Hamburg. Sehr viele Jobs im Hamburger Gastgewerbe frei. Preise für Essen und Trinken könnten steigen. Ein Hilferuf der Gastronomen.
Auf den Tafeln an der Fassade ihres Restaurants Schuback am Park empfehlen Jens Manzel und Désirée Hänssler normalerweise Aktuelles aus der Speisekarte. Jetzt sind dort seit einigen Wochen die aktuellen Stellenangebote angeschlagen. Gesucht wird Personal in allen Bereichen, vom Mini-Job im Service bis zum Koch in Vollzeit. „Wir mussten die Öffnungszeiten reduzieren, weil wir keine Mitarbeiter finden“, sagt Manzel.
Im Moment ist das Schuback nur an vier Tagen, von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Nach dem monatelangen Lockdown wird es langsam immer enger für das Gastronomenpaar. „Wir brauchen dringend einen weiteren Öffnungstag, um finanziell über die Runden zu kommen“, sagt Jens Manzel. Inzwischen packen die Chefs immer häufiger selbst an, übernehmen ganze Schichten im Service, schnippeln in der Küche mit oder richten Bestellungen an.
Hamburgs Gastronomen kämpfen mit Personalnot
Das ist kein Einzelfall. Überall in der Stadt kämpfen Gastronomen mit der Personalnot. Insgesamt gibt es in Hamburg 45.800 Beschäftige im Gastgewerbe.
„Die Gastronomie-Branche hat in der Zeit von Corona in Hamburg den größten Beschäftigungsverlust zu verzeichnen, auch mit oder trotz Kurzarbeitergeld“, sagt Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit Hamburg. Inzwischen sei die Nachfrage nach Arbeitskräften in dieser Branche wieder deutlich gestiegen. „Die große Herausforderung liegt darin, die Beschäftigten zurückzugewinnen, die während der Pandemie dieser Sparte den Rücken gekehrt haben, und neues Personal zu akquirieren.“
Kaum Resonanz auf Stellenangebote
Wie schwierig das ist, erlebt Schuback-Inhaber Jens Manzel jeden Tag. Krankheitsfälle, Kündigungen, Stundenreduzierung – von ehemals 14 Beschäftigten vor der Corona-Pandemie sind derzeit noch sieben übrig. Besonders dringend suchen die Gastronomen weitere Köche für das Nachbarschaftslokal mit Roulade & Co. auf der Karte. Obwohl sie seit Wochen über die Arbeitsagentur, in den sozialen Medien und Mund-zu-Mund-Propaganda zu Bewerbungen aufrufen, meldet sich kaum jemand.
„Und wenn es mal Interesse gibt, werden Termine oft kurzfristig oder gar nicht abgesagt“, klagt der 55 Jahre alte Restaurantbetreiber, der im Vier Jahreszeiten gelernt hat, auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs war und in Lokalen wie Nil und Forsthaus Friedrichsruh gearbeitet hat. Selbst Zusagen wie übertarifliche Bezahlung, feste Arbeitszeiten und ein freies Wochenende im Monat nützen wenig. „Letztens hat einer abgesagt mit der Begründung, die Parkplatzsituation bei uns sei zu schwierig“, sagt Manzel.
Vor allem Köche sind Mangelware
An tageweise geschlossene Türen, reduzierte Öffnungszeiten, längere Wartezeiten und höhere Preise müssen sich die Gäste in Hamburg wohl immer häufiger einstellen. So haben die Betreiber des Lokals Servus an der Osdorfer Landstraße, Klaus Lippl und Yvonne Lippl-Olsson, die Innengastronomie weiterhin geschlossen. Auch der gut besuchte Biergarten macht derzeit von Mittwoch bis Freitag statt um 12 Uhr erst um 16 Uhr auf. Montag und Dienstag sind Ruhetage. „Du arbeitest vier (!) Tage und bekommst fünf (!) Tage bezahlt“, werben die Lippls in einer Jobofferte bei Facebook.
Auch sie suchen vor allem Köche. Inzwischen stehen beide selbst in der Küche, um die Bestellungen abzuarbeiten. Und die Situation spitzt sich weiter zu. Der Jungkoch, bislang wichtige Stütze im Betrieb mit 200 Außenplätzen und weiteren 100 im Innenbereich, hat zum Monatsende gekündigt. Hoffnung, bis dahin noch jemand Neuen zu finden, hat Klaus Lippl nicht mehr. „Dann müssen wir noch schneller arbeiten“, sagt er.
Auch Block Gruppe hat Mitarbeiter verloren
Auch große Unternehmen wie die Block Gruppe haben Dutzende Mitarbeiter verloren. Allein in den Hamburger Block-House-Restaurants haben seit März 2020 67 Beschäftigte gekündigt. Aktuell sind 57 Stellen vakant.
„Während der Lockdowns wurde unsere ganze Branche stillgelegt. Es ist daher nur nachvollziehbar, dass das die Mitarbeiter verunsichert hat“, sagt Block-Chef Stephan von Bülow. Die Politik müsse jetzt Wege finden, um die Wirtschaft trotz Corona am Laufen zu halten. „Und unsere Aufgabe ist es, neue Konzepte zu entwickeln und Anreize zu schaffen.“
Personalengpässe schon vor Corona
Schon vor Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 gab es in Hamburg Personalengpässe in der Gastronomie. Geringe Bezahlung, lange Arbeitszeiten und viele Wochenendschichten machen den Job für viele unattraktiv. „Es gibt eine Müdigkeit in der Dienstleistungsbranche“, konstatiert Jens Stacklies, Hamburger Dehoga-
Vizepräsident für den Bereich Gastronomie und Inhaber der
Stacklies-Gruppe, zu der etwa die Fischauktionshalle und die Gröninger Privatbrauerei gehört.
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Aus seiner Sicht ist auch die mangelnde Wertschätzung der Politik gegenüber der Branche in der Krise ein Grund für das sinkende Interesse bei Arbeitnehmern. Seine Schlussfolgerung jetzt: „Wir müssen an die Bezahlung ran.“
Steigende Preise in Hamburger Restaurants
Auch der Eppendorfer Szene-Wirt Hannes Schröder spürt den Personalmangel. Seine Bar Botanic District ist derzeit nur an fünf statt an sieben Tagen offen – trotz Überstundenregelung. Auf Dauer sei es aber nicht durchzuhalten.
Deshalb werde er auch die Öffnungstage seines Restaurants Küchenfreunde reduzieren müssen, so Schröder. Schon jetzt hat er die Gehälter erhöht, um langjährige Mitarbeiter zu halten. Das werde sich in den Preisen niederschlagen. „Wer ein schönes Erlebnis in der Gastronomie haben möchte, muss dafür künftig tiefer in die Tasche greifen.“