Hamburg. Haushaltswaren-Anbieter Clas Ohlson schließt bis Mitte April alle Läden. Andere Unternehmen verlangsamen Expansionstempo.
Zum Schluss versuchen die Mitarbeiter von Clas Ohlson es mit Humor. Man könnte auch sagen Galgenhumor. „First Clas Räumungsverkauf“ steht in großen Buchstaben im Schaufenster der schwedischen Haushaltswaren-Kette am Jungfernstieg. Morgens warten hier jetzt oft schon die ersten Kunden darauf, dass sich die Türen öffnen. Es lockt ein ganzer Laden voller Schnäppchen. Rasenmäher, Lichterketten, Smartphone-Hüllen und Schreibhefte, alles um 33 Prozent reduziert. Eine Tabelle zeigt, was das in Euro und Cent heißt: Aus 4,99 Euro alter Preis werden 3,34 Euro, aus 79,99 Euro 53,59 Euro und aus 399 Euro 267,33. Die erste Etage des Ladengeschäfts im repräsentativen Streit’s-Haus ist schon leer. Vor der Rolltreppe hängt ein rot-weißes Absperrband. In den nächsten Wochen wird der Laden dicht gemacht.
Das hatten sich die Händler aus der schwedischen Provinz vor knapp drei Jahren ganz anders vorstellt. Der deutsche Markt biete hohes Potenzial, Hamburg sei wegen der Nähe zur Heimat der ideale Ort für die Erstansiedlung, hatte es in damals enthusiastisch geheißen. Als Zugabe brachte Clas Ohlson ein bisschen royalen Glanz mit. Keine 24 Stunden nach der Eröffnung der Filiale an Hamburgs edler Flaniermeile hatte Königin Silvia zum Bummeln vorbeigeschaut. Während sich mancher Hamburger noch wunderte, wie man mit Schrauben und Teelichten in bester Innenstadtlage Geschäfte macht, ging es Schlag auf Schlag.
Expansionstempo hat sich verringert
Clas Ohlson eröffnet noch im selben Jahr in den Einkaufszentren Mercado (Ottensen) und AEZ (Poppenbüttel). Ende 2017 ging der vierte Laden in der Mönckebergstraße an den Start. Zwölf Monate später kam die Notbremsung aus der Zentrale in Insjön. Eine erste Beurteilung der vier Pilotgeschäfte in Deutschland habe ergeben, dass die Filialen nicht in der Lage seien, die geplanten Ziele zu erreichen, hatte die neue Vorstandschefin und ehemalige Ikea-Managerin Lotta Lyrå damals gesagt und das Aus für die Expansionspläne angekündigt. 70 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Auch die Filialen in Großbritannien machen dicht.
Ein Einzelfall? In den vergangenen Jahren sind diverse Handelsketten aus Skandinavien an die Elbe gekommen — quasi in der Nachfolge von Platzhirschen wie Ikea, Lego und H&M. Doch inzwischen hat sich ihr Expansionstempo deutlich verringert. So hat etwa der dänische Deko-Anbieter Søstrene Grene gerade den Standort im Harburger Phoenix-Center geschlossen. Andere wie die Unterhaltungselektronik-Kette HiFi Klubben oder Sportausrüster Stadium haben Pläne für weitere Filialeröffnungen zunächst auf Eis gelegt.
„Erstaunliche Naivität“
Was aus BR-Spielwaren wird, ist noch nicht klar. Für die deutsche Tochter der ebenfalls angeschlagenen dänischen Muttergesellschaft wurde am 1. März das Insolvenzverfahren eröffnet. Aktuell läuft der Betrieb in den Filialen, darunter zehn in Hamburg, ohne Einschränkungen weiter. Parallel werde ein Investorenprozess durchgeführt mit dem Ziel, einen neuen Gesellschafter zu finden, so Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus auf Anfrage des Abendblatts.
Die Einschätzungen, was hinter den Entwicklungen steht, gehen auseinander. „Der Markt in Skandinavien funktioniert anders“, sagt etwa Jan Scherping, der als Personalberater bei der TGMC Management Consulting auf Firmen aus Nordeuropa spezialisiert ist. „Es gibt viele positive Beispiele. Aber ich stelle in einigen Unternehmen eine erstaunliche Naivität fest.“ Dabei spiele die Größe Deutschlands mit zehn Mal so vielen Menschen und deutlich mehr Metropolen ein wichtige Rolle.
Experte kann noch keinen Trend erkennen
„Man ist im Heimatland marktbestimmend, vielleicht auch noch in einem nordischen Nachbarland. Und dann geht man ins große Umsätze versprechende Deutschland, unterschätzt aber völlig die Komplexität des deutschen Marktes“, so Scherpings Analyse. Hierzulande sei der Kuchen verteilt, Preise und Konditionen nahezu ausgereizt. „Unbekannte Marken müssen sich ihre Wertschätzung und ihren Platz erst noch erarbeiten.“ Produkte rund ums Haus, wie sie Clas Ohlson anbiete, kauften deutsche Kunden nicht in der Innenstadt sondern eher im Baumarkt am Stadtrand.
