Hamburg. Mehr Homeoffice, weniger Geschäftsreisen: Verändern die Krisen unserer Zeit die Strukturen in Firmen nachhaltig? Eine Umfrage.

Die Corona-Zahlen steigen, zugleich öffnen sich Länder wie die USA wieder für Reisende. Noch immer, nach mittlerweile fast zwei Jahren Pandemie, herrscht Unsicherheit über die Freiheiten, die sich Firmen und die Gesellschaft angesichts der Gefahr durch das Virus nehmen können. Virtuelle Konferenzen gehören für viele Beschäftigte längst zum Alltag, doch werden diese technologischen Hilfsmittel auch nach Corona bleiben und das persönliche Miteinander ersetzen?

International stark verflochtene Konzerne und grenzüberschreitend tätige Unternehmen haben in den vergangenen Monaten ihr Geschäftsgebaren radikal umgestellt, die Zahl der Dienstreisen, auch zum Wohle der Umwelt, wurde minimiert. Bleibt diese Zurückhaltung, oder kehren die Vielflieger zurück? Und wie entwickelt sich der Trend bei Dienstwagen, ein Thema, das ebenfalls mit Blick auf den Klimaschutz diskutiert wird? Die Abendblatt-Umfrage unter Hamburger Firmen.

Mobilität: Wie Hamburger Unternehmen auf Krisen reagieren

Beiersdorf

Bei Beiersdorf gilt global weiterhin eine restriktive Reiserichtlinie. Genehmigungen für Dienstreisen im In- und Ausland werden bei dem Nivea-Hersteller weiterhin sorgfältig abgewogen. „Wir gehen davon aus, dass sich das Reiseverhalten langfristig und dauerhaft verändert. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich viele Dienstreisen dank der verschiedenen Kommunikationstechnologien wie Videokonferenzen sinnvoll ersetzen lassen“, sagte eine Sprecherin. Gleichzeitig wirke man aktiv auf ein „allgemein nachhaltigeres Reiseverhalten“ hin. Der Bestand der Dienstwagenflotte habe sich seit 2019 nicht verändert. Die Anzahl der reinen E-Fahrzeuge habe bei Beiersdorf jedoch deutlich zugelegt – „und es ist unser Ziel, deren Anteil weiter auszubauen“, hieß es.

Unilever

Die Zahl der Dienstreisen hat sich bei dem Konsumgüteranbieter deutlich reduziert. Wichtige Kundentermine etwa im Außendienst finden persönlich statt, viele weitere Treffen digital oder zumindest hybrid, heißt es bei dem Konzern mit Deutschland-Zentrale in Hamburg. Vor allem die Anzahl interner Treffen werde nicht den Stand von vor der Pandemie erreichen, sagte eine Sprecherin. Unabhängig von der Pandemie wurden bei Unilever die sogenannten Status-Dienstwagen für das höhere Management abgeschafft und durch eine Mobilitätspauschale ersetzt. Für den Vertrieb stehen aber weiter Dienstwagen zur Verfügung.

Bahn- und Busreisende werden mit einem Zuschuss zum vergünstigten HVV-Jobticket mit bis zu 50 Euro im Monat unterstützt, ergänzte die Sprecherin. „Mit dem neuen Mobilitätskonzept sollen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeregt werden, das Auto stehen zu lassen“. Daher seien am neuen Firmensitz nahe dem Rathaus keine Parkplätze mehr für Autos vorgesehen. Ausnahmen gelten für Kolleginnen und Kollegen mit Behinderung sowie für sogenannte Poolfahrzeuge oder Handwerker. Im Gegenzug habe Unilever mehr Stellplätze für Fahrräder in der Tiefgarage geschaffen. „Insgesamt ist Platz für 120 Räder, Ladevorrichtungen für E-Bikes und eine kleine Reparaturstation sind ebenfalls gegeben.“ Bei den Dienstwagen werde regelmäßig geprüft, ob E-Autos sinnvoll sind. „Wir hoffen sehr, verstärkt auf E-Mobilität umsteigen zu können“, sagte die Sprecherin.

