Hamburg. Statt Zinsen zu zahlen, verlangen viele Banken “Verwahrentgelte“. Der Krieg gegen die Ukraine sorgt dazu für Unsicherheit.

Für alle, die auf Zinsen auf dem klassischen Sparbuch, Tages- oder Festgeld setzen, herrschen unverändert eisige Zeiten. Viele Banken zahlen überhaupt keine Zinsen mehr und verlangen stattdessen sogar sogenannte Verwahrentgelte. Und auch die Konditionen vor allem ausländischer Spezialbanken reichen nicht aus, um die hohe Inflation auch nur annähernd auszugleichen.

Der Krieg in der Ukraine verschärft die Kursturbulenzen am Aktienmarkt. Wie können Negativzinsen vermieden werden? Welche Zinsen können bei sicheren Anlagen noch erzielt werden? Wann kommt die Zinswende? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie verbreitet sind Negativzinsen?

Gegenwärtig verlangen 561 Geldinstitute Negativzinsen, ermittelte das Verbraucherportal Biallo. Darunter sind die Hamburger Sparkasse (Haspa), die Sparda-Bank Hamburg, Postbank, Commerzbank und Deutsche Bank (siehe Grafik). Insgesamt sind die Negativzinsen in Norddeutschland unterschiedlich verbreitet. In Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kassieren knapp 52 Prozent der Geldinstitute das sogenannte Verwahrentgelt, meist wenn die Einlagesumme von 50.000 Euro pro Kunde überschritten ist. In Bremen und Niedersachsen sind es nur 32 Prozent der Banken.

Während Neukunden keine Wahl haben, müssen die Negativzinsen mit Bestandskunden extra vereinbart werden. Die meisten Banken wollten in der Abendblatt-Umfrage aber keine Angaben machen, wie viel Prozent der Bestandskunden inzwischen davon betroffen sind. Die Targobank will Bestandskunden vom 1. Mai an zu Negativzinsen heranziehen, wenn auf dem Giro-, Spar- und Tagesgeldkonto mehr als 50.000 Euro liegen.

Warum gibt es Negativzinsen?

Die Banken rechtfertigen diese Praxis, weil sie auch bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für geparktes Geld Strafzinsen in Höhe von 0,50 Prozent entrichten müssen. Der Einlagenzins der EZB liegt bei 0,50 Prozent und der Leitzins bei null Prozent.

Sind Negativzinsen rechtens?

Das ist umstritten, aber die Banken setzen die Praxis fast flächendeckend um, weil ihnen die hohen Einlagen beträchtliche Kosten verursachen – und die Gerichte entscheiden unterschiedlich. „Aus unserer Sicht sind Negativzinsen nicht gerechtfertigt, schon gar nicht auf dem gebührenpflichtigen Girokonto und erst recht nicht auf dem Sparbuch“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Verbraucherschützer haben die Commerzbank verklagt, weil sie auch für das Sparbuch (Sparkonto) Negativzinsen verlangt. „Doch bisher gibt es noch nicht einmal einen Verhandlungstermin“, sagt Klug.

Dennoch zeichnet sich bei Gerichtsentscheidungen in erster Instanz ab, dass zumindest Negativzinsen auf das Girokonto nicht zulässig sind. So hatte zuletzt das Landgericht Düsseldorf in einer Entscheidung gegen die Volksbank Rhein-Lippe geurteilt, die Negativzinsen ab 10.000 Euro von Neukunden forderte. Nach Auffassung des Landgerichts darf ein Kreditinstitut kein Verwahrentgelt zusätzlich zu Kontoführungsgebühren berechnen (Az.: 12 O 34/ 21). Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Zuvor hatte bereits das Landgericht Berlin die Verwahrentgelte der Sparda-Bank Berlin für Tagesgeld- und Girokonten für unzulässig erklärt (Az. 16 O 43/21). Da die Banken meist in Berufung gehen, „kann es noch Jahre dauern, bis ein höchstrichterliches Urteil zu den Negativzinsen vorliegt“, sagt Klug. Erst dieses Urteil hätte dann für alle Kunden Bedeutung.

Werden Banken sofort auf Negativ­zinsen verzichten, wenn diese von der EZB nicht mehr erhoben werden?

Von den vom Abendblatt befragten Banken bekennen sich nur die Haspa, die Sparkasse Holstein und die Sparda-Bank Hamburg mit einem klaren Ja dazu. Die anderen Institute wollen dann lediglich überprüfen, ob die Konditionen geändert werden können. „Wir werden uns dann dazu äußern, wenn die Negativzinsen tatsächlich abgeschafft sind“, sagt ein Sprecher der Commerzbank.

Kommt bald eine Zinswende?