Heiner Schote, stellvertretender Geschäftsführer der Hamburger Handelskammer, meint dagegen : „Ich kann noch keinen Trend erkennen.“ Zahlreiche skandinavische Händler hätten in den vergangenen Jahren Hamburg als ersten Standort ausgewählt, um den deutschen Markt zu testen. „Manche rollen ihr Geschäft danach weiter aus. Andere überdenken ihre Expansionsziele.“ Aus Sicht des Handelsexperten sei das weniger ein Thema, das mit den Herkunftsländern der Unternehmen zu tun habe.
Druck durch Online-Handel
„Der Druck auf den stationären Handel ist wegen der wachsenden Bedeutung des Online-Handels groß. Die Kunden erwarten ein gutes Konzept, ein umfangreiches Sortiment und fachliche Beratung.“ Insgesamt gibt es laut Handelskammer aktuell etwa 100 Unternehmen aus Skandinavien, mit einer Niederlassung in Hamburg. Spitzenreiter ist Dänemark mit 33 Firmen, gefolgt von Schweden (30), Norwegen (19) und Finnland (14).
Die Wohnaccessoires- und Einrichtungsläden der Kette Søstrene Grene aus dem dänischen Aarhus, haben eine besonders rasante Performance in Deutschland hingelegt. Das Sortiment, was sich am ehesten mit dem Begriff „hygge“ – was so viel bedeutet wie gemütlich – beschreiben lässt, umfasst 700 Artikel und hat eine vor allem weibliche Fangemeinde. Seit 2016 wurden in Hamburg sechs Filialen eröffnet, bundesweit sind es inzwischen 40. Ende der Woche kommt der erste Søstrene-Grene-Laden in Flensburg dazu. Zu den Gründen für die Schließung im Phoenix-Center sagt Mogens Link Schmidt, Geschäftsführer Søstrene Grene Deutschland Nord & Ost: „Aber es hat sich herausgestellt, dass das Phoenix-Center nicht ideal zum Ladenkonzept gepasst hat. Daher haben wir uns dazu entschieden, diesen Store zu schließen.“ Normalerweise seien Schließungen bei Søstrene Grene eine Seltenheit.
Stadium hat keine Pläne für neue Standorte
Auch HiFi Klubben war 2016 mit großen Plänen und der ersten Filiale an der Stadthausbrücke in Hamburg gestartet. Im Folgejahr eröffneten die Sound-Experten zwei weitere Standorte in Ottensen und Eppendorf. Die Planung für einen weiteren Laden in Wandsbek wurde nicht umgesetzt. Stattdessen expandierte HiFi Klubben, die in Dänemark, Schweden, Norwegen und den Niederlanden mehr als 100 Mal vertreten sind, in Köln und Bonn. „Das Geschäft läuft gut“, betont Deutschland-Chef Erik Wasa. Die Kunden schätzten vor allem die guten Preise und die Fünf-Jahres-Garantie auf Produkte wie TV-Geräte, Lautsprecher oder Verstärker. Für dieses Jahr ist keine weitere Eröffnung geplant. Aber, so Wasa, er sei zuversichtlich, das Ziel von 55 Filialen in Deutschland langfristig zu erreichen. „Unser Geschäftsmodell ist sehr beratungsintensiv und lässt sich nicht nur online betreiben.“ Das unterscheide HiFi Klubben von Händlern wie etwa Clas Ohlson.
Die Sportartikel-Kette Stadium dagegen setzt auf den Status Quo. „Der deutsche Markt war für uns völlig neu und wir haben in relativ kurzer Zeit drei Läden eröffnet. Das stellt unserer Meinung nach, mit einer in Deutschland völlig neuen Marke, eine ziemlich schnelle Expansion dar“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Pläne sich aus Deutschland zurückzuziehen, schloss sie aus. Die Kreativbedarf-Kette Panduro, ebenfalls Vertreter der expansionsfreudigen Firmen aus Skandinavien, betreibt drei Läden in Hamburg. Diese sind laut Internetseite geöffnet, der deutsche Online-Shop ist dagegen seit Mai dicht.
Wie lange man in Hamburg noch bei Clas Ohlson einkaufen kann, ist nicht sicher. „Bis Mitte April sollen alle Läden in Hamburg geschlossen sein“, sagt Marketing-Managerin Wiebke Krone. Vielleicht ist auch schon vorher alles leer gekauft. „Buy-Buy Hamburg“, das Motto der Sale-Aktion, ist offenbar eine lohnende Offerte. Man wolle sich danach außerhalb der Heimatmärkte auf den Online-Handel konzentrieren, so Krone.