Hamburg. Personalrat wendet sich an den Senat. Ein Teil der Beschäftigten sei überlastet, Aufgaben könnten nicht mehr erfüllt werden.

„Vertraulich“ steht oben auf dem Dokument, und „Nur für den internen Gebrauch bestimmt“. Doch die Stellungnahme, die diese Hinweise trägt, verbreitete sich am Mittwoch schnell in der Stadt – und sorgte für erhebliches Aufsehen in Politik und Wirtschaft. In einer 25 DIN-A4-Seiten starken Stellungnahme kritisiert der Personalrat der Handelskammer den aktuellen Personalbedarfsplan für die Verwaltung der Wirtschaftsvertretung und den Restrukturierungsprozess, den die sogenannten Kammerrebellen eingeleitet haben.

Die Krise in der Kammer strebt damit einem neuen Höhepunkt entgegen. Nachdem der Konflikt im Plenum nach der Absage einer weiteren Präses-Wahl und monatelangen internen Auseinandersetzungen die Friedenspflicht ausgerufen haben, begehren jetzt die hauptamtlichen Mitarbeiter der Institution mit Sitz am Adolphsplatz auf – und rufen in einem beispiellosen Akt den Senat zu Hilfe. In drei Schreiben an Bürgermeister Peter Tschentscher, Bildungssenator Ties Rabe (beide SPD) sowie Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) beklagt der Personalrat eine Überlastung der Mitarbeiter und bittet um „Prüfung und Intervention“.

Damit bekommt der Konflikt in der Kammer eine neue Qualität. Bisher hat sich die Stadt aus den Querelen herausgehalten. Begründung: Rechtliche Belange würden davon nicht berührt. Doch nun moniert der Personalrat, dass einige Arbeitsbereiche der Kammer nicht mehr in der Lage seien, ihren hoheitlichen Aufgaben nachzukommen. In diesem Fall müsste der Senat einschreiten.

Sparvorgaben von Präsidium und Plenum

„Manchmal muss man sich einfach zu Wort melden“, sagte die Personalratsvorsitzende Christine von Wedel dem Abendblatt. Am Mittwochvormittag hatte sie den Mitarbeitern in einer Personalversammlung die Beweggründe für ihren drastischen Schritt dargelegt. „Wir wollen nichts zerschlagen, sondern aufrütteln.“ Die Ziele des Reorganisationsprozesses seien vage und nicht ausreichend begründet, so von Wedel. Gleiches gelte für die Aufgaben, die im Zuge der Restrukturierung auf die Mitarbeiter absehbar zukämen, aber noch nicht konkretisiert seien.

 „Der vorliegende Stellenplan weist starke Mängel auf und ist in dieser Form nicht umsetzbar.“ Im Kern gehe es um 30 Stellen, die die Handelskammer zusätzlich abbauen solle, sagte die Personalratschefin – obgleich zwischen 2015 und November 2018 bereits 16 Prozent des Personals abgebaut worden seien. Von einst 296,5 Vollzeitstellen auf 248,5. Hintergrund sind die Sparvorgaben von Präsidium und Plenum. Sie wollen die Mitarbeiterzahl der Kammer und die Pflichtbeiträge der Mitglieder reduzieren. Die ursprüngliche Idee, Gebühren zu erhöhen und bestimmte Dienstleistungen zu verteuern, habe sich als nicht machbar erwiesen. „Dann bleibt nur die Senkung der Sachkosten“, so von Wedel.

Überlastetes Team

Die Stellungnahme des Personalrats listet für jeden Aufgabenbereich auf, was bei weiteren Personalreduzierungen geschieht. Es ist eine Art Generalkritik daran, wie Hauptgeschäftsführerin Christi Degen und die ehrenamtliche Kammerführung mit dem Mitarbeiterstab umgehen. Laut dem Papier sind es die Bereiche Weiterbildung und Services sowie Ausbildung, in denen die meisten Stellen abgebaut werden sollen. Der kommissarische Präses André Mücke hatte kürzlich im Abendblatt die Ausbildung zu einem Schwerpunkt der künftigen Präsidiumsarbeit erklärt.

Für den Bereich Internationalisierung, der aufgesplittet wird, befürchtet der Personalrat „einen irreparablen Verlust“ des Außenwirtschaftsnetzwerks der Kammer. Das Team, das für die Ausstellung von Außenwirtschaftsdokumenten wie Zoll-Carnets und Beglaubigungen von Rechnungen zuständig ist, sei bereits jetzt völlig überlastet. „Da hängen Firmen und ihre konkreten Aufträge dran, hier müssen die Mitarbeiter entlastet werden“, fordert von Wedel.

Hauptgeschäftsführerin Degen will das so nicht stehen lassen. „Es ist richtig, dass wir aus vier Bereichen Überlastungsanzeigen erhalten haben. Darauf haben wir aber schon reagiert.“ Den Vorwurf, die Kammer könne nicht mehr ordnungsgemäß arbeiten, weist sie entschieden zurück: „Es stimmt nicht, dass die Kammer nicht mehr ihren gesetzlichen Aufgaben nachkommen kann.“ Auch die Kritik, die Aufgabenverteilung sei unklar, will sie nicht gelten lassen: „Das Leistungsportfolio steht seit Langem fest. Es wird nur überarbeitet.“

Erneute Eskalation

Noch am Mittwoch berieten Personalrat und Hauptgeschäftsführung über die Situation. „Wir hoffen im Sinne der Mitarbeiter auf eine gute Regelung“, sagte Personalratschefin von Wedel. Aus den Behörden hieß es indes, die Schreiben des Personalrats seien eingegangen. Man werde nun erst einmal die Geschäftsführung zu einer Stellungnahme auffordern.

Der Vorsitzende des Innenausschusses der Handelskammer, Torsten Teichert, ein Gegner Degens, machte diese für die erneute Eskalation verantwortlich. „Maßgebliche Unterlagen zur Personalplanung, die von der Hauptgeschäftsführung dem Personalrat im Dezember übergeben wurden, waren zuvor nicht im Innenausschuss oder im Präsidium abgestimmt worden. Insofern liegt die Verantwortung für die jetzige Entwicklung bei der Hauptgeschäftsführerin“, sagte Teichert.