Hamburg. 78-Jähriger soll fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Hamburger Geldinstitut wehrt sich gegen Vorwürfe. Weitere Prozesse drohen.
Mit einem vorzeitigen Renteneintritt hätte sich der ehemalige Generalbevollmächtigte des Privatbankhauses M.M. Warburg & CO viel ersparen können. Dann hätte er seinen Ruhestand genossen, bevor die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte bei seinem Arbeitgeber und anderen Geldhäusern zu einem beliebten Geschäftsmodell wurden.
Selbst mit einem regulären Rentenbeginn mit 65 Jahren wäre der jetzt 78-Jährige wahrscheinlich nicht auf der Anklagebank des Landgerichtes Bonn gelandet und wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden, denn dann wäre er schon 2008 in Rente gegangen.
Cum-Ex: „Größter Steuerraub in Nachkriegsgeschichte“
Ins Visier der Ermittler und Gerichte gerieten die umstrittenen Aktiengeschäfte mit Dividenden aus den Jahren 2006 bis 2013. Dabei geht es um blitzschnelle Aktienkäufe und -verkäufe rund um den Zahltag der Dividende, im Fachjargon auch Dividendenstripping genannt. Im Ergebnis erhielten die Geldinstitute Steuergutschriften, die ihnen aber in dem gewährten Ausmaß nicht zustanden.
„Das ist in etwa so, als wenn Vater und Mutter beide separat Kindergeld für ein Kind beantragen und kassieren“, sagt Gerhard Schick, der sich als ehemaliger Grünen-Abgeordneter im Bundestag für die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals eingesetzt hatte. „Es ist der größte Steuerraub in der Nachkriegsgeschichte mit einem Schaden von mindestens zehn Milliarden Euro für den Staat.“
Das Geld floss an die Warburg-Bank
Fehlende Nachfolgeregelungen sollen den jetzt verurteilten Banker zum Weiterarbeiten bewogen haben. Bis 2010 arbeitete er noch für die Bank und im Anschluss für die Warburg-Gruppe. Erst 2016 schied er bei seinem Arbeitgeber aus. Doch aus dem späten Ruhestand wird jetzt nichts, denn das Landgericht Bonn verurteilte ihn zu fünfeinhalb Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften. Außerdem muss er 100.000 Euro Strafe zahlen.
Der Vorsitzende Richter Roland Zickler sah den Ex-Banker als denjenigen, über den die entscheidenden Informationen zu den rechtswidrigen Cum-Ex-Geschäften liefen. Der Banker, der als rechte Hand des langjährigen Warburg-Chefs und Gesellschafters Christian Olearius galt, habe genau gewusst, dass die Gewinne aus der Steuerkasse stammten. Allerdings hat er das Geld nicht persönlich vereinnahmt, sondern es floss der Warburg-Bank zu.
Warburg-Bank wehrt sich
Es ist der erste Banker, der wegen solcher Geschäfte ins Gefängnis muss. „Der Richter hat ein Stück weit das Vertrauen in unseren Rechtsstaat gesichert, wo es Politik und Gangster im Nadelstreifen mit dem Cum-Ex-Skandal zerstört haben“, sagt Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.
Lesen Sie auch:
- „Cum-Ex“-Affäre: Warburg-Mitinhaber Olearius will aussagen
- Hamburger Privatbank Warburg bleibt in den roten Zahlen
- Cum-Ex-Skandal: Die Erinnerungslücken des Olaf Scholz
Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. „Es ist zu erwarten, dass die Verteidigung in diesem Fall gegen das Urteil Revision einlegen wird“, sagte eine Sprecherin des Landgerichts Bonn. Gegen den Verurteilten sei kein Haftbefehl erlassen worden.
Warburg zahlt Millionen an Finanzverwaltung Hamburg
Warburg hat bisher 155 Millionen Euro an Steuern an die Finanzverwaltung Hamburg für Cum-Ex-Geschäfte in den Jahren 2007 bis 2011 nachgezahlt und gleichzeitig die Steuerbescheide angefochten. Die Warburg-Gruppe habe nie die Absicht gehabt, zu Unrecht von Steueranrechnungen zu profitieren, sagte ein Sprecher der Bank. Sie wehrt sich dagegen, für die Steuerforderungen allein in Anspruch genommen zu werden, obwohl auch Dritte davon profitiert hätten, darunter die Deutsche Bank als Depotbank.
Gegen einen ehemaligen und zwei noch aktive Mitarbeiter der Warburg-Bank ist bereits im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften Anklage erhoben wurden. Die Hauptverhandlung hat noch nicht begonnen. Sie werden mit Sorge auf das jetzt gefällte Urteil blicken. Daneben gibt es nach Informationen des Abendblatts noch Ermittlungen gegen eine Handvoll ehemaliger und noch aktiver Warburg-Mitarbeiter. Bundesweit wird gegen rund 1000 Beschuldigte bei vielen Banken ermittelt. Bisher folgten die Urteile einer Linie: Wer gesteht, kommt milde davon, wer sich energisch verteidigt, muss mit härteren Strafen rechnen.