Hamburg. Corona trifft Airbus, Lufthansa Technik und den Flughafen hart. Nach Jahren des Wachstums dürften nun viele Stellen wegfallen.

Die erste Hiobsbotschaft kommt Anfang Februar aus Fernost. Wegen des Coronavirus muss Airbus die Produktion in seinem Werk in Tianjin auf Anweisung der chinesischen Behörden stoppen. Doch bereits nach wenigen Tagen dürfen in der Hafenstadt gut 100 Kilometer südöstlich von Peking wieder Flugzeuge gebaut werden. Alles scheint halb so schlimm – doch das täuscht.

Auf den asiatischen Prolog folgt kurz darauf das globale Drama. Covid-19 breitet sich rasant aus, Mitte März schließen immer mehr Länder ihre Grenzen. Der Flugverkehr wird mehr oder weniger lahmgelegt. Jahrelang war die Branche auf Wachstumskurs und ein Jobmotor für die Hansestadt, dem drittgrößten Luftfahrtstandort weltweit. Nun gibt es quasi eine Vollbremsung. Sie rutscht in ihre schwerste Krise – und die Hamburger Protagonisten sind mittendrin.

Airbus: Jeder siebte Job am Standort Finkenwerder scheint in Gefahr

Den Fluggesellschaften fehlen Einnahmen aus dem Verkauf von Flugtickets. Zudem müssen sie für ausgefallene Flüge zig Milliarden Euro an Passagiere zurückzahlen. Dadurch fehlt ihnen das Geld, um den Kaufpreis für neue Maschinen zu bezahlen. Bei Airbus auf Finkenwerder steigt die Zahl der geparkten fertigen Flugzeuge. Anfang April reagiert der Konzern. Die Produktion wird um ein Drittel gekürzt. Von der A320-Familie, deren Maschinen zu mehr als der Hälfte an der Elbe endmontiert werden, sollen künftig nur noch 40 Jets pro Monat gebaut werden.

Wochenlang wird über einen möglichen Jobabbau spekuliert. Ende Juni beziffert Airbus das Ausmaß. Insgesamt sollen im zivilen Flugzeugbau 15.000 Stellen gestrichen werden. In Deutschland sind es 5100, davon 2260 im Werk auf Finkenwerder. Damit ist am größten deutschen Standort jeder siebte Job gefährdet.

Weniger Beschäftigte auch in 2021

Die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und der Arbeitnehmerseite laufen bis heute. Weil die Bundesregierung in der Zwischenzeit das Kurzarbeitergeld um 24 Monate verlängerte und Förderprogramme auflegte, dürfte der Jobabbau um mehrere hundert Beschäftigte geringer ausfallen als ursprünglich angekündigt. „Es ist unser Wille, ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen“, sagt Airbus-Vorstand Michael Schöllhorn vor Kurzem dem Abendblatt. Versprechen könne er dies allerdings nicht.

Mit der Zulassung von Impfstoffen gegen Corona steigt zwar die Hoffnung auf eine Rückkehr der Reiselust und damit auf bessere Geschäfte in der Branche – sicher ist das aber nicht. Entsprechend lautet auch die Prognose von Airbus für 2021 bei der Zahl der Beschäftigten „weniger“. Die gleiche Antwort gibt es bei der Abendblatt-Umfrage von Lufthansa Technik, Diehl und dem Hamburger Flughafen. Der Unterschied: Der Flugzeugbauer stellt im laufenden Jahr noch 300 Beschäftigte ein und vergrößert die Belegschaft auf 15.000 Mitarbeiter. Die anderen Branchengrößen bauen bereits ab.

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Krisenpaket zwischen Ver.di und der Lufthansa-Gruppe

Wie schnell und heftig die Pandemie die Unternehmen trifft, zeigt das Beispiel Lufthansa Technik. Ende Januar will Vorstandschef Johannes Bußmann im Jahr 2020 noch 800 Personen neu einstellen, zwei Drittel davon am Unternehmenssitz in Fuhlsbüttel. In Discos und bei McDonald‘s sucht der weltweit größte Wartungs-, Reparatur- und Überholungsspezialist für Flugzeuge junge Menschen für eine Ausbildung. Doch wenn die Maschinen nicht fliegen, sinkt der Bedarf an technischen Dienstleistungen auf ein Minimum. Die Aufträge brechen weg.

