Mühlenrade. Die Bio-Marke setzt auf offene Kommunikation – und baut auf das Verständnis ihrer Kunden für die deutliche Preiserhöhung.

Es gehört schon einiger Mut dazu, wenn ein Lebensmittelproduzent auf seinen Verpackungen Kunden unverblümt davon in Kenntnis setzt, dass sie künftig mehr zahlen sollen. Die Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof hat es jüngst getan, offen und transparent. „Es ist riskant. Wir wagen es trotzdem: Wir erhöhen unseren Milchpreis um 20 Cent“, ist auf der Frontseite der Milchtüten zu lesen. Und auf einer der Randflächen der Ein-Liter-Quader liefert das Erzeugerkollektiv die ausführliche Begründung gleich mit.

„Jede Form von Landwirtschaft hat Auswirkungen auf das ökologische System, in dem wir gemeinsam leben“, heißt es dort. So liege es auch in der gemeinsamen Verantwortung, den „landwirtschaftlichen Fußabdruck mit Bedacht“ zu setzen. Durch neue Qualitätsstandards, die in den vergangenen drei Jahren erarbeitet worden seien. Durch artgerechte Tierhaltung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Durch zukunftsfähige Arbeitsbedingungen für die Bauernfamilien.

Mehr Weidetierhaltung und kuhgebundene Kälberaufzucht

„Es nützt nichts, von der Agrarwende immer nur zu reden. Soll sie ein Erfolg werden, bedarf es konkreter Schritte, die Zeit und Geld kosten“, sagt Janosch Raymann, Geschäftsführer der Hamfelder Hof Meierei in Mühlenrade im Herzogtum Lauenburg. Vorgesehen seien etwa die Umsetzung besserer Stallkonzepte, mehr Weidetierhaltung, eine Kälberaufzucht bei Mutter oder Amme, die extensivere Nutzung von Weiden und Wiesen, unter anderem als Blühstreifen für mehr Artenvielfalt.

Janosch Raymann, Geschäftsführer Hamfelder Hof.
Janosch Raymann, Geschäftsführer Hamfelder Hof. © Hamfelder Hof | Hamfelder Hof

„Es war uns wichtig, unsere Kunden bei diesem Vorhaben von Beginn an mitzunehmen“, sagt Raymann. Es sei allen bewusst, dass man durch die Preiserhöhung auch Kunden verlieren könne. „Doch wir glauben fest an unsere Vision einer Landwirtschaft, die zu einer lebenswerten Zukunft beiträgt. Weil die neuen Qualitätsstandards noch über die ohnehin hohen Bioland-Richtlinien hinausgehen“, so Raymann.

Bauern bekamen bislang nur 50 Cent pro Liter

Damit die Höfe diese Ziele in den kommenden zehn Jahren erreichen können, müssen sie viel investieren. In den Bau neuer Ställe. In befestigte Winterausläufe. In mehr Personal und Naturschutzmaßnahmen. Andererseits bedeutet die kuhgebundene Kälberaufzucht, dass die erzeugte Milchmenge, die die Höfe liefern, sinken wird.

„Damit die Betriebe das stemmen können, ist die Milchpreiserhöhung um 20 Cent pro Liter unerlässlich“, erklärt Raymann. Der Mehrerlös fließe direkt an die Höfe der Milchproduzenten. Liegt der durchschnittliche Auszahlungspreis für Bio-Milch bisher bei gerade 50 Cent pro Liter, so erhöht er sich für die 36 Höfe der Bauerngemeinschaft durch den Aufschlag künftig auf rund 70 Cent pro Liter. Der Rest entfällt auf Transport, Aufbereitung, Auslieferung, Handelsmargen und die Mehrwertsteuer.

