Hamburg. Hamburger Start-up will mit besonderer Geschäftsidee der Umwelt helfen. Inspiriert wurde der Gründer vom Wasserprojekt Viva con Agua.

Ein Kondom kaufen und damit einen Baum pflanzen. Das ist die Geschäftsidee von Bennet Müllem (34), Gründer des Start-up Releaf. Im Corona-Jahr hat er die ersten verschweißten Tütchen verkauft. „Ein Bums, ein Baum“ steht auf der Rückseite. Es ist ein Versprechen an die Kunden. „Weil wir den Planeten Schritt für Schritt zugrunde gerichtet haben. Genauso sieht der Weg zurück nun eben aus“, sagt er.

Auf die Idee ist er in den Flitterwochen gekommen: Im Juli 2019 reisten Müllem und seine Frau nach Montenegro. Auf dem Weg zum Flughafen trank er Wasser aus einer Flasche von Viva con Agua, einer gemeinnützigen Organisation aus Hamburg, die weltweit Wasserprojekte unterstützt. „Ich dachte, wie cool, dass ich durch einen kleinen Aufpreis etwas Gutes bewirken kann. Dann kam mir die Idee: Ich mache ein Produkt, das Bäume pflanzt.“

120.000 Kondome gekauft – 125.000 Bäume gepflanzt

Aber welches? Diese Frage begleitete ihn. In Montenegro ging er in einen Supermarkt, wollte Kondome kaufen. „Beim Kaufen kam mir der Gedanke: Das ist es. Das kann ich vermarkten. Sex sells.“ Mit der Idee flog er zurück nach Hamburg, kündigte seinen Job und meldete im Oktober sein Start-up an – mit sich als einzigem Mitarbeiter. So ist es bis heute.

Rund 120.000 Kondome hat er schon verkauft. Durch den Erlös und eine Spende aus eigener Tasche konnte er mehr als 125.000 Bäume pflanzen. Oder eher: pflanzen lassen. Der Gründer kooperiert mit der sozialen Organisation Eden Reforestation Projects (Eden). Platz dafür sei genug, sagt er. „Zum einen holzt die Menschheit überaus fleißig ab, und wir verlieren jede Sekunde mehr als 50 Bäume. Zum anderen haben Forscher aus Zürich ausgerechnet, dass unser Planet locker eine Milliarde Hektar zusätzlichen Wald vertragen könnte.” Das entspricht ungefähr der Fläche der USA.

Verkauf von Kondomen unterliegt medizinischen Standards

Eden beschäftigt nur Einheimische und lässt überwiegend Mangroven in Madagaskar und Mosambik pflanzen. Sie sind günstiger, weil die Jungpflanzen am Mutterbaum keimen. Die Beschäftigten können die Triebe pflücken und ohne Aufzucht in einer Baumschule wieder einsetzen.

Fische, Krebse und Garnelen laichen zwischen den Wurzeln, wovon die Fischer profitieren. Außerdem absorbiert jede Mangrove rund zwölf Kilogramm Kohlenstoffdioxid (CO2) pro Jahr, wie Eden auf seiner Webseite angibt. Zum Vergleich: Der CO2-Ausstoß für ein Releaf-Kondom beträgt Müllem zufolge maximal 20 Gramm.

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Der Latex besteht aus Naturkautschuk, den Kleinbauern in Thailand anbauen. Verarbeitet wird er in Malaysia vom Produktionspartner Richter Rubber Technology, denn der Verkauf von Kondomen unterliegt medizinischen Standards. „Da kann ich nicht einfach einsteigen“, sagt der Releaf-Gründer. Doch er hat Vorgaben gemacht: Das Kondom soll eine Wandstärke von 55 Mikrometern haben, zudem muss es vegan und ökologisch abbaubar sein.

Kondom-Macher Müllern wird Vater

Das Kondom selbst erfüllt diese Vorgaben. Problematisch ist das Tütchen. Es besteht aus einer mehrlagigen Kunststoff-Aluminiumfolie und ist kaum recycelbar. Deshalb möchte Müllem im Sommer auf eine reine Kunststofffolie umsteigen und später auf eine noch nachhaltigere Alternative. Doch dafür braucht er Geld, das er derzeit nicht hat. Denn seine Marge fällt kleiner aus als die herkömmlicher Marken: Durex-Kondome kosten im Zehner-Pack 9,99 Euro. So viel kostet bei Releaf ein Neuner-Pack, wobei Müllem davon noch neun Mangroven finanzieren muss.

Bis 2025 will er 50 Millionen Bäume gepflanzt haben und eines Tages die Kondome auch in Drogerieketten platzieren, bisher verkauft er nur online auf www.rele.af. Doch vor allem will Müllem ein anderes Lebensprojekt angehen: Im April wird der Kondom-Macher Vater. „Geplant“, sagt er.