Hamburg. Gemeinden wie Timmendorfer Strand und Scharbeutz wollen Wohnraum für Einheimische schaffen. Wie das den Markt verändert.

Ein langer Spaziergang am Meer, ein Fischbrötchen auf die Hand und dann gemeinsam mit den lauernden Möwen noch etwas die Abendstimmung an der Seebrücke genießen. Urlaub vor der Haustür, eine Autostunde von zu Hause entfernt, das wünschen sich immer mehr Hamburger.

Badeorte wie Timmendorfer Strand spüren seit Längerem, dass die Nachfrage nach Ferienimmobilien steigt. Der Ansturm auf die Wohnungen wird durch die Corona-Pandemie noch beflügelt, denn Flugreisen fallen wegen des Virus weitgehend aus. Doch nun steuern immer mehr Urlaubsorte an der Ostsee um: Sie begrenzen den Zuzug von Gästen.

In einigen Gebieten: Ferienwohnungen ausgeschlossen

In einigen Gebieten der Gemeinde werden „Ferienwohnungen ausgeschlossen“, sagte Martin Scheel von der Verwaltung in Timmendorfer Strand auf Abendblatt-Anfrage. Auf diese Weise solle Wohnraum für Einheimische geschaffen werden. Betroffen sind Areale in verschiedenen Wohnlagen, in Richtung Scharbeutz, in Niendorf und auch in größerer Entfernung zum Meer, in Klein Timmendorf.

Die neuen Regelungen tragen auch dazu bei, dass Immobilieninteressenten durch Bürokratie ausgebremst werden: „Für aktuelle Bauvorhaben in Bestlagen am Timmendorfer Strand können die Baugenehmigungen einige Jahre dauern“, sagte Jens Hillbrunner, Geschäftsführer des Maklers Engel & Völkers in dem Badeort.

Gemeinden an der Lübecker Bucht bevorzugen feste Anwohner

Auch andere Gemeinden an der Lübecker Bucht bevorzugen neuerdings feste Anwohner, wenn es um Neubauten geht. So will auch Scharbeutz künftig „nur in ausgewiesenen Gebieten den Bau von Ferienimmobilien erlauben“, ergänzt Hillbrunner. Diese Tendenz gebe es praktisch an der gesamten Ostseeküste, wenn auch in unterschiedlichem Maße, fasst Patrick Schröder vom Makler Dahler & Company in Timmendorfer Strand zusammen.

Die Kursänderung in Sachen Ferienwohnungen hängt mit den Bedürfnissen der Menschen vor Ort zusammen. „Die Bäder agieren zum Schutz der Einheimischen“, sagt Annegret Möllerherm, Inhaberin einer großen Maklerfirma in Scharbeutz. So hätten viele ihrer Nachbarn Probleme damit, wenn Feriengäste bis tief in die Nacht draußen sitzen und grillen, während sie selbst morgens um sechs Uhr zur Arbeit aufbrechen müssten. Andere störten sich daran, auf Appartementhäuser zu schauen, in denen den ganzen Winter über die Rollläden geschlossen sind, weil die Eigentümer ihre Wohnungen nur wenige Wochen im Sommer nutzen. „Mit den Regeln sollen Geisterstädte verhindert werden“, sagt Möllerherm.

Makler müssen recherchieren, wie Objekt genutzt werden darf

Die geänderten Bebauungspläne bereiten den Maklern viel Arbeit: Die Frage der Käufer, ob sie eine Wohnung an Touristen vermieten dürften, sei heute nicht mehr so einfach zu beantworten. Daher müssten die Makler wegen der Vorgaben der Gemeinden zunächst recherchieren, ob ein Objekt als Ferienwohnung, Zweitwohnsitz oder zum dauerhaften Wohnen genutzt werden darf. Nur die Eigentümer von bestehenden Wohnungen sind von den neuen Regelungen nicht betroffen, sie können die Immobilie wie bisher nutzen, denn es gilt Bestandsschutz.

Für neue Investoren geben die Bebauungspläne heute genau vor, welche Nutzung in dem jeweiligen Gebiet vorgesehen ist, und oft heißt es nun, die „Nutzung von Räumen für Ferienwohnungen“ sei unzulässig. Andere Einschränkungen betreffen die Verwendung als Nebenwohnung. Hier sind also Zweitwohnungen ausgeschlossen – und Immobilieninteressenten, die das Objekt nicht vermieten, sondern selber als Ferienwohnung nutzen wollen, dürfen hier nicht investieren. „Früher gab es dabei nicht so starke Unterschiede“, weiß Annegret Möllerherm aus ihrer langjährigen Erfahrung.

