Hamburg. Es ist ein Milliardenprojekt, das Industrie, Logistik und Mobilität revolutionieren soll. Das Abendblatt erklärt alle Einzelvorhaben.
Es ist eines der größten, wenn nicht das größte industrielle Projekt, das Hamburg sich jemals vorgenommen hat: Fabriken und Produktionsanlagen mehrerer Branchen sollen miteinander vernetzt werden, um ihre Fertigung auf die Nutzung von grünem Wasserstoff umzustellen. „Grüner“ Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien hergestellt. Es ist ein Mammutprojekt, an dem zahlreiche große wie auch kleine Unternehmen beteiligt sind. Und es wird ein wesentlicher Baustein, um Hamburg klimaneutral zu machen.
Wasserstoff-Verbund Hamburg ist der schlichte Name des Projekts, das Teil einer großen Kampagne der Bundesregierung ist, mit der bei der Industrie massiv klimaschädliches Kohlendioxid eingespart werden soll, und mit der Deutschland bei der Wasserstofftechnologie weltweit die Nummer 1 werden will. Es geht um 62 Projekte bundesweit, die Wirtschafts- und Verkehrsministerium sowie die Länder gemeinsam mit acht Milliarden Euro fördern.
Hamburg ragt mit Wasserstoff-Projekten heraus
Hamburg ragt heraus. „Das Hamburger Projekt verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Wasserstoff soll vor Ort erzeugt werden und direkt zum Einsatz kommen“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Hierfür sei Hamburgs Hafen als Startpunkt von Logistikketten perfekt geeignet. „Schiffe, Züge, Schwerlastverkehr: Sie alle können perspektivisch mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betrieben werden. Eine gute Perspektive für Industrie, Wirtschaft und Umwelt in Hamburg, Deutschland und ganz Europa“ so Scheuer zum Abendblatt.
„Hamburg ist von allen Projekten zudem am weitesten“, sagt Arne Langner, Sprecher des Stahlherstellers Arcelor Mittal. „Die Stadt hat bereits ein bestehendes Leitungsnetz damit einen großen Standortvorteil.“ 520 Millionen Euro fließen aus dem Bundesprojekt in die Hansestadt. 1,6 Milliarden Euro werden in Hamburg insgesamt investiert. Das Abendblatt zeigt auf, wofür das Geld gedacht ist.
Elektrolyseur
Um grünen Wasserstoff einsetzen zu können, muss er erst einmal hergestellt werden. Der Senat will dazu einen Elektrolyseur in Moorburg am Standort des derzeitigen Kohlekraftwerks errichten. In diesem wird aus Windkraftanlagen gewonnener Strom dazu genutzt, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Zunächst soll diese Anlage eine Leistung von 100 Megawatt haben und bis 2025 errichtet werden. „Vielleicht schaffen wir es sogar etwas schneller“, sagt Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos).
Er hat den Wasserstoffverbund maßgeblich ins Leben gerufen und die unterschiedlichsten Industrieunternehmen für sein Projekt begeistert. An Herstellung und Betrieb des Elektrolyseurs sind Vattenfall, Shell, Mitsubishi und Wärme Hamburg beteiligt. Der städtische Fernwärmeversorger speist die Abwärme des Elektrolyseurs in sein Netz ein. Die Anlage ist so aufgebaut, dass sie jederzeit erweitert werden kann. „Denn wenn wir ehrlich sind, reichen die 100 Megawatt Leistung dazu, nur einen Bruchteil der Industrie mit Wasserstoff zu versorgen.“, sagt Westhagemann. „Wir benötigen das Zehnfache.“ Ziel sei es deshalb, bis 2030 die Leistung der Anlage zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen.
Airbus
Der Flugzeughersteller Airbus will grünen Wasserstoff für die Infrastruktur und Produktion nutzen. Zum einen arbeitet Airbus an einem neuen Verkehrsflugzeug ZEROe, das nur mit Wasserstoff angetrieben werden soll. Zum anderen verwendet Airbus Wasserstoff zur Forschung an synthetischen Kraftstoffen, die CO2 vermeiden. „Für Airbus ist Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie mit Blick auf die Luftfahrt der Zukunft“, sagt André Walter, Hamburgs Airbus-Chef.
