Hamburg. Die Nacht gibt es ab 170 Euro. Schlafwürfel des Höhle-der Löwen-Teilnehmers steht jetzt im Einkaufszentrum.
Man fühlt sich ein wenig an ein Ufo erinnert, als der weiße Würfel plötzlich mitten in der Europa Passage auftaucht. Aber der Gegenstand, der in der ersten Etage des Shoppingcenters gelandet ist, ist nicht etwa ein unbekanntes Flugobjekt, sondern ein mobiler Schlafkubus des Hamburger Start-ups Sleeperoo, und ziemlich ungewöhnlich. „Für viele Menschen ist es ein Kindheitstraum, eine Nacht in einem Einkaufszentrum zu verbringen“, sagt Sleeperoo-Geschäftsführerin Karen Löhnert. Die Gründerin ist immer auf der Suche nach besonderen Orten für ihre Pop-up-Nächte. Jetzt ist ihr ein besonderer Coup gelungen. Die Europa Passage ist deutschlandweit das erste Einkaufszentrum, in dem man übernachten kann.
Sleeperoo gibt es seit 2018. Dahinter steht die Idee eines Zimmers auf Rädern mit Panoramafenstern und Platz für ein Doppelbett. Nicht Zelt, nicht Hütte. Das Besondere: Der stylische Cube mit den runden Ecken und Rädern lässt sich quasi überall aufstellen, auch an Orten, an denen man normalerweise nicht schläft. „Erlebnisübernachtungen“, nennt Löhnert das Konzept, das ankommt. Im Herbst 2018 hatte die 58-Jährige bei der Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ mit ihrer Erfindung einen Deal über 250.000 Euro mit Familienunternehmerin Dagmar Wöhrl an Land gezogen.
Bis zum 14. April soll der Sleeperoo-Würfel in der Europa Passage stehen
Ein Jahr später trennten sich die Partner allerdings schon wieder. „Einvernehmlich“, wie Löhnert betont. Stattdessen ist eine Beteiligungsgesellschaft als Investor eingestiegen. Die Zahl der innovativen Sleeperoo-Würfel, die auch wetterfest sind, ist inzwischen auf 51 gestiegen. Sie stehen unter anderem auf einer Husky-Farm in Holstein, in einem Museumsdorf in der Lüneburger Heide oder auf einer mittelalterlichen Burg mit Blick auf die Nahe. „Die Gäste möchten etwas Besonderes erleben, emotional berührt werden“, sagt die erfahrene Tourismusmanagerin über ihre Geschäftsidee.
Bis zum 14. April soll der Sleeperoo-Würfel in der Europa Passage stehen. Die Idee dahinter: Schlafen, wo andere einkaufen. „Als ich das Angebot bekam, konnte ich mir das vorstellen“, sagt Center-Manager Jörg Harengerd, der sich gleich zum Testschlafen angemeldet hatte. Für die Fotografen macht es sich der 49-Jährige nochmals gemütlich auf dem Doppelbett mit Sojaölkernmatratze und schiebt sich das Kopfkissen in den Nacken. „Man schläft sehr gut“, sagt er. Es gibt Schubladen und einen Schrank für die persönlichen Sachen. Die Fenster geben den Blick frei auf die imposante Bogenkonstruktionen des 25 Meter hohen Atriums. Nachts sorgt ein Sichtschutz dafür, dass man drinnen ganz für sich ist.
„Es war auch ein Abenteuer“
„Es war auch ein Abenteuer“, sagt Harengerd über die erste Nacht in seinem Einkaufszentrum. Um 23 Uhr wird die Europa Passage komplett geschlossen. Geschäfte und Restaurants sind dann schon lange zu. „Ich war ganz allein.“ Zeit für einen Bummel durch die leeren Gänge, vorbei an den Schaufenstern von 120 Läden auf fünf Etagen. „Ich habe natürlich auch Kleinigkeiten entdeckt, die repariert werden müssen“, sagt der Center-Manger und lacht. Danach hat er eine Flasche Biorotwein aus der sogenannten Chillbox geöffnet, die zum Übernachtungsangebot gehört – und die Stille genossen. Zum Duschen und Zähneputzen steht selbstverständlich ein separates Bad im Einkaufszentrum bereit. „Besonders schön war es morgens. Ich wollte immer schon mal erleben, wie das Einkaufszentrum ab 6 Uhr langsam erwacht.“
Tschentscher: Wir müssen zweiten Lockdown verhindern
Für Sleeperoo-Chefin Karen Löhnert ist der neue Übernachtungsort eine wichtige Erweiterung für das Indoor-Angebot im Herbst und Winter. „Wir hatten in diesem Jahr erhebliche Einbußen durch die Corona-Beschränkungen“, sagt sie. Buchungen bis Ende Mai mussten storniert werden, einen Teil ihrer zehn Mitarbeiter schickte sie in Kurzarbeit. Das war besonders bitter, weil Löhnert massiv in die Produktion neuer Schlafwürfel investiert hatte. Eine Million Euro Umsatz hatte sie für 2020 geplant. „Wir werden auf etwa 500.000 Euro kommen“, sagt sie. Das ist gerade mal die Hälfte.
Lesen Sie auch:
- Die Mönckebergstraße wird zum Problemfall
- Karstadt-Aus stürzt Hamburgs City tiefer in die Krise
- Nachts allein auf dem Bunker – mit der Stadt zu Füßen
- Alsterhaus setzt auf Gastro – Café und Restaurants kommen
Inzwischen haben sich die Nachfragen auf der Online-Plattform wieder stabilisiert. „Eigentlich“, sagt Löhnert, die zurzeit mit einem zweiten Investor verhandelt und auf weitere Corona-Unterstützung hofft, „sind die Schlafcubes in Corona-Zeiten optimal, weil sich Abstands- und Hygieneregeln gut erfüllen lassen.“ Parallel hat die Tourismusmanagerin das Geschäftsmodell erweitert und bietet für ihre Schlafwürfel jetzt zusätzlich ein Franchise-Konzept. Erste Verträge seien bereits geschlossen, unter anderem mit einem Geschäftspartner in Irland. Aus Belgien, Luxemburg und Russland gebe es Anfragen. Auch von der Gastronomie gibt es Interesse, die Würfel einzusetzen: als coronakonforme Location mit einem Tisch und Stühlen statt großem Bett. „Ich kann mir das gut vorstellen und würde es gerne ausprobieren“, sagt Löhnert.
Jetzt sind erst mal die Buchungen für die Europa Passage freigeschaltet. Zu Preisen ab 170 Euro für zwei Personen kann man vom kommenden Freitag an eine Nacht im Einkaufstempel verbringen. Einchecken ab nachmittags möglich – dann sind die Läden ja noch geöffnet.