir beliefern sowohl den Hobby-Musiker mit Noten für einen Taylor-Swift-Song als auch Hamburger Orchester mit Orchesternoten für einzelne Violin-Stimmen.“
Musikgeschäft hat namhafte Kunden in der Musikstadt Hamburg
Wie sind die Noten gesetzt? Sind sie auf das Instrument ausgelegt, das ich spiele? Welche Noten brauche ich, wenn verschiedene Instrumente zusammen spielen wollen? Zu Fragen wie diesen berät das Team vor Ort. Mit Erfolg: Man habe eine geringe Rücklaufquote. „Weil wir im Vorfeld eben gut beraten“, so das Fazit der Musikfachhändlerin. Neben Privatkunden kaufen auch das Orchester der Staatsoper, das NDR Elbphilharmonie Orchester oder die Symphoniker Hamburg im Geschäft der 45-Jährigen. Die Frage ist nur: Wie lange noch?
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„Ich würde gerne ein Hamburger Traditionsgeschäft werden“, sagt Teveßen. In der aktuellen Situation zweifelt sie daran, dass das gelingt. Die Musikhändlerin hat in Köln im Musikhaus Tonger gelernt, zog dann für ihr Kostümdesign-Studium nach Hamburg. Währenddessen arbeitete sie weiterhin in Musikgeschäften – bei Steinway und bei Bartels Noten, das Ende 2016 schließen musste. Ein Schicksal, von dem die 45-Jährige hofft, nicht ereilt zu werden.