Hamburg. Wohnungseigentümer haben einen großen Vorteil gegenüber Mietern – wenn die Tilgung des Kredits nicht berücksichtigt wird.
Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Wohnungs- und Hauspreise in Hamburg verdoppelt, doch das Interesse, eigene vier Wänden zu kaufen oder bauen ist ungebrochen. Wer es sich finanziell leisten kann und eines der begehrten Objekte findet, greift zu. Ob sich das auf Dauer wirklich rechnet, ob das wirtschaftlich sinnvoll ist, scheint kaum eine Rolle zu spielen.
„Bei Mieterinnen und Mietern macht sich Torschlusspanik breit“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin für das Privatkundengeschäft beim Immobilienfinanzierer Interhyp AG. Das gehe aus Tiefeninterviews für eine aktuelle Wohnraumstudie des Unternehmens hervor. „Viele fürchten, dass sie in der aktuellen Marktlage kein bezahlbares Objekt mehr finden und für immer mieten müssen“, so Mohr.
Wohnung mieten in Hamburg: Willkür der Vermieter
Die größten Befürchtungen sind dabei explodierende Mieten und Willkür der Vermieter. 65 Prozent der Befragten träumen von einem frei stehenden Einfamilienhaus am Stadtrand oder auf dem Land. Selbst die Generation Z, die heute zwischen zehn und 25 Jahre alt ist und in den nächsten Jahren erst noch in die potenzielle Käuferschicht hineinwächst, macht da keine Ausnahme.
- Lesen Sie hier den dritten Teil der Serie
- Lesen Sie hier den zweiten Teil der Serie
- Lesen Sie hier den ersten Teil der Serie
Dass die Suche nach den eigenen vier Wänden zumeist stärker von persönlichen Wünschen als von Rentabilitätsberechnungen bestimmt wird, hat gute Gründe: Denn jede Kalkulation, ob Kaufen oder Mieten auf Dauer finanziell günstiger ist, ist nur eine Momentaufnahme. Wie sich Preise und Mieten in den nächsten Jahrzehnten entwickeln, kann niemand voraussagen.
Das gilt auch für Veränderungen der persönlichen Lebenssituation. Zwingt ein Jobwechsel zum Umzug? Führt ein Schicksalsschlag wie etwa eine schwere Krankheit oder Scheidung zum Notverkauf oder gar zur Zwangsversteigerung der Immobilie?
Wohneigentum in Hamburg: Gefahren werden verdrängt
Wer von Wohneigentum träumt, verdrängt diese Gefahren oft - und die Statistik gibt ihm auch Recht. Die Ausfallquote von sogenannten wohnwirtschaftlichen Immobilienkrediten lag 2020 bei 1,1 Prozent. Allerdings erwartet die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) als Folge der Corona-Pandemie eine auf bis zu 1,7 Prozent steigende Ausfallrate im nächsten Jahr.
Immobilienkäufer in Hamburg müssen im Schnitt zwischen 5600 Euro und 6500 Euro je Quadratmeter Wohnfläche investieren. Die durchschnittliche Kreditaufnahme für die eigenen vier Wände liegt in der Hansestadt inzwischen bei rund 430.000 Euro und der durchschnittliche Kaufpreis bei 533.000 Euro,. Das geht aus den Daten des Baugeldvermittlers Dr. Klein hervor. Lohnt also der Kauf einer eigenen Immobilie in Hamburg überhaupt noch?
„Gemessen an den Wohnkosten pro Quadratmeter ist es in Hamburg rund 50 Prozent günstiger, Wohneigentum zu erwerben als langfristig zu mieten“, sagt Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfeldes Finanzmärkte und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Eine eindeutige und überraschende Aussage. „Viele Mieter können diese Chance nur nicht ergreifen, weil ihnen das Eigenkapital fehlt. Nur 15 Prozent der Mieter haben ein Geldvermögen von mehr als 60.000 Euro“, sagt Voigtländer.
Regelmäßig anfallende Kosten für Immobilieneigentümer
Der Immobilienexperte hat für das Immobilienunternehmen Accentro Real Estate mit dem sogenannten Selbstnutzerkostenansatz die Mietkosten und die regelmäßig anfallenden Kosten, die ein Wohnungseigentümer neben der Kredittilgung aufbringen muss, miteinander verglichen. Demnach sind nahezu in allen deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten die Selbstnutzerkosten eines Eigentümers noch geringer als die Mieten für eine vergleichbare Wohnung (siehe Grafik).
Für Hamburg sieht das wie folgt aus: Wer kauft, hat laut Voigtländer Selbstnutzerkosten in Höhe von 8,41 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Monat. In dieser Summe sind zum Einen die Nebenkosten eines Wohnungskaufs wie Maklercourtage oder Grunderwerbsteuer enthalten.