Bisher konnten Sparer darauf hoffen, dass die steigenden Inflationsraten bald eine Zinswende bei der EZB auslösen und Leitzins und Einlagenzins steigen. Damit wären Negativzinsen Ende des Jahres oder spätestens Anfang 2023 vom Tisch gewesen. Mit dem Krieg in der Ukraine­ und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Problemen ist das aber nicht mehr so sicher.

„Die EZB ist in einem Dilemma, weil die Ereignisse eher noch die Inflation weiter befördern“, sagt Bernd Schimmer, Wertpapierstratege der Haspa. „Dennoch glaube ich, dass die Notenbank die Stabilität des Finanzsystems und damit auch die der Realwirtschaft höher einschätzt als das Erreichen von Inflationszielen.“ Eine Zinserhöhung durch die EZB könnte sich noch länger hinziehen als von vielen Experten erwartet. Damit blieben auch die Negativzinsen. „Die Sparzinsen sind stark von der EZB abhängig“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. „Es gibt ein Überangebot an Spar­geldern, sodass ich zunächst keine steigenden Zinsen erwarte.“

Wie vermeide ich Negativzinsen?

Negativzinsen muss niemand zwingend für sein Geld bezahlen, denn es gibt Alternativen. „Zunächst sollte man prüfen, ob man die Geldbeträge auf verschiedene Banken verteilen kann“, sagt Verbraucherschützerin Klug. „Danach kann man Angebote bei anderen Banken prüfen, die noch Zinsen zahlen.“

Wie hoch sind die Zinsen noch?

Konzentriert man sich auf Angebote aus Ländern mit gutem Rating, so sind für eine Anlagedauer von einem Jahr Zinsen zwischen 0,5 und 0,7 Prozent möglich. Auch für einen Anlagezeitraum von zwei oder drei Jahren fallen die Zinsen nicht höher aus. Für Tagesgeld, über das jederzeit verfügt werden kann, gibt es nur 0,1 bis 0,2 Prozent an Zinsen. Einen Überblick über entsprechende Angebote bieten die Seiten: www.zinspilot.de und www.weltsparen.de Auch die Deutsche Bank und die Haspa bieten ihren Kunden Sparangebote von anderen Banken an.

Was sollte man beachten?

greift die europäische Einlagensicherung bei allen Banken, die in Deutschland ihre Sparofferten anbieten. Im Pleitefall einer Bank sind 100.000 Euro pro Anleger geschützt. Banken mit deutscher Niederlassung haben zum Teil noch eine höhere Absicherung. Bei der Auswahl der Angebote mit den höchsten Zinsen für verschiedene Laufzeiten (siehe Grafik) haben wir uns auf Angebote von Banken aus Ländern mit einem A-Rating beschränkt, was für sehr gute bis gute Bonität steht. Russische Banken sollte man wegen der aktuellen Lage meiden.

„Wegen der niedrigen Zinsen würde ich mich nicht länger als zwei Jahre binden“, sagt Herbst. Verbraucherschützerin Klug verweist auf Sparangebote wie das der Hanseatic Bank aus Hamburg, die man vorzeitig kündigen kann. Der Sparbrief Dynamik mit Zinsen bis zu 0,40 Prozent hat nur eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Bei der Bausparkasse Mainz gibt es bis zu einem Prozent Zinsen. Auch hier kommt man nach einem Jahr wieder an sein Geld. Die Verzinsung liegt dann aber nur bei 0,10 Prozent.

Wie arbeiten Vermittlerportale?

Viele Angebote können nicht direkt über die Internetseite der Bank, sondern nur über die Vermittlerportale Weltsparen und Zinspilot abgeschlossen werden. Bei diesen Vermittlerplattformen gibt es Tages- und Festgeldangebote von rund 160 vorwiegend ausländischen Banken aus Europa. Die Zinsen sind deutlich höher als bei Filial- und Direktbanken in Deutschland. Der Kunde muss sich einmal registrieren und eröffnet ein Verrechnungskonto bei einer deutschen Bank, mit denen die Portale zusammenarbeiten. Von dort wird dann das Geld an die jeweilige Bank überwiesen, bei der angelegt werden soll, und nach Ablauf fließt es wieder auf das Verrechnungskonto zurück.

Der Vorteil ist, dass sich der Kunde nicht für jedes neue Zinsangebot legitimieren muss. „Weltsparen arbeitet ausschließlich mit voll lizenzierten Finanzinstituten zusammen, die der Einlagensicherung unterliegen und sowohl der jeweiligen Bankenaufsicht des Landes als auch weiteren Kontroll­gremien unterstehen“, sagt Unternehmenssprecherin Nicole Breforth.