Plötzlich gibt es in Deutschland 2500 Stellen zu viel. Anfang des Sommers kündigt die Lufthansa-Tochter 300 Beschäftigten, die sich noch in der Probezeit befinden und daher keinen gesetzlichen Kündigungsschutz genießen – darunter befinden sich naturgemäß viele junge Menschen. Nach vielen Monaten Verhandlungen steht im November ein Krisenpaket zwischen Ver.di und der Lufthansa-Gruppe. 200 Millionen Euro sollen die 35.000 Bodenbeschäftigten des Konzerns – inklusive der Techniktochter – einsparen, in dem zum Beispiel Weihnachts- und Urlaubsgeld gestrichen werden. Im Gegenzug gibt es bis März 2022 einen Kündigungsschutz.

2020 weniger als fünf Millionen Passagiere am Flughafen

Mitten in der Krise gibt es am Luftfahrtstandort Hamburg aber auch einzelne Highlights. So übergab Lufthansa Technik im August der Bundesregierung ein neues „fliegendes Kanzleramt“. Erstmals ist ein A350 für die politische Spitze eines Landes umgerüstet worden. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) holt den Jet ab.

Insgesamt starten und landen am Flughafen in Fuhlsbüttel aber deutlich weniger Flieger. Die Passagierzahl sinkt von gut 17 Millionen im Vorjahr auf voraussichtlich weniger als fünf Millionen – ein Niveau wie vor 35 Jahren. Durch den Wegfall zum Beispiel der Entgelte für Start und Landung bricht der Umsatz ein. Statt des gewohnten Gewinns für die Stadt als Anteilseigner wird es einen hohen Verlust geben. Airport-Chef Michael Eggenschwiler rechnet mit 130 Millionen Euro Minus. Etwa 200 Stellen sollen bis 2023 wegfallen, möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen.

Bei Airbus kehrt vorsichtig der Optimismus zurück

Beim Zulieferer Diehl Aviation schließt man diese nicht aus. Mehr als 400 der 860 Arbeitsplätze auf Finkenwerder stehen auf der Streichliste. Man müsse „davon ausgehen, dass die Branche erst in mehreren Jahren wieder ein Niveau wie vor der Pandemie erreichen kann“, sagt Firmenchef Rainer von Borstel. Der Hersteller von Bordküchen und -toiletten ist stark von der Langstrecke abhängig, weil in diese Großraummaschinen mehr Bordküchen und WC-Einheiten eingebaut werden als in Mittelstreckenjets. Aber der Markt für die langen Nonstop-Flüge soll sich noch später erholen.

Bei Airbus kehrt hingegen vorsichtig der Optimismus zurück. „Wir erwarten eine erste leichte Erholung Mitte nächsten Jahres“, sagt Schöllhorn. Mit Zulieferern werde über eine Anhebung der Rate auf 47 Maschinen der A320-Familie pro Monat geredet. Im zweiten Halbjahr könnte es soweit sein. Als Hoffnungsträger verkauft der Konzern vor allem den A321XLR.

Der XLR wird ausschließlich auf Finkenwerder gefertigt

Mit einem großen Zusatztank im Frachtraum soll das bisherige Mittelstreckenflugzeug für die Langstrecke fit gemacht werden. In dem kriselnden Segment könnte sich der Einsatz der kleineren Maschine schon bei den geringeren Passagierzahlen lohnen. Der XLR wird ausschließlich auf Finkenwerder gefertigt. Das sichert zunächst Beschäftigung in der Hansestadt.

Und nach der Krise wolle man an der Elbe wieder durchstarten, so Schöllhorn. „Dann werden wir auch wieder Beschäftigung aufbauen.“

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