Wedel. Fünf Fragen, fünf Antworten: Letzter Teil der Wahlserie zur Bürgermeisterwahl in Wedel am 6. März.

Die drei Kandidaten für die Bürgermeisterwahl in Wedel, Niels Schmidt, Tobias Kiwitt und Gernot Kaser (alle parteilos), beantworten Fragen des Abendblatts zu den drängenden Themen in der Stadt.

Die Fragen:

1. Die finanzielle Lage der Stadt ist schlecht. Welche Fehler sind gemacht worden? Welche Maßnahmen könnten kurz-, mittel- und langfristig helfen? In welchen Bereichen böte sich auch in der Verwaltung Einsparungspotenzial?

2. Der Pharmakonzern AstraZeneca zieht nach dem Ende der Produktion in Wedel nun auch mit der Verwaltung nach Bahrenfeld. Ein riesiges Loch bei den Gewerbesteuereinnahmen entsteht. Wie kann sich Wedel unabhängiger machen von solchen „Big Playern“? Wie sieht ihr gewerblicher Masterplan aus?

3. Der Businesspark am Elbufer ist seit Planungsbeginn ein juristischer Zankapfel. Wie kann das Projekt noch ein echter Erfolg werden?

4. Welche Maßnahmen könnten getroffen werden, um Wedel in eine klimafreundliche Zukunft zu führen? Und wie ist diese überhaupt finanzierbar? Welchen Stellenwert hat das Auto dabei noch?

5. Macht die Stadt Wedel noch genug für den Naturschutz? Wie kann der Spagat aus Neubauten und Erhaltung der Landschaften gelingen? Wächst die Stadt zu schnell?

Tobia Kiwitt (42)

Antwort 1: Das Millionengrab „Hafen“ kostet selbst im ungenutzten Zustand jährlich 52.000 Euro allein für das Entschlicken. Die Haushaltskrise hat einen Namen: Schmidt. Selbst die CDU, die in vorherigen Wahlkämpfen zu dem amtierenden Bürgermeister gehalten hat, kritisiert den neuen Haushalt als einen „Katastrophenhaushalt“ – und gibt überraschenderweise doch eine Wahlempfehlung pro Schmidt. Auch ließe sich meiner Meinung nach durch eine vorausschauende Schulbaupolitik sparen. Die Anmietung von Schulcontainern und der Bau von Containersockeln (110.000 Euro je Sockel) kosten, nur weil nicht rechtzeitig in die Sanierung und den Schulausbau investiert wurde. Es wird dadurch alles noch teurer. Einsparpotenzial in der Verwaltung gibt es definitiv. Ein Beispiel habe ich sofort: Die Dienstlimousine des Bürgermeisters, die jährlich neu geleast wird und nur von ihm genutzt wird. Ich werde als Bürgermeister das Amt autofrei ausüben.

Antwort 2: Vor 25 Jahren war Wedel die finanzstärkste Stadt Schleswig-Holsteins. Heute ist sie hoch verschuldet. Immer wieder sind Großunternehmen aus Wedel abgewandert, aber nicht genug kleine und mittelständische Unternehmen gekommen. Wedel hat sich zu lange auf die großen Steuerzahler verlassen. Nun, mit dem Weggang von AstraZeneca (nachdem man dem Konzern nicht Flächen etwa vom gegenüberliegenden freien Elbufer angeboten hat) geschieht das Erwartbare: Extremes Haushaltsloch.

Ein breiter Mix an Unternehmen ist versäumt worden. An Nachfrage mangelt es im Kreis Pinneberg nicht, aber die Rahmenbedingungen müssen in Wedel gesetzt werden. Ich werde eine Gründerkultur etablieren und Schlüsseltechnologien herholen. Der Kreis Nordfriesland macht es vor. Wir brauchen die Technologien der Zukunft und mehr kleine und mittelständische Unternehmen in der Stadt.


Antwort 3:
Auch hier ist viel Geld verloren gegangen: Unsinnige und durch die Stadt verlorene Rechtsstreitigkeiten mit Rissen und Anwohnern. Hier hätte frühzeitig eine Mediation und eine Verständigung erfolgen müssen. So haben wir jetzt sehr viel Zeit verloren, die uns weitere Steuerausfälle bedeutet. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir in Wedel ein Gründerzentrum erhalten und viele junge Gründer anlocken.


