Hamburg. 25 Prozent Preisrückgang seien erforderlich, um die höheren Zinsen auszugleichen, sagt die Deutsche Bank. Andere Banker halten dagegen.

Die Aussichten für den Immobilienmarkt bleiben düster. Es geht nicht nur um fallende Preise, es gibt auch immer weniger Transaktionen, also Käufe oder Verkäufe. Die Pfandbriefbanken, eine tragende Säule der Immobilienfinanzierung, verzeichneten im vergangenen Jahr einen starken Rückgang bei Immobilienkrediten. Die Finanzierungen von Eigentumswohnungen gingen um 29,3 Prozent zurück, und bei Einfamilienhäusern sank das Volumen neu vergebener Kredite um 18,2 Prozent.

„Die Zurückhaltung der privaten Darlehensnehmer ist eine Folge der hohen Inflation: Zum einen haben die innerhalb kürzester Zeit spürbar gestiegenen Lebenshaltungskosten den finanziellen Spielraum der Privathaushalte verringert. Zum anderen ist die hohe Teuerungsrate eine Ursache für die nun deutlich höheren Kreditzinsen“, sagt Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp). Den Trend bestätigen auch andere Banken. So vergab die Haspa 2022 ein Drittel weniger Bau­finanzierungen als im Jahr zuvor.

Fallende Immobilienpreise reizen bisher nicht zum Kaufen

Dabei müssten fallende Immobilienpreise angesichts auch steigender Mieten das Interesse der Käufer wecken, denn auch das Angebot an Kaufimmobilien hat sich vergrößert. Doch der Rückgang der Immobilienpreise reicht bisher nicht aus, um die gestiegenen Zinsen zu kompensieren. Die Deutsche Bank hat jetzt in einer Studie ermittelt, wie weit die Immobilienpreise noch fallen müssen, um den Zinsanstieg auszugleichen.

Es ist eine Rechnung für Profiinvestoren, doch auch private Immobilienkäufer können sich daran orientieren. „Unterstellt man Finanzierungskosten von vier Prozent und kein Mietwachstum, dann müssen die Preise um 25 Prozent fallen, damit die Mietrenditen wieder die Gewinnschwelle erreichen“, sagt Analyst Jochen Möbert von der Deutschen Bank.

Somit wären Einnahmen und Finanzierungskosten des Investors gerade so gedeckt, wolle er von Anfang an einen Gewinn erzielen. „Dann sind noch deutlichere Preisrückgänge erforderlich“, so der Immobilienexperte. Knapp vier Prozent Zinsen sind jetzt das aktuelle Zinsniveau für eine zehnjährige Zinsbindung. Vor zwei Jahren lagen die Konditionen bei knapp einem Prozent. Die Deutsche Bank hatte bereits im Frühjahr 2021 vor einem Ende des Immobilienbooms in Deutschland gewarnt.

Preisrückgang von bis zu sechs Prozent in Hamburg

Von einem Preisrückgang von 25 Prozent oder gar von bis zu 40 Prozent wie ihn die Bundesbank für Städte wie Hamburg befürchtet, ist der lokale Immobilienmarkt noch weit entfernt. Das Immobilienportal Immowelt registrierte bei den Angebotspreisen für Eigentumswohnungen aus dem Bestand in Hamburg von Dezember 2021 bis Dezember 2022 einen Preisrückgang von sechs Prozent. Unter den sieben größten deutschen Metropolen war das zusammen mit München die größte Preisveränderung innerhalb eines Jahres. Inzwischen dürfte der Preisrückgang nach Schätzungen schon bei zehn Prozent liegen. Neuere Zahlen für das erste Quartal liegen noch nicht vor.

Das Jahr 2022 läutete eine deutliche Trendwende auf dem deutschen Immobilienmarkt ein. „In diesem Jahr fand der Zyklus des Immobilienmarktes sein Ende“, sagt Thomas Schäfer von Immowelt. Nach Jahren des steten Preisanstiegs für Wohneigentum sinken die Preise nun spürbar. Ein Grund für die Preiskorrekturen ist vor allem in der Entwicklung der Bauzinsen zu suchen, die sich 2022 nach Jahren der Tiefzinsphase nahezu vervierfacht haben.

Durch die gestiegenen Zinssätze für Immobilienkredite ist die monatliche Annuität je nach Immobilie um mehrere Hundert Euro höher als noch zu Anfang des Jahres. Dadurch können sich weniger Menschen den Erwerb von Wohneigentum leisten. „Den Kauf einer Immobilie dürften daher viele Menschen aufgegeben oder zumindest vertagt haben“, sagt Schäfer. „Dieser Rückgang der Nachfrage mündete in spürbaren Preisanpassungen.“ Der Immobilienfinanzierer Hypoport rechnet damit, dass die Krise bis zu acht Quartale dauern könnte.

Banken hoffen auf Wende am Immobilienmarkt

Doch es gibt auch andere Stimmen, vor allem aus dem Bankensektor. Bei den Geldinstituten ist das Geschäft mit Bau­finanzierungen rückläufig, sie hoffen nun auf die Wende am Immobilienmarkt noch in diesem Sommer. „Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass wir in Hamburg schon nach dem Sommer eine Trendwende am Immobilienmarkt mit wieder leicht steigenden Preisen sehen werden, für größer als 50 Prozent“, sagte der Chef der Hamburger Sparkasse (Haspa), Harald Vogelsang, in einem Interview mit unserer Zeitung.