Airbus

Die Zahl der Reisen wurde bei dem Flugzeugbauer während der Pandemie insbesondere 2020 auf ein Minimum reduziert. „Mit der Lockerung der Reisebeschränkungen steigt aber auch die Anzahl der Dienstreisen“, sagte ein Airbus-Sprecher. „Als internationales Unternehmen lebt Airbus auch von Begegnungen seiner Mitarbeiter untereinander sowie mit Kunden und Lieferanten, welche nur durch Reisen ermöglicht werden können“, lautet die Begründung. Videokonferenzen seien mit Blick auf Effizienz auch schon vor der Pandemie intensiv genutzt worden. Flugzeuge würden für Dienstreisen bei Distanzen genutzt, bei denen das Auto wenig sinnvoll sei. „Ein Flug von Hamburg nach Toulouse dauert zwei Stunden. Mit dem Auto wären es zwei Tage“, argumentierte der Sprecher. Airbus nutze an seinen Standorten zudem Carpool- und Bikesharing-Angebote. Ein Teil dieser Fahrzeuge seien bereits Elektroautos.

Google

Bei dem US-Konzern, der in Hamburg seine Deutschland-Zentrale hat, sind die Geschäftsreisen auf ein Minimum reduziert worden. Auch die Öffnung der US-Grenzen bringe nicht mit sich, dass sofort Flüge nach Übersee gebucht würden, hieß es. „Das ist alles noch sehr frisch“, sagte Firmensprecherin Lena Heuermann zu den neuen Einreiseregeln. Grundsätzlich habe Google auch vor der Pandemie stark auf virtuelle Konferenzen gesetzt. Dienstwagen gebe es bei dem Suchmaschinenbetreiber gar nicht. Zum einen aus Umweltgründen, aber auch weil Hierarchien mit entsprechenden Privilegien in dem einst von Studenten gegründeten Unternehmen kaum eine Rolle spielten. Die Parkplätze unter dem Firmensitz in der ABC-Straße wurden zu Fahrradständern.

New Work SE

Während der Pandemie haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mutterfirma des Businessnetzwerks Xing kaum Dienstreisen unternommen – zwischenzeitlich gab es auch die Anweisung, aus Gründen des Infektionsschutzes darauf zu verzichten. „Wir werden weiterhin sicherlich Dienstreisen machen“, sagte ein Firmensprecher. „Jedoch ist die Pandemie auch für uns ein Augenöffner gewesen: Wir wägen künftig sicherlich noch sorgfältiger ab, ob statt einer Dienstreise ein virtueller Call genutzt werden kann.“

Auch in absehbarer Zeit werde die Reisetätigkeit nicht auf das Niveau von vor der Pandemie zurückkehren. „Neben den Flugreisen, die bei uns komplett kompensiert werden, wird sowohl mehr auf die Bahn als auch auf Videocalls gesetzt“. New Work hat zudem keine Dienstwagenflotte. „Wir bieten den Kolleginnen und Kollegen ein Fahrrad-Leasingprogramm an, welches gut angenommen wird“, so der Sprecher.

Helm AG

Bei der Hamburger Helm AG, dem weltweit größten konzernunabhängigen Chemiehändler, ist die Zahl der Dienstreisen im Zuge der Pandemie um 80 Prozent zurückgegangen. Und ein Zurück zum früheren Zustand wird es offensichtlich nicht geben. „Auf Basis der Erfahrungen, die wir im Rahmen der Pandemie gemacht haben, werden wir das Dienstreisen-Niveau entsprechend anpassen“, heißt es von der Helm AG. Und weiter: „Wir gehen derzeit nicht davon aus, wieder in gleichem Maße auf Dienstreisen zu gehen wie vor der Pandemie.“

Dennoch wolle man nicht auf den „persönlichen Kontakt“ zu Geschäftspartnern und Kunden verzichten und Vor-Ort-Kontakte wenn nötig pflegen. Auch Reisen in die USA würden wieder unternommen. Der Bestand an Dienstwagen ist bei dem Familienunternehmen seit 2019 konstant geblieben. Unter den 40 Dienstwagen seien fünf Hy­bridfahrzeuge, der Rest Verbrenner. Das Ziel der Helm AG: „Wir wollen mittelfristig zu 100 Prozent auf hybride Dienstwagen umsteigen.“

