Hamburg. Pkw sorgen für den Großteil des CO2-Ausstoßes – auch weil der Verbrauch nicht sinkt. Fünf Wahrheiten über den Straßenverkehr.
Nicht erst seit dem ITS-Kongress zum „intelligenten“ Verkehr der Zukunft vor einigen Wochen in der Hansestadt ist das Wort „Mobilitätswende“ ein recht gängiger Begriff – er findet sich sogar im Namen einer Hamburger Behörde. Dass es zu einer solchen Wende kommen muss, belegen nicht nur die vielen Staus, sondern auch die Daten zu den Klimaauswirkungen des Verkehrssektors. Denn nicht zuletzt Pkw und Lkw sind für die zuletzt wieder zunehmenden CO2-Emissionen des Verkehrs in Hamburg verantwortlich.
Doch gibt es überhaupt Ansätze für einen klimafreundlicheren Straßenverkehr? Welche Rolle können das Fahrrad und der Wasserstoff-Pkw dabei spielen – und löst nicht schon der technische Fortschritt das Problem? Hier die fünf Wahrheiten des Abendblatts über den Straßenverkehr.
Verkehr: In Hamburg wird das Fahrrad beliebter
Über die zurückliegenden 46 Jahre gesehen sind die Hamburger eine immer längere Zeit des Tages unterwegs (siehe Grafik). Der mit dem Privat-Pkw zurückgelegte Anteil an den Wegen hat zuletzt abgenommen, stattdessen gewinnt das Fahrrad stetig an Bedeutung. „Der aktuelle Ausbaustand der Radwege in Hamburg und die Steigerung des Radverkehrs von 2019 auf 2020 um 33 Prozent zeigen, dass wir auf einem guten Weg in Richtung Fahrradstadt sind“, sagt Anjes Tjarks (Grüne), Senator für Verkehr und Mobilitätswende.
Zwar räumt er einen Nachholbedarf im Vergleich zu anderen europäischen Städten wie Amsterdam oder Kopenhagen in dieser Hinsicht ein. Sogenannte „Protected Bike Lanes“ mit etwa 2,50 Meter breiten, vom Kfz-Verkehr abgetrennten Radwegen wie an der Hannoverschen Straße in Harburg oder an der Esplanade spielten aber künftig eine stärkere Rolle in den Planungen, um weitere Anreize für den Umstieg auf das Fahrrad zu geben.
Auto bleibt einer der größten Klimakiller
Der Verkehrssektor macht rund 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen Hamburgs aus – und anders als die Energiewirtschaft und die Industrie hat er seinen Ausstoß des klimaschädlichen Gases seit Beginn des aktuellen Jahrtausends nicht verringert, sondern im zurückliegenden Jahrzehnt sogar wieder stetig gesteigert. Drei Viertel dieser Emissionen verursacht der Straßenverkehr, wobei nach EU-Daten wiederum mehr als 60 Prozent seines CO2-Ausstoßes auf das Konto der Pkw gehen.
Weil in der Hansestadt die durchschnittliche Anzahl der von den Einwohnern zurückgelegten Wege seit mehr als 40 Jahren immer weiter zugenommen hat, ist insgesamt auch der Autoverkehr gewachsen. Doch der Senat strebt an, im Rahmen der Mobilitätswende den Wegeanteil des Verkehrs in Bussen und Bahnen sowie auf dem Fahrrad und zu Fuß von derzeit 64 Prozent auf 80 Prozent im Jahr 2030 zu steigern – „zum Schutz des Klimas und damit unsere Stadt noch lebenswerter wird“, wie Tjarks sagt.
Verkehr: Technischer Fortschritt bringt bisher keine Entlastung
Zwar ist der Durchschnittsverbrauch der in Europa neu zugelassenen Pkw zwischen 2000 und 2016 stetig gesunken. Dann hat er aber – wegen des Dieselskandals mit der nachfolgenden Abnahme der sparsameren Dieselmotoren und wegen des SUV-Booms – bis 2019 erst einmal wieder von Jahr zu Jahr zugenommen. Im Fahrzeugbestand in Deutschland ist der durchschnittliche Verbrauch im zurückliegenden Jahrzehnt nahezu konstant geblieben. Er betrug zuletzt 7,8 Liter bei Autos mit Benzinmotor und 7,0 Liter bei Dieselfahrzeugen.
