Hamburg. Anbieter von günstigen Haushaltswaren wie Action, Hema und Tedi treiben ihre Expansion in Hamburg voran.
Links leere Regale, rechts ein hoher Stapel Kartons. Mit geübtem Handgriff schlitzt eine Mitarbeiterin im hellblauen T-Shirt die Pappe auf, nimmt Dutzende Sonnencremeflaschen raus. „Aktion der Woche“ steht an der Wand im Eingangsbereich des Action-Marktes im Wilhelmsburger Luna-Center. Sie wirft einen kurzen Blick auf einen Computerausdruck, auf dem genau aufgezeichnet ist, wie sie die Waren einzuräumen hat.
Auch wenn es nicht so aussieht – hier wird nichts dem Zufall überlassen. Ein Stück weiter stehen Grillgewürze in Gläsern. In den nächsten Tagen werden die Kunden daneben Flip-Flops für 1,99 Euro finden, Reisehandtücher für 1,77 Euro und Plastikweingläser für 36 Cent. In einer halben Stunde soll ein Lastwagen mit einer neuen Warenladung kommen – noch mehr Sachen, die man für die Sommerferien gebrauchen könnte.
Die Discounterkette Action ist mit ihrem Gebrauchswarenangebot in Hamburg noch recht neu. Im vergangenen August hatte das niederländische Unternehmen die erste Filiale in Langenhorn eröffnet. Den Standort in Wilhelmsburg gibt es seit April. An diesem Sommervormittag streift knapp ein Dutzend Schnäppchenjäger unter Neonlicht durch die Gänge. Die Regale sind vollgestopft mit Schreibwaren, Deko-Artikeln, Küchenutensilien, Putzmitteln, Spielsachen, Gartengeräten, Süßigkeiten.
Ein roter Faden im Sortiment ist nicht ohne Weiteres zu erkennen, dafür locken Tiefstpreise. Kissenbezüge ab 2,99 Euro, eine Heckenschere für 5,99 Euro, eine Kerze mit Johannisbeer-Duft für 1,29 Euro. Insgesamt 6000 Produkte auf 750 Quadratmetern, etwa ein Drittel kostet weniger als einen Euro. Dazu kommen 150 wöchentlich wechselnde Angebote. Wer in den Laden kommt, sucht nicht, sondern findet. Das Überraschungsmoment gehört zum Erfolgskonzept, die Erwartung an Qualität und Nachhaltigkeit ist dabei eher zweitrangig. Die meisten Schnäppchenjäger, fast nur Frauen, haben schon nach wenigen Minuten etwas im Einkaufskorb, nicht nur ein Teil.
Billigdiscounter heißen Tedi, Kodi oder Hema
Billigfilialisten wie Action sind derzeit massiv auf Expansionskurs. Sie heißen Tedi, Kodi, Mäc Geiz, Euro-Shop, Flying Tiger, Hema und Rusta. Das Konzept ist immer gleich: Über große Einkaufsmengen, einfache Filialgestaltung und wenig Marketingausgaben werden die Preise auf Niedrigniveau gedrückt. In atemberaubendem Tempo machen die Ketten neue Läden zwischen Flensburg und Füssen auf. Marktführer Tedi mit bundesweit 1657 Filialen hat in den ersten sechs Monaten des Jahres schon 56 Standorte eröffnet, bis Ende 2019 sollen es 150 werden.
Bei Action kamen 21 neue Geschäfte dazu. Die Niederländer sind mit ihren ehrgeizigen Wachstumszielen dem deutschen Platzhirsch auf den Fersen. Seit 2013 stieg die Zahl der Action-Märkte hierzulande von 23 auf mehr als 300. „Wir sehen noch viel Potenzial“, heißt es aus der Zentrale in Zwaagdijk-Oost auf Abendblatt-Anfrage. Zahlen für Neueröffnungen werden nicht genannt. Ziel sei es, den Kunden eine Filiale in ihrer Nachbarschaft anzubieten.