Bogdol

Beim Gebäudereiniger Bogdol haben sich die Dienstreisen auf ein Minimum reduziert, „allerdings kommen diese ohnehin nur im Raum Nord-/Ostdeutschland vor“, heißt es von der Hamburger Firma für Gebäudemanagement. Insbesondere die Reisen nach Dänemark seien ausgefallen. Künftig soll jedoch das Niveau von vor der Pandemie wieder erreicht werden. Die Anzahl der Dienstwagen sei seit 2019 minimal gestiegen. Dabei liege der Anteil der E-Fahrzeuge im einstelligen Prozentbereich. „Aufgrund der Einsatzgebiete, der Fahrzeugstandorte, der Fahrstrecken und der unplanmäßigen Einsatzzeiten der Wagen zusammen mit der noch nicht ausreichend vorhandenen Lade-Infrastruktur ist ein Einsatz von E-Fahrzeugen leider noch nicht praxisgerecht möglich“, sagte Bogdol-Sprecherin Yvonne Koch.

Otto

Bei dem Hamburger Handelshaus liegt die Zahl der Dienstreisen noch weit unter dem Niveau von vor Pandemiebeginn. Die Beschäftigten der Otto-Einzelgesellschaft, die aus dem Versandhaus hervorgegangen ist, sollen geschäftliche Reisen auf ein notwendiges Minimum beschränken. Die Mehrheit der Meetings werde virtuell durchgeführt. Nach über einem Jahr Dienstreiseverbot seien geschäftliche Reisen bei Otto seit dem Frühsommer allerdings wieder möglich. „Sofern nicht neue Lockdowns oder Bewegungseinschränkungen notwendig werden, gehen wir von einem Anstieg der Geschäftsreisen in den kommenden Monaten aus“, sagte ein Otto-Sprecher.

Die letzten eineinhalb Jahre hätten aber gezeigt, dass der virtuelle Austausch hervorragend funktioniere und im Hinblick auf Zeitersparnis, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz auch jede Menge Vorteile bringe. Die Dienstwagenflotte ist im Vergleich zu 2019 ungefähr gleichgeblieben. Dabei sei der Anteil an Elektro- und Hy­bridfahrzeugen kontinuierlich gestiegen. „Und wir gehen klar davon aus, dass er weiter steigen wird“, ergänzte der Sprecher. „Das liegt auch an den erheblichen finanziellen Vorteilen durch die staatliche Förderung. Schon Ende 2020 hatten rund 90 Prozent der neu bestellten Fahrzeuge entweder Elektro- oder Hybridfahrantrieb, das entspricht rund 15 Prozent unserer Fahrzeugflotte.“ Dieser Trend setze sich fort. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer der Autos im Otto-Fuhrpark von drei Jahren sei davon auszugehen, dass die klassischen Verbrenner sehr bald die Minderheit stellen.

Philips

„Wir beobachten einen sehr deutlichen Rückgang an Dienstreisen“, sagte Philips-Sprecher Sebastian Lindemann. Auch künftig werde man bei dem Medizintechnikunternehmen häufiger als früher auf Dienstreisen verzichten können, da Videokonferenzen inzwischen eine geeignete Alternative geworden seien. „Damit sparen wir nicht nur Reisekosten, sondern können unseren Arbeitsalltag effektiver gestalten und, was uns ganz besonders wichtig ist, leisten einen wichtigen Beitrag bei der Reduktion des CO-Ausstoßes“, ergänzte Lindemann. Die Pandemie habe gezeigt, dass viele Termine auch virtuell stattfinden können. Der Bestand der Dienstwagen sei seit 2019 gleichgeblieben. „Wir haben seit 2021 auch reine Elektroautos im Angebot – und eine beträchtliche Zahl von Firmenwagenberechtigten interessiert sich für diese Möglichkeit“, so Lindemann über den Trend zu mehr umweltverträglichen Autos.