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Ohnehin bringt technischer Fortschritt bisher keine Entlastung für das Klima: „Auf der Straße gehen alle Effizienzgewinne verloren, weil mehr und größere Autos auf immer längeren Strecken unterwegs sind“, sagt dazu Martin Schlegel, Referent für Verkehrspolitik bei der Umweltschutzorganisation BUND. Zwar gab es im Jahr 2020 eine spürbare Abnahme des durchschnittlichen CO-Ausstoßes der in Europa neu zugelassenen Pkw um zwölf Prozent auf 107,8 Gramm pro Kilometer, weil sich der Anteil der Elektroautos an den Neuwagen in dem Jahr auf elf Prozent verdreifacht hat. Doch es wird noch längere Zeit dauern, bis sich das auch im Bestand deutlich bemerkbar macht.
Aktuell haben reine Elektro-Pkw in Hamburg einen Anteil von gerade einmal 1,4 Prozent am Autobestand – und damit liegt die Hansestadt schon an der Spitze aller Bundesländer.
Das eigene Auto bleibt Hamburgern wichtig
Trotz aller Studien und Berichte über den Wandel hin zu einer „Sharing-Kultur“ nimmt die Zahl der Autos in Hamburg weiter stetig zu. So hat sich der Pkw-Bestand in der Hansestadt seit 2008 um mehr als 15 Prozent oder rund 110.000 Fahrzeuge auf fast 823.000 Autos erhöht – deutlich stärker als die Zahl der Einwohner in diesem Zeitraum (plus vier Prozent).
Tatsächlich kommen in Hamburg und München je 35 Privat-Pkw auf 100 Einwohner, mehr als in Frankfurt (32) und in Berlin (29). In keiner der zehn größten deutschen Städte ist die Pkw-Dichte jedoch höher als in Dortmund – dort sind es nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes sogar 46 Privat-Pkw auf 100 Einwohner.
Wasserstoff-Autor ist nicht die Lösung des Klima-Problems
Der von der Politik favorisierte batterieelektrische Antrieb hat viele Kritiker. Sie weisen etwa auf die Knappheit der Rohstoffe hin, die dafür erforderlich sind. Auch nach Erkenntnissen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) reichen etwa die bekannten Kobaltreserven beim heute absehbaren Bedarf nur noch elf Jahre. Allerdings werden bereits in manche E-Autos Akkus mit der Lithium-Eisenphosphat-Technologie (LFP) eingebaut, die ohne die seltenen Elemente Kobalt, Nickel und Mangan auskommt. Unabhängig davon hat das Konzept des Wasserstoff-Fahrzeugs aber unter Ingenieuren viele Anhänger – und Hamburg setzt generell auf die Wasserstoff-Wirtschaft.
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Als Antrieb für Pkw bietet sich dieser Energieträger aber nicht wirklich an. Weil erst einmal unter hohem Energieaufwand Wasserstoff erzeugt werden muss, bleiben beim Brennstoffzellen-Pkw am Ende gerade noch etwa 15 bis 25 Prozent der insgesamt aufgewendeten Energie für den Antrieb übrig. Zum Vergleich: Studien zufolge kommen bei einem E-Auto mit Batterie knapp 70 Prozent der eingesetzten Energie tatsächlich auf der Straße an. Für jeden Kilometer, den ein Wasserstoff-Pkw fährt, muss also ungefähr das Dreifache des Wind- und Solarstroms verwendet werden, den ein batterieelektrisch angetriebenes Auto benötigt.
Gleichwohl wird Wasserstoff auch für den Verkehrssektor künftig eine wichtige Rolle spielen: überall dort, wo Batterien wegen der hohen erforderlichen Reichweiten zu schwer wären, etwa bei Lastwagen, Schiffen und Flugzeugen. Daimler etwa will im Jahr 2027 einen Wasserstoff-Lkw auf den Markt bringen – der erste batterieelektrische Serien-Lkw des Herstellers lief aber schon im Oktober vom Band.