Antwort 4:
Mein Ziel: eine klimaneutrale Stadt bis zum Jahr 2030. Dazu werde ich noch für diesen Sommer zu einem breiten Klimadialog einladen. Bis Jahresende wird gemeinsam ein Plan erarbeitet. Das Schöne daran ist: Es ist auch finanzierbar. Klimaneutralität wird zum einen durch Bundesmittel gefördert, zum anderen setzt das Programm auf die Initiative der Bevölkerung. Wer in fossilfreie Wärmeversorgung einsteigen möchte, wird dazu eingeladen. Nach und nach wird die gesamte Stadt frei von fossilen Energieträgern. Zudem setze ich auf mehr E-Ladestationen, gerade in den Wohngebieten, mehr Fahrradwege und den ÖPNV-Ausbau. Ich lebe selbst autofrei.


Antwort 5:
Wir brauchen mehr Grünflächen in der Stadt. Ich setze mich zudem für einen strukturelles Wachstum der Stadt ein. Von Betonklötzen, die innerhalb kurzer Zeit hochgezogen werden und womöglich sogar einen ganzen Stadtteil Wedel-Nord ausmachen sollen, halte ich nichts. Nur gesundes Wachstum ist gut für eine Stadt.

Gernot Kaser (59)

Antwort 1: Ja, die finanzielle Lage ist dramatisch. Seit 18 Jahren werden kontinuierlich Schulden gemacht, die Stadt hat über ihre Verhältnisse gelebt. Bei Großprojekten wie den Hafen, Businesspark, Wedel-Nord, wurde viel zu lange und „unglücklich“ geplant und sehr viel Geld buchstäblich in den Sand gesetzt. Es geht jetzt darum, dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht noch weiter auseinandergeht. Wir müssen sparen und die laufenden Einnahmen erhöhen. Das heißt Schaffung einer höheren Effizienz verwaltungstechnischer Abläufe (Prozessoptimierung und Digitalisierung), eine strengere Projekt- und Kostenverfolgung, intensivere Vermarktung von Wedel, Optimierung der Unterstützung potenzieller Investoren usw. Ich werde ehrliche und realistische Haushaltsentwürfe vorlegen.


Antwort 2: Wir müssen die ansässige Wirtschaft mit Anreizpaketen unterstützen durch beispielsweise kostengünstigen Lieferservice, Hilfe beim Aufbau von Online-Shop, Beratung bei Fördermöglichkeiten, gemeinsamer Online-Marktplatz, Locken mit Kunst und Kultur, Unterstützung in Social-Media-Bereichen. Anderseits durch Attraktivitätssteigerung von Wedel, mit bezahlbarem Wohnraum, wirtschaftliche Leitbildentwicklung, Energie- und Ressourceneffizienz, integrierte Mobilitäts- und Logistikkonzepte, übergeordnetes Gewerbemanagement, Kinderbetreuung sowie Sozial- und Freizeiteinrichtungen, innovative Preis-, Gebühren- und Umlagesysteme. Und ganz wichtig: Durch ein intelligentes, überregionales Akquise- und Marketingkonzept.


Antwort 3: Ein Großteil der Antworten ergeben sich schon aus der Frage 2. Es gilt vor allem, verstärkte überregionale Akquisitionsbemühungen unter anderem auch mit Handels- und Handwerkskammern und Wirtschaftsverbänden durchzuführen. Schaffung eines speziellen ÖPNV-Konzeptes inklusive zweiter S-Bahn-Station, Schaffung eines unterschiedlichen Branchenmixes, Service für neue Unternehmen (Konferenz und Meetingräume, Hausmeisterservice), perfekte digitale Infrastruktur, Co-Working-Räume und anderes mehr. Wichtig: Ein sehr enger Schulterschluss mit den Investoren.

Antwort 4: Es gibt bereits ein sehr detailliertes Klimaschutzkonzept, in welchem die Ziele, die Strategie und die Maßnahmen inklusive Fahrplan entwickelt wurden. (Energieversorgung, Effizienzprozesse für Gebäude, Finanzierung, Mobilitätswende, Bürgerbeteiligung usw.).

Ich werde verstärkt den Ausbau der Radwege und des ÖPNV forcieren. Leider wurde bis heute keines dieser Ziele nur annähernd erreicht. Da wir ein neues Gesetz seit dem 12. Februar 2021 haben (EWKG), werde ich das integrierte Klimaschutzkonzept jetzt angehen und umsetzen. Wir haben kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Bezüglich der Finanzierung kann ich erst dann etwas sagen, wenn ich Bürgermeister bin.


