Hamburg. Ein Jobportal wendet sich explizit an diese Zielgruppe, auch für Berufe in der Gesundheitsbranche – wie legitim das ist.

Die Zahl der mit Corona Infizierten steigt und steigt – in den Krankenhäusern herrscht Alarmstimmung angesichts der (drohenden) Überlastung. Gleichzeitig treibt ein Thema viele Kliniken und Patienten um: dass immer noch eine ganze Reihe von Angestellten nicht geimpft sind, obgleich sie dadurch ein erhöhtes Risiko für Kranke darstellen können. Diesem Dilemma hat die Regierung ein baldiges Ende gesetzt: Ab Mitte März müssen Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen geimpft oder genesen sein.

Nun aber tut sich ein neues Problem für die unter drastischem Fachkräftemangel leidenden Einrichtungen auf: In Hamburger Kliniken und Praxen gibt es etliche Mitarbeiter, die sich jetzt beruflich umorientieren, weil sie sich nach wie vor nicht impfen lassen wollen. Die Gruppe dieser Skeptiker ist nicht klein, denn die neue Regelung betrifft eine ganze Reihe von Menschen, nicht nur aus Gesundheitsberufen.

Corona: Hamburger Betriebe suchen nach ungeimpften Mitarbeitern

„Auch die Hausmeisterin im Pflegeheim ist ebenso wie der Empfangsmitarbeiter im Altenheim von den Regelungen erfasst. Auf einen Kontakt mit vulnerablen Personen bei der Tätigkeit kommt es nicht an. Es reicht aus, dass der Beschäftigte in einer der genannten Einrichtungen tätig ist“, sagt Michael Fuhlrott, Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Michael Fuhlrott, Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Michael Fuhlrott, Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht. © Pressefoto | Unbekannt

Auch als Folge dieser sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind etliche Menschen, die sich  trotz wiederholter Appelle von Medizinern nicht impfen lassen wollen, derzeit auf der Suche nach einem neuen Job. „Die Betroffenen melden sich bereits jetzt bei uns als arbeitssuchend“, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Hamburger Agentur für Arbeit. Schließlich sind von dem Gesetz, das Ungeimpften die Tätigkeit untersagt, etliche Bereiche berührt – unter anderem Krankenhäuser, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Gesundheitsämter, Heilpraxen, Alten- und Pflegeheime sowie die ambulante Pflege.

Jobportal Impffrei.work führt Hunderte Stellen auf

Ihre Chancen auf einen neuen Job scheinen so schlecht nicht. Inzwischen gibt es sogar sehr spezielle oder sogar zweifelhafte Angebote. Explizit an Ungeimpfte wendet sich zum Beispiel das Jobportal Impffrei.work im Internet, das seit vergangenem Jahr aktiv ist. Aufgelistet sind dort Hunderte Stellen von Arbeitgebern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gesucht werden etwa Elektroniker, Kommissionierer, Bürokaufleute oder Softwareentwickler. Zu den Anbietern der Stellen gehören Handwerksbetriebe, Steuerberater oder Tierärzte. Zugleich sind im Informationsteil der kostenlosen Stellenbörse etliche impfkritische Argumente aufgelistet.

Auffällig sei, dass das Jobportal im Impressum keinen Betreiber nennt, sagt Jurist Fuhlrott über die Internetseite, die sich selbst als „Alternative Jobbörse“ sieht. „Wer die Seite betreibt, ist nicht ersichtlich. Aus den weiteren Inhalten auf der Seite, die vor vermeintlichen Gefahren und Gesundheitsschäden durch Impfungen warnen, Impfungen als ,Gentherapie‘ bezeichnen und vom ,Corona-Märchen‘ sprechen, lässt sich die Stoßrichtung der Internetpräsenz aber klar erkennen.“

Jobgesuche sind grundsätzlich legitim

Fuhlrott, der auch Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius ist, sieht das Portal allerdings aus juristischer Sucht als unbedenklich an: „Es dürfte arbeitsrechtlich legitim sein, Beschäftigte zu vermitteln, die sich nicht impfen lassen möchten. Sofern keine allgemeine Impfpflicht in Deutschland besteht, ist dies Ausübung der Vertragsfreiheit. Selbst wenn man in der Vermittlung eine Diskriminierung geimpfter Beschäftigter sähe, so wäre dies rechtlich zulässig, da es sich bei dem Impfstatus um kein verbotenes Differenzierungskriterium wie etwa dem Alter oder des Geschlechts des Bewerbers handelt.“

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Anzeigen wie die einer Personalberatung aus Bergedorf, die ungeimpfte Quereinsteiger sucht, oder das Gesuch einer Gärtnerei in Lüneburg, die auf dem Portal Leute fürs Heckenschneiden finden will, sind also grundsätzlich legitim.