Noch optimistischer ist André Nogat, Gebietsleiter Private Banking Wealth­ Management bei der Commerzbank in Hamburg. „Die Preise werden nicht erodieren in Hamburg, wir sehen vor allem in den Außenbezirken Preisrückgänge, aber kaum in den sehr gefragten Lagen Hamburgs.“ Im Sommer würden die Immobilienkäufer an den Markt zurückkehren, hofft er.

An den Rahmenbedingungen wird sich bis dahin aber kaum etwas geändert haben. Das betrifft vor allem die gestiegenen Baugeldzinsen. „Seit Monaten beobachten wir stark schwankende Zinsen. Das wird unserer Einschätzung nach auch in den kommenden Monaten so bleiben“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin des Baugeldvermittlers Interhyp AG.

Die nach wie vor hohe Inflation zwinge die Notenbanken weiterhin zu einer restriktiven Geldpolitik. Das wiederum treibe die Renditen für Staatsanleihen und damit die Zinsen für Baufinanzierungen in die Höhe. „Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der straffen Zinspolitik der amerikanischen Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank EZB könnten sich als verfrüht erweisen“, sagt Mohr.

Bauzinsen von bis zu vier Prozent werden erwartet

Auch die von Interhyp befragten Experten rechnen mit Bauzinsen zwischen 3,5 und vier Prozent. Sollten die Zinsen noch stärker steigen, drohen weitere Gefahren. „Wir glauben, dass die Häusermärkte weitere Zinserhöhungen schwer verkraften können“, sagt Jochen Möbert von der Deutschen Bank „Weitere Investoren würden unter Zugzwang geraten, und auch eine ausgewachsene Krise könnte bei weiteren massiven Zinserhöhungen in den Bereich des Möglichen rücken.“

Doch Vogelsang und Nogat setzen darauf, dass sich die potenziellen Immobilienkäufer den neuen Rahmenbedingungen anpassen werden. „Der Wunsch der Menschen nach dem Eigenheim ist ungebrochen. Außerdem entsteht durch den Aufschub vieler Neubauvorhaben eine große Angebotslücke“, sagt Vogelsang. Ähnlich argumentiert sein Kollege von der Commerzbank Hamburg. „Wer für die Eigennutzung eine Immobilie kauft, macht das nicht nur am Preis und einer möglichen Rendite fest“, sagt Nogat.

Viel wichtiger sei den Käufern, im Alter mietfrei wohnen zu können. Wie aber die Käufer die hohen Finanzierungsraten stemmen sollen, bleibt offen. Wer 400.000 Euro an Kredit aufnimmt, zahlt bei einer 15-jährigen Zinsbindung aktuell rund 2000 Euro monatlich an Zins und Tilgung. Das sind 70 Prozent mehr als vor einem Jahr – bei nur minimal gesunkenen Immobilienpreisen, aber deutlich höheren Ausgaben für Lebensmittel und Energie. Nicht zuletzt deshalb haben die Banken die Bedingungen für die Kreditvergabe beim Immobilienkauf verschärft.

Hohe Energiepreise schrecken ab

Außer den Bauzinsen haben sich noch andere Rahmenbedingungen für den Immobilienkauf verschlechtert, die noch viel schwieriger zu kalkulieren sind. So hat die Gaspreiskrise infolge des Krieges in der Ukraine viele Menschen für Energiepreise sensibilisiert. „Spielten die energetische Effizienz und der Heizträger einer Immobilie in der Vergangenheit oftmals eine eher untergeordnete Rolle bei der Kaufentscheidung, achten Kaufinteressenten nun vermehrt auf die Betriebskosten einer Immobilie“, heißt es von Immowelt. „Ältere, unsanierte Immobilien mit schlechterer Ökobilanz sind schwerer vermittelbar. Verkäufer müssen daher oftmals Zugeständnisse beim Preis machen.“

Wer die konventionelle Öl- oder Gasheizung erneuern will, muss voraussichtlich ab 2024 eine Wärmepumpe oder eine Pelletheizung einbauen oder für einen Anschluss an ein Fernwärmenetz sorgen. Das zieht hohe Investitionen nach sich, bei der Wärmepumpe sind oft auch noch zusätzliche Dämmungen an schlecht isolierten Häusern erforderlich. Unabhängig von der Heizungsfrage plant die EU, dass bis 2030 alle Wohnimmobilien die EU-Energieklasse E erreichen müssen und bis 2033 die Klasse D.

Das hieße, dass sich der Heizaufwand pro Quadratmeter oft mehr als halbieren müsste, was die Dämmung von Dach und Wänden und neue Fenster voraussetzt. Wer sich also eine Bestandsimmobilie anschaffen möchte, muss mit hohen zusätzlichen Investitionen kalkulieren. Beträge von bis zu 150.000 Euro sind da schnell erreicht. Ob die Immobilienkäufer diese Hürden überwinden können? Sie sind auf alle Fälle ein Indiz dafür, dass vor allem die Bestandsobjekte noch vor einer kräftigen Preiskorrektur stehen.