Zinsen für das Darlehen und Instandhaltungskosten
In die komplizierte Formel fließen zudem die Zinsen für das Darlehen (angenommen wird ein Zinssatz von 1,2 Prozent), Instandhaltungskosten, Gebäudeabschreibung aber auch künftige Wertsteigerungen (angenommen wurden drei Prozent pro Jahr) sowie weitere Kostenfaktoren ein. Dabei wird angenommen, dass der Käufer sein Eigenheim zu 85 Prozent fremdfinanziert. In den 8,41 Euro pro Monat und Quadratmeter nicht enthalten ist jedoch die Tilgung des Kredits.
„Der Tilgungsanteil bleibt bei den Selbstnutzerkosten unberücksichtigt, weil dieser vermögensbildend ist“, sagt Voigtländer. Denn indem er die Darlehenssumme abzahlt, bildet der Immobilienkäufer ja zugleich ein Vermögen. Die monatlichen Aufwendungen eines Mieters für das Wohnen sind hingegen verlorene Kosten.
Immobilienpreise sind deutlich gestiegen
Voigtländers Vergleich der Selbstnutzerkosten bei Kauf oder Miete bezieht sich auf eine sanierte Altbauwohnung. Er setzt einen Kaufpreis von 6482 Euro pro Quadratmeter an. Dabei bezieht er sich auf Daten aus 2020 des Verbandes Deutscher Pfandbriefbanken. Dieser hat abgeschlossene Kreditverträge ausgewertet. Bei der Miete geht der Vergleich von 16,90 Euro pro Quadratmeter aus. Das erscheint recht hoch, ändert aber nichts an der Grundaussage.
Demnach sind die verlorenen Kosten eines Wohnungskäufers deutlich geringer als die eines Mieters – obwohl die Immobilienpreise deutlich gestiegen sind. Mehr noch: „Auf Grund der niedrigen Zinsen hat sich trotz Preisanstiegs das Verhältnis zu Gunsten der Wohneigentümer noch verbessert. In den an Hamburg angrenzenden Kreisen ist es noch günstiger als in Hamburg“, sagt Voigtländer dem Abendblatt. Allerdings sind in diesem Jahr die Zinsen für Baufinanzierungen und auch erneut die Immobilienpreise gestiegen. Im nächsten Wohnkostenreport des IW kann sich also der Kostenvorteil für Wohnungskäufer verringern.
Auch Voigtländer erkennt an, dass Immobilienkäufer keine Kaufentscheidung allein auf Grundlage dieses Vorteils treffen. Der Kredit muss ja auch abbezahlt werden, Darlehen ohne Tilgung gibt es nicht. Ob man sich eine Immobilie auch wirklich leisten kann, hängt entscheidend von der sogenannten Annuitätenrechnung ab, die die Tilgung – oft sind es zwei Prozent der Kreditsumme pro Jahr einbezieht. Die Annuität ist jener Betrag, der monatlich an die Bank überwiesen werden muss.
Gezahlte Kaltmiete und Eigenkapital als Maßstab
Für viele Interessenten sind die bisher gezahlte Kaltmiete und ihr Eigenkapital der Maßstab, welche Immobilie sie sich leisten können. Wer 800 Euro im Monat für die Finanzierungsrate aufbringen kann und 35.000 Euro angespart hat, der kann sich eine Immobilie für rund 268.000 Euro leisten, wie Berechnungen des Hamburger Baugeldvermittlers Baufi24 ergeben.
Dafür gibt es in Hamburg bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand rund 70 Quadratmeter Wohnfläche in Eißendorf, Jenfeld oder Lohbrügge, wenn man die Preise des LBS-Immobilienmarktatlas der Bausparkasse Schleswig-Holstein-Hamburg zugrunde legt. Oder 50 Quadratmeter in Eilbek, Groß Borstel oder Wellingsbüttel. Größere Wohnflächen sind im Hamburger Umland möglich. Dort liegen die Quadratmeterpreise in vielen Gemeinden noch unter 3000 Euro, in Buxtehude, Hanstedt, Pinneberg und Tornesch, sind es etwa 2700 Euro.
Mit einem monatlichen Budget von 1600 Euro kann man sich eine Immobilie im Wert von rund 550.000 Euro leisten. Doch nicht vergessen werden sollte die Restschuld, die nach der ersten Zinsbindung von 15 Jahren noch abgetragen werden muss. In diesem Fall sind das noch rund 360.000 Euro.
Informationen zum Immobilienkredit
- Eine Baufinanzierung ist immer noch günstig, obwohl die Zinsen zuletzt leicht gestiegen sind. Der Zinssatz für eine zehnjährige Laufzeit liegt zwischen 0,61 und 1,43 Prozent, für eine 15-Jährige Bindung zwischen 0,99 und 1,84 Prozent.
- Verbraucher sollten auch darauf achten, wie flexibel ein Baudarlehen ist. Wichtig sind zum Beispiel Sondertilgungsmöglichkeiten. Auch eine mögliche Veränderung der Tilgungsrate zu vereinbaren, ist ratsam.
- Die monatliche Belastung durch sämtliche Wohnausgaben sollte 40 Prozent des Nettoeinkommens eines Haushalts nicht übersteigen, raten Verbraucherschützer.