Hamburg. Verbandspräsident Bartmann fürchtet Aus für viele inhabergeführte Geschäfte. Einige Kaufleute wollen trotz Lockdowns Geschäfte öffnen.
Sabine Falkenhagen ist jeden Tag im Geschäft. Weil der traditionsreiche Hutladen in der Hamburger Innenstadt seit gut drei Wochen im Corona-Lockdown ist, kümmert sich die Chefin vor allem um Bestellungen, die online, telefonisch oder per Mail reinkommen. Dass die Schließung des Einzelhandels jetzt bis mindestens Ende Januar verlängert wurde, trifft das kleine Geschäft hart. „Unser Produkt ist etwas, was man sehen und aufsetzen will“, sagt die Händlerin, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Cousin Jens führt. Zwar seien im vergangenen Jahr die Umsätze im Online-Shop um 30 Prozent gestiegen. „Aber das fängt bei weitem nicht das auf, was wir durch die wochenlange Schließung verlieren“, sagt Falkenhagen. Wie es weitergehen soll, weiß sie nicht. Gerade verhandelt sie wieder mit ihrem Vermieter über Mietnachlässe.
„Die Lage ist dramatisch“, sagt der Präsident des Handelsverbands Nord, Andreas Bartmann. „Für viele, vor allem kleine inhabergeführte Unternehmen gibt es keine Fortführungsperspektive mehr.“ Schon während des schwierigen Jahres 2020 seien die Rücklagen, teilweise auch private Mittel, aufgebraucht worden. „Die Kassen sind leer, da ist nichts mehr da.“
Bartmann, der auch Geschäftsführer des Hamburger Outdoor-Spezialisten Globetrotter ist, fordert, dass die von der Politik versprochenen Überbrückungshilfen endlich kommen müssten – „zeitnah und unbürokratisch“. Auch Globetrotter, mit 17 Filialen und einem etablierten Online-Shop einer der Großen in der Branche, komme langsam in den kritischen Bereich. Schließungen von Standorten will der Unternehmer deshalb nicht ausschließen. „Um weiterzumachen, brauchen wir dringend Mieten, die sich an den realen Umsätzen orientieren.“ Und eine Perspektive für den Normalbetrieb.
27 Millionen Euro Umsatz fehlen an jedem Tag
Der Handelsverband Deutschland (HDE) hatte nach der Verlängerung des Lockdowns einen genauen Fahrplan zur Wiedereröffnung der Geschäfte von der Politik gefordert. „Den Lockdown einfach nur zu verlängern und keinerlei Perspektiven oder Pläne für eine Wiedereröffnung der Geschäfte zu präsentieren, ist zu wenig“, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Derzeit sei nicht eindeutig geklärt, bei welchen Corona-Zahlen und Inzidenzwerten mit einer Lockerung gerechnet werden könne.
Die Handelsunternehmer aber müssten entscheiden, ob sie Ware bestellen und Marketingmaßnahmen planen. Genth moniert zudem, dass die staatlichen Hilfen auch weiterhin für viele notleidende Händler keine wirksame Unterstützung bringen. „Es zeichnet sich eine Pleitewelle ab, wie wir sie noch nicht erlebt haben.“
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Allein in Hamburg fehlen an jedem Tag, an dem die Läden zu bleiben müssen, 27 Millionen Euro Umsatz. Für die gebeutelte Innenstadt erwartet City-Managerin Brigitte Engler in den nächsten Monaten deshalb weitere Leerstände. Auch wenn die Läden im Februar wieder öffnen dürften, sei die Situation extrem schwierig. „Der Februar ist des schwächste Umsatzmonat des Jahres“, so Engler. Wie groß die Verzweiflung inzwischen ist, zeigt sich auch an der Protestaktion „Wir machen auf“ von Händlern auf der Chatplattform Telegram, die trotz Lockdown ab 11. Januar ihre Geschäfte öffnen wollen. Bundesweit haben sich mehrere Zehntausend dem Aufruf angeschlossen – und würden auch saftige Bußgelder riskieren. „Das ist auch Ausdruck des Gefühls, dass sich die Einzelhändler alleingelassen fühlen“, sagt die Hamburger Handelsverband-Geschäftsführerin Brigitte Nolte, die jeden Tag Anrufe von Hamburger Kaufleuten bekommt. „Anders als im Frühjahr gibt es keine Sicherheiten. Der Leidensdruck ist groß.“
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