Handelspartner unterstützen das Konzept

Janosch Raymann verhehlt nicht, dass es nach dem Vorstoß für die Qualitätsoffensive auch Diskussionen und Skepsis unter den Landwirten gegeben habe. „Natürlich gab es Sorgen und Bedenken hinsichtlich der Umsetzung und ob die Kunden unser Vorhaben tatsächlich mittragen werden“, gesteht Raymann. Zumal es seit Jahrzehnten einen harten Kampf mit dem Handel um den Milchpreis gibt. Doch erfreulicherweise unterstützten alle Vertriebspartner des Naturkostfachhandels und der großen Ketten des Lebensmitteleinzelhandels das Konzept.

„Weil sich die Betriebe weiterentwickeln wollen und in den aufwendigen Abstimmungsprozess aktiv einbringen konnten, ist eine regelrechte Aufbruchsstimmung entstanden“, sagt Janosch Raymann. Jeder Betrieb hat inzwischen klar festgelegte Zwischenziele fixiert, deren Fortschritte mehrmals jährlich kontrolliert werden sollen.

Weidehaltung ist gut für die Tiere und die Milch

„Für die kuhgebundene Haltung möchte ich einen neuen Stall bauen, damit die Kälber immer dabei sein können, mit viel Platz für Tränken und Kuhbürsten, die sich flexibel verstellen“, berichtet etwa Jan Lieske vom Biohof Lieske in Hadenfeld. Mehr Weidehaltung strebe der 33-Jährige nicht nur an, weil Kühe nun mal lieber auf der Weide als im Stall seien, sondern sie sich zudem positiv auf deren Gesundheit auswirke, zum Beispiel für Klauen, Sehnen und Muskeln. „Das ist gut für die Tiere und die Qualität der Milch“, weiß auch Hauke Schnars (29), Landwirt aus Loxstedt-Schwegen.

Johannes Tams aus Ausacker will künftig mindestens zehn Prozent seiner Flächen für Schutzmaßnahmen zur Verfügung stellen. „Mit Knicks und Blühstreifen wollen wir einen wichtigen Beitrag für mehr Artenvielfalt leisten und mit diesen Schutzflächen verschiedene Biotope miteinander vernetzen“, erklärt der 58-Jährige.

Bislang keine gravierenden Umsatzeinbußen

Die Auszubildende Marie Neuhaus wünscht sich eine Landwirtschaft, in der Mensch, Natur und Umwelt im Einklang sind. „Und dass die Verbraucher verstehen, dass wir alle im selben Boot sitzen – und deshalb diese Dinge gemeinsam angehen müssen“, so die 26-Jährige.

Janosch Raymann sagt: „Trotz der Herbstferien sind die Umsätze bislang weitgehend stabil geblieben. Eine Absatzdelle ist aber trotzdem nicht ausgeschlossen.“ Was ihn aber optimistisch stimme, seien die vielen positiven Rückmeldungen von langjährigen Kunden. „Sie haben Verständnis geäußert und uns Mut für unseren Aufbruch gemacht“, berichtet der Geschäftsführer. Deshalb hoffe er, dass auch andere Molkereien dem Beispiel der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof folgen werden.

Info: 36 Höfe unter einem Dach

Die Bio-Marke geht auf den Hamfelder Hof von Heinz Elfenkämper-Raymann und Angelika Raymann zurück, der seit 1986 ökologisch nach den Bioland-Richtlinien bewirtschaftet wird.

2013 erfolgte die Gründung der Bauerngemeinschaft, die 2015 ihre eigene Meierei in Mühlenrade eröffnete. Seit 2017 gibt es zudem einen Höfeladen. Der Verbund zählt insgesamt 54 Mitarbeiter.

Aktuell umfasst die Gemeinschaft 36 Mitgliedshöfe in Schleswig-Holstein, im nördlichen Niedersachsen und im westlichen Mecklenburg-Vorpommern.

Pro Jahr gibt eine Kuh des Verbunds im Schnitt etwa 6500 Liter Milch. Die verarbeitete Milchmenge wird sich Ende 2021 auf rund 19 Millionen Liter belaufen. Neben Frischmilch und länger haltbarer Milch werden Naturjog­hurt und Sauerrahmbutter hergestellt.