Antwort 5: Neubauten lassen sich nicht vermeiden, wir brauchen in Zukunft bezahlbaren Wohnraum. Das Thema Neubauten und Flächenfraß ist ein zweischneidiges „Schwert“. Es gibt vom Bund Vorgaben, dass maximal 30 Hektar pro Tag verbaut werden dürfen. Gerade im Sinne einer Nachhaltigkeitsstrategie, des Artenschutzes, aber auch der Sicherung von „Wohlfühloasen“ muss eine Stadt sehr darauf achten. Das bedeutet, dass in Zukunft zusätzlich mehr in Ortskerne investiert werden muss. Es werden Erschließungsgebühren gespart, man sorgt für eine Mischung von Jung und Alt, und der Flächenverbrauch wird auf Null reduziert.

Genug für den Naturschutz? Jein, unter anderem der Nabu und der BUND leisten in Wedel sehr gute Arbeit. Aber z. B. beim Abholzen alter Bäume haben wir noch nicht das Verständnis im Sinne einer guten C02-Bilanzierung.

Niels Schmidt (61)

Antwort 1: Auf den Punkt gebracht: Wedel lebt seit vielen Jahren über seine Verhältnisse. Es muss eine politische Priorisierung der Politikfelder beschlossen werden, damit klar ist, welche Bereiche kaum für Leistungskürzungen infrage kommen, aber auch welchen Bereichen weniger Bedeutung zukommen soll. Gerade bei Leistungsausweitungen muss es zukünftig auch mal ein Nein geben. Die Schwankungsanfälligkeit der Einnahmeseite muss reduziert werden, damit die laufenden Aufwendungen in hohem Maße von schwankungsarmen Einnahmen (Grundsteuer, Einkommenssteuer) gedeckt werden. Hier wurden erste Schritte eingeleitet. Jetzt müssen nach der oben angeführten Priorisierung dann auch Leistungskürzungen angegangen werden. Dort wo Einsparungspotenzial in der Verwaltung gesehen wird, wird es auch umgesetzt. Beispiel: Wir werden die Vollstreckung an den Kreis Pinneberg auslagern und damit rund 100.000 Euro im Jahr sparen.


Antwort 2: Durch verstärkte Ansiedlung mittelständischer Unternehmen. Das senkt das Risiko durch Diversifizierung und bietet Entwicklungspotenzial. Hier bietet uns unser Bestand an Gewerbeflächen Chancen. Natürlich würden wir uns auch dem Ansiedlungswunsch eines „Big Players“ intensiv widmen. Wichtig ist aber auch die Bestandspflege und die Bindung unserer erfolgreichen Unternehmen an den Standort Wedel. Deshalb arbeiten wir derzeit intensiv am Projekt der Medac auf dem Theaterparkplatz. Der Masterplan zusammengefasst: Förderung von Start-ups, Akquise von mittelständischen Unternehmen und intensive Bestandspflege.


Antwort 3: Der juristische Streit ist Ende letzten Jahres beigelegt worden, der Bebauungsplan ist rechtskräftig, und wenn nach zwei Jahren Corona auch das Investitionsgeschehen in der Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, werden die Grundstücksverkäufe zunehmen. Das zeigen auch die Anfragen. Da wir den Business-Park auf Grund der Regelungen mit dem Exxon-Konzern nicht finanzieren mussten, bin ich da ganz entspannt, zumal wir derzeit als einzige Kommune im Kreis eine derart große Gewerbefläche vorhalten. Ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass das geplante Gründerzentrum des Kreises im Business-Park angesiedelt wird. Wir würden uns mit einem Grundstück einbringen.


Antwort 4: Für mich stehen die Umsetzung des Mobilitätskonzeptes mit einer Stärkung des Umweltverbundes und das Thema Energie-und Wärmeversorgung im Vordergrund, welches man über die Bauleitplanung beeinflussen kann. Das Auto wird noch lange einen Stellenwert haben, wobei der Zug in den nächsten Jahren Richtung E-Mobilität rollen wird. Hierzu müssen wir Ladeinfrastruktur ausbauen.


Antwort 5: Es gibt natürlich ein Spannungsfeld zwischen Flächenverbrauch und dem Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Diesen hat der Rat mit Wedel-Nord in seiner Abwägung zugunsten des Wohnraums entschieden. Im Masterplan ist aber dem Wohnen im Grünen und neuen Verkehrsformen ein besonderes Augenmerk gewidmet. Das muss im B-Plan-Verfahren vertieft werden. Nach Wedel-Nord sollten wir erst einmal innehalten. Ansonsten tut Wedel aus meiner Sicht viel für den Naturschutz.