Kellner und Köche können sich das Wohnen nicht mehr leisten

In der Vergangenheit, und dies trägt zu den neuen Bestimmungen bei, waren die Immobilien an der Küste auch noch nicht so teuer wie heute. Der Bedarf der Einheimischen an Wohnraum wird, ähnlich wie seit Längerem auf Sylt, allmählich zum Luxus, den sich viele nicht mehr leisten können. Während vor zehn Jahren in Timmendorf auch schon mal eine Wohnung für 40.000 Euro auf den Immobilienportalen auftauchte, sind solche Schnäppchen heute nicht mehr zu finden. Selbst in weniger guten Lagen kostet eine 50 Quadratmeter große (oder kleine) Neubauwohnung inzwischen 200.000 Euro.

Das führt auch dazu, dass die von Hotels und Restaurants dringend benötigten Kellner oder Köche sich das Wohnen vor Ort nicht mehr leisten können. Wenn Corona bald wieder Gäste in den Restaurants erlaubt, werden diese auf der Suche nach Saisonkräften auch die Frage der Bewerber nach günstigen Appartements beantworten müssen. In einigen Küstenorten, etwa in Neustadt/Holstein, sind deshalb auch schon Wohnblöcke eigens für Hotelangestellte errichtet worden, um dem Fachkräftemangel in der Branche etwas entgegensetzen zu können.

Begehrlichkeiten treiben Preise für Immobilien am Meer in die Höhe

Dabei treiben die Begehrlichkeiten die Preise für Ferienobjekte weiter in die Höhe: Corona trägt dazu bei, dass die Arbeit von daheim zum Alltag wird. Und viele Angestellte überlegen, ob ein Zuhause am Meer dann nicht attraktiver ist als die Stadtwohnung in der Nähe der Firma. Andere wollen klimaverträglich leben und verzichten auf Flugreisen, was Ferien im eigenen Land begünstigt. „Außerdem klagen die Menschen über Negativzinsen für ihr Erspartes“, sagt Möllerherm. Auch für Kapitalanlagen suchten die Interessenten daher immer häufiger Wohnungen oder Häuser mit Urlaubscharme.

Auf der anderen Seite vergrößere sich das Angebot durch die Pandemie nicht. „Wir haben keine der befürchteten Zwangsverkäufe, weil die Eigentümer durch die Krise in Notlagen geraten sind“, sagt Möllerherm. Auch vor den Besichtigungen schreckten die potenziellen Verkäufer zurück. „Sie wollen in der Pandemie keine fremden Leute im Haus“, berichtet die Maklerin aus ihrer Branche.

Preise dürften in den nächsten Jahren moderater steigen

In den vergangenen zwei Jahren, also schon vor Beginn der Pandemie, seien die Preise für Immobilien besonders rasant gestiegen. So hätten sich die Bodenrichtwerte etwa in Scharbeutz teilweise vervielfacht, weiß Möllerherm. Einen ähnlichen Aufwärtstrend habe es in Timmendorf gegeben. „Die Nachfrage nach allen drei Nutzungsarten, also Ferienvermietung, Zweitwohnsitz und Dauerwohnsitz, ist bereits jetzt viel höher als das vorhandene Angebot“, sagt Patrick Schröder.

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Auch wegen der neuen Baustrategie vieler Gemeinden rechnen die Marktkenner nun mit einem weiteren Preisanstieg. „Das Angebot wird dadurch knapper, und die Nachfrage ist weiterhin sehr hoch“, sagt Andreas Kunze, Gründer von Concept Immobilien mit Sitz in Scharbeutz. Auch Patrick Schröder spricht von einer „künstlichen Verknappung der vermietbaren Bestandsimmobilien“, welche die Preise treibt.

Die Preisentwicklung zeigt ein steigendes Niveau, bestätigt auch Jens Hillbrunner von Engel & Völkers in Timmendorfer Strand. „Wir erwarten einen stetigen Anstieg der Preise, jedoch nicht mehr in der drastischen Höhe wie in den vergangenen drei Jahren und speziell in den vergangenen acht Monaten“, ergänzt Thorsten Claus, Leiter der Geschäftsstelle von Poll Immobilien in Lübeck und Bad Schwartau, die das Gebiet an der Küste abdeckt. Hohe Preise, die vor allem für Einheimische zu einem immer größeren Problem werden.