HHLA
Auch der große Hamburger Hafenkonzern HHLA profitiert vom grünen Wasserstoff. Er forscht derzeit mit den Lkw-Herstellern Daimler und MAN am Einsatz von wasserstoffbetriebenen Lkw, um die Ladung aus dem Hafen abzutransportieren. Zudem ist die HHLA dabei, ihr Terminalequipment – also die Fahrzeuge und Kräne auf den Anlagen – auf CO2-neutrale Energieversorgung umzustellen. So fährt ein Teil der Transportfahrzeuge, die zwischen der Kaikante und den Containerlagern verkehren, bereits mit Ökostrom. Geforscht wird aber auch am Wasserstoffantrieb, Gleiches gilt für sogenannte Reachstacker – also Stapelfahrzeuge für Container.
HPA
Hamburgs Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), die sich um die Instandhaltung der Infrastruktur im Hafen kümmert, hat eine Flotte von Service- und Bauschiffen im Einsatz, die künftig mit grünem Wasserstoff versorgt werden sollen. Die HPA testet außerdem mit dem Eisenbahnunternehmen EVB den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Rangierloks von Alstom auf den Gleisen der Hafenbahn.
Arcelor Mittal
Großer Abnehmer wird das Hamburger Stahlwerk von Arcelor Mittal. Dieses nutzt den grünen Wasserstoff allerdings nicht etwa als Energieträger zum Betrieb eines Hochofens zur Erzeugung von Roheisen, sondern direkt zur Stahlerzeugung: Dazu wird mithilfe des Wasserstoffs dem Eisenerz der Sauerstoff entzogen. Dabei entsteht in einem Direktreduktionsverfahren Eisenschwamm, ein Vorprodukt, das danach zu Stahl verarbeitet wird. Der dem Eisenerz entzogene Sauerstoff verbindet sich mit dem Wasserstoff zu Wasser, das zur Kühlung eingesetzt werden kann.
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Etwa 15 Prozent des im Elektrolyseur in Moorburg entstehenden Wasserstoffs fließt direkt zu Arcelor Mittal – und zwar über die normale Gasleitung. Rund 100.000 Tonnen Eisenschwamm lassen sich damit herstellen – das ist ein Siebtel der gesamten Jahresproduktion. Dabei werden jährlich 46.000 Tonnen CO2 eingespart. „Diese Anlage zur Nutzung des Direktreduktionsverfahrens hat das Hamburger Stahlwerk allen anderen deutschen Standorten voraus“, sagt Unternehmenssprecher Arne Langner. „Diese müssen erst umgerüstet werden.“ Wirtschaftssenator Westhagemann ergänzt: „Hamburg wird der erste Standort deutschlandweit, der klimaneutral Stahl herstellen kann.“ Losgehen soll es 2025, sobald der Elektrolyseur arbeitet.
Hadag
Hamburgs Hafenfähren sollen ebenfalls grünen Wasserstoff tanken. Die 26 Schiffe umfassende Flotte der Hadag nutzt derzeit zwei halb elektrisch betriebene Schiffe. „In naher Zukunft planen wir den Umstieg auf Wasserstoffantrieb“, heißt es auf der Internetseite.
Greenplug
Greenplug ist ein Forschungsableger der Eckelmann Gruppe, die Dienstleistungen im Hafen ausführt. Unter anderem betreibt Eckelmann schwimmende Containertaxis, die die verschiedenen Containerlager und Umschlagterminals anfahren. Mit der Fördersumme entwickelt Greenplug ein Schubboot, das mit Wasserstoff betrieben wird und unmotorisierte Schuten mit Containern vor sich her schiebt. „Mit der Zusage der Förderung bauen wir jetzt einen Prototyp. Wenn alles gut geht, bauen wir weitere Schubboote, die mit Wasserstoff auf allen europäischen Wasserstraßen die Binnenschifffahrt revolutionieren werden“, sagt Robert Eckelmann.
Gasnetz Hamburg
Damit alle diese Unternehmen mit dem Wasserstoff aus Moorburg versorgt werden können, bedarf es eines Leitungsnetzes: Dieses stellt das städtische Gasnetz zur Verfügung, dem der Wasserstoff zunächst beigemischt wird, und bei dem er in Zukunft vollständig durch die Röhren fließt. Wirtschaftssenator Westhagemann denkt aber weiter: „In mehreren Ausbauschritten entwickeln wir Netzanschlüsse für Fernleitungen in Richtung Nordrhein-Westfalen, Niederlande und Dänemark. Wir wollen Wasserstoff auch exportieren.“