Auch Hamburg wird immer mehr zum Discounterparadies. „Wir sind optimistisch, dass wir kurz- bis mittelfristig weitere Filialen in Hamburg eröffnen können, und sind ständig auf der Suche nach geeigneten Standorten“, so eine Action-Sprecherin. Die Konkurrenz hat die Hansestadt ebenfalls als Expansionsziel im Blick. Hema etwa, auch aus den Niederlanden und derzeit mit 14 Geschäften in Deutschland vertreten, bestätigte auf Anfrage Interesse am Standort Hamburg. Tedi, derzeit 20-mal im Stadtgebiet vertreten, hatte erst Ende Juni einen neuen Markt in Billstedt eröffnet. Dass sich die Billigläden ausbreiten, hat auch mit der Krise im klassischen Handel zu tun. Während viele Firmen mit dem wachsenden Onlinegeschäft kämpfen, spielt das im Segment der Haushaltswaren-Discounter kaum eine Rolle. Der Grund: Der große Teil des Sortiments liegt in einem Preisbereich, in dem man nicht online bestellt.
Umsätze im Non-Food-Discount steigen
Das Geschäft in der Nische lohnt sich offenbar. Um drei Prozent sind die Umsätze im stationären Non-Food-Discount im vergangenen Jahr laut Consumer Panel Nonfood des Marktforschungsinstituts GfK gestiegen. Das ist deutlich weniger als 2017, als die Erlöse noch um gut sieben Prozent gestiegen waren. Allerdings sagt GfK-Experte Martin Langhauser: „Vor dem Hintergrund, dass der stationäre Non-Food-Markt insgesamt zurückgeht, ist das Wachstum im Discount sehr bemerkenswert.“ Das gilt besonders, wenn man einen längeren Zeitraum betrachtet. Zwischen 2013 und 2018 sind die Haushaltsausgaben im Non-Food-Discount nach der Marktanalyse um ein Drittel gestiegen. Die Billigmärkte gehören für die meisten Deutschen zum Alltag. „Zwei Drittel der Kunden gehen mindestens einmal im Jahr in einen Gebrauchswaren-Discounter“, so Langhauser.
Dabei liegen die Märkte der Billighändler in Fußgängerzonen oder Shopping-Centern oft nah beieinander. Im Wilhelmsburger Luna-Center sind es nur wenige Schritte zwischen den Filialen von Action und Tedi. Größter Unterschied zwischen beiden Ketten ist der Umfang des Angebots. Tedi hat mit 9000 verschiedenen Artikeln unter den Non-Food-Discountern die Nase vorn. Kernbereiche im Sortiment der 2004 gegründeten Firma mit dem blau-gelben Logo sind nach eigenen Angaben Deko, Haushalt, Schreibwaren oder Do-it-yourself-Artikel. In den vergangenen Jahren verordnete das Management der Präsentation eine Modernisierungskur. Schilder weisen jetzt auf die einzelnen Produktkategorien hin, die Gänge zwischen den Regalen und Warenkörben sind breiter geworden, die Farbgestaltung dezenter. In einzelnen Bereichen, etwa bei Bastel- und Schreibwaren, wurde die Sortimentstiefe deutlich ausgebaut. Tedi hat ähnlich wie Action das Expansionstempo angezogen. „Wir wollen langfristig mit 5000 Filialen im In- und Ausland vertreten sein“, so eine Sprecherin.
Action gilt als gut aufgestellt
Trotz des aktuellen Erfolgs sieht Thomas Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, einige Non-Food-Discounter in einem schwierigen Umfeld. So hatte Kodi, der älteste Haushaltswaren-Discounter Deutschlands und in Hamburg mit einem Geschäft in Billstedt vertreten, zuletzt mit Umsatzrückgängen zu kämpfen und ist gerade dabei sich mit verändertem Konzept neu aufzustellen. Bereits im November 2017 musste die Tedi-Tochter Black.de aufgeben. „Auch bei einen wachsenden Gesamtmarkt gibt es nur einige wenige, die mit ihren Geschäftsmodellen erfolgreich sind“, sagt Roeb.
Dazu zählt er im Moment Action, weil das Unternehmen als einziger Non-Food-Discounter in mehreren Ländern ähnlich gut aufgestellt sei wie in seinem Heimatland. „Das liegt klar an den Preisen. Action ist billiger als die Wettbewerber“, hat der Hochschullehrer in einer Stichprobe mit Studenten ermittelt. Dass der Boom der Billigheimer schnell endet, ist im Moment nicht absehbar, sagt Roeb: „Das ist ein System, das sich auch die nächsten zehn Jahre trägt.“