Hamburger Physiotherapie-Praxis sucht nach ungeimpften Mitarbeitern

Problematisch sind aber bestimmte Suchanzeigen, die bewusst die neue Impfpflicht im Gesundheitssektor unterlaufen. „Sehr bedenklich finde ich es, dass auch Jobs im Gesundheitswesen oder in der Pflegebranche vermittelt werden sollen“, betont Fuhlrott. Ein Beispiel: „Wir sind eine Praxisgemeinschaft für Logopädie in Hamburg-Billstedt mit leider unsicherer Zukunft, da wir zum Teil unge*** sind“, stellt sich ein Arbeitgeber aus der Hansestadt vor, der aktuell ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sucht. Und dies, obgleich auch in Praxen für Logopädie ab Mitte März alle Beschäftigten geimpft oder genesen sein müssen, ebenso wie bei Physiotherapeuten.

Auch eine Praxis für Physiotherapie in Hamburg sucht ungeimpfte Bewerber auf dem Portal. Das seien Bereiche, betont Fuhlrott, in denen ab Mitte März Neueinstellungen grundsätzlich nur noch mit nachgewiesenem Impf- oder Genesenenstatus erlaubt seien und in denen die derzeit dort Beschäftigten bis Mitte März entsprechende Nachweise vorlegen müssten. „Sicherlich werden auch Gesundheitsämter bei Hinweisen zu derartigen Stellenvermittlungen die entsprechenden Unternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich genau überprüfen“, schätzt Fuhlrott die Folgen für die Arbeitgeber ein. 

Auch auf eBay gibt es Jobangebote in der Altenpflege für Ungeimpfte

Zu den neuen Regeln und den Auswirkungen in den Praxen und Kliniken äußert sich auch Claudia Loss, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft: „Eine Impfpflicht ist für die Beschäftigten im Gesundheitswesen nichts Ungewohntes. Schon heute gibt es Bestimmungen – etwa mit Blick auf Hepatitis B oder die Masern. Es ist schade, wenn sich Fachkräfte, die um diese Voraussetzung für ihren Beruf wissen, nun aufgrund einer neuen einrichtungsbezogenen SARS-CoV-2-Impfpflicht umorientieren möchten. Gleichzeitig bleibt in dieser Frage kein Spielraum: Angestellte, die mit dem Schutz vulnerabler Gruppen betraut sind, müssen verantwortungsvoll handeln.“

Grundsätzlich scheinen sich die von der Impfpflicht betroffenen Angestellten und Arbeitgeber auch an die Regeln zu halten. In anderen Jobportalen seien nur vereinzelt Anzeigen zu finden, in denen die neuen Bestimmungen unterlaufen werden. „Das sind wirklich Ausnahmefälle“, sagt Fuhlrott. Auch beispielsweise auf eBay gibt es Angebote für ungeimpfte Frauen und Männer, die in der Altenpflege arbeiten sollen.

„Wer ein ärztliches Attest erschleicht, dem drohen Kündigung und Geldbußen“

Arbeitsagentur-Sprecher Böhrnsen ordnet auch das Angebot des Portals Impffrei.work in Bezug auf dessen Marktmacht als eher unbedeutend ein: „In Hamburg werden auf dieser Seite aktuell vier ,alternative Jobangebote‘ für Ungeimpfte aufgeführt“, sagt der Sprecher der Arbeitsagentur. „Hamburger Unternehmen bieten über unsere Jobbörse dagegen derzeit über 12.000 Arbeitsstellen an: transparent, informativ, vorurteilsfrei und natürlich auch für ungeimpfte Arbeitsuchende.“

Die Impfskeptiker in den (Gesundheits-)Berufen beschäftigen derweil auch die Anwälte in zunehmendem Maße. „In den letzten Wochen verzeichnen wir vermehrt Anfragen“, sagt Fuhlrott – „sowohl von Einrichtungen in der Pflege- und Gesundheitsbranche als auch von einzelnen Beschäftigten. Einrichtungen möchten wissen, wie sie mit impfunwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verfahren können“. Insbesondere stehe die Frage im Vordergrund, wie bei Weigerungen reagiert werden könne und ob Kündigungen möglich seien.

Beschäftigte erkundigten sich zumeist danach, wie man „von der Pflicht entbunden werden könne“, so Fuhlrott. Allerdings seien dabei die Möglichkeiten sehr begrenzt: „Zwar gibt es eine gesetzliche Ausnahme bei einer gesundheitlichen Konstitution, die keine Impfung zulässt. Ob eine solche Ausnahme vorliegt, prüfen die Gesundheitsämter aber im Zweifel nach“, sagt Fuhlrott. Außerdem betont der Fachanwalt: „Wer ein solches ärztliches Attest mit unrichtigen Angaben erschleicht, dem drohen Kündigung und Geldbußen.“