Hamburg. Immer mehr Hamburger zahlen zusätzlich Geld in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Ob und wann sich das lohnt: Rechenbeispiele.

  • Extra-Zahlungen in die Rentenversicherung können sich lohnen
  • Es gibt Bedingungen für die vorzeitige Rente
  • Ab 50 Jahren sind Ausgleichszahlungen möglich

Immer mehr Hamburger nutzen freiwillige Ausgleichszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung, um früher in Rente zu gehen und Rentenabschläge zu vermeiden. Ihre Zahl hat sich seit 2017 mehr als versechsfacht. Das ergibt sich aus Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), die dem Abendblatt exklusiv vorliegen. Ähnlich fällt die Steigerung auch in Schleswig-Holstein aus. In Niedersachsen hat sich die Zahl versiebenfacht. Was kostet der frühere Ruhestand, und was ist zu beachten? Das Abendblatt hat nachgerechnet.

Früher in Rente, als es die Regelaltersgrenze vorsieht, ist immer noch ein großer Wunsch. 63 Prozent der Erwerbstätigen wollen nicht länger als bis zum 63. Lebensjahr arbeiten, ergab eine Umfrage von Das Demografie Netzwerk (ddn). Abhängig vom Geburtsjahrgang liegt die Regelaltersgrenze ohne Abschläge bei 67 Jahren. Bei der Mehrheit der Erwerbstätigen gebe es nach wie vor keine Bereitschaft, bis zum derzeit gültigen Renteneintrittsalter zu arbeiten, sagt ddn-Vorstandsmitglied Niels Reith. Nur knapp 16 Prozent aller Erwerbstätigen können sich vorstellen, bis zum Alter von 67 Jahren zu arbeiten.

Rente: Wie Hamburger früher ohne Abschlag sie beziehen können

Das geht offensichtlich auch vielen Hamburgern so. Knapp 2000 künftige Rentner haben 2022 (aktuellere Daten liegen nicht vor) solche Zahlungen zum Ausgleich einer Rentenminderung geleistet. Gegenüber dem Vorjahr hat sich ihre Zahl fast verdoppelt. In absoluten Zahlen mag das wenig erscheinen, aber gemessen an allen gesetzlich Rentenversicherten ist der Anteil (0,19 Prozent) in Hamburg überdurchschnittlich hoch im Bundesvergleich. Hamburg liegt gleichauf mit Baden-Württemberg, nur in Hessen (0,20 Prozent) machen noch mehr Versicherte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Bundesweit sind es rund 68.000 Versicherte.

Einerseits wird das Thema für gesetzlich Versicherte erst virulent, wenn sie das 50. Lebensjahr erreicht haben, und anderseits sind meist fünfstellige Beträge erforderlich, um die Rentenabschläge zu mindern oder ganz auszugleichen. „Außerdem muss absehbar sein, dass bis zum geplanten vorzeitigen Rentenbeginn auch mindestens 35 Versicherungsjahre erreicht werden“, sagt Gundula Sennewald von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Mit 50 Jahren sollten also am besten schon 22 Jahre rentenrelevante Zeiten vorhanden sein.

35 Versicherungsjahre sind mindestens für die vorzeitige Rente notwendig

Auf die 35 Jahre werden alle rentenrechtlichen Zeiten angerechnet, also nicht nur Beitragsjahre. Auch Kindererziehungszeiten für die ersten 2,5 beziehungsweise drei Lebensjahre werden berücksichtigt, ebenso Zeiten der Schulausbildung oder des Studiums oder Zeiten, in denen selbst keine Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden konnten, weil man krank oder arbeitslos war.

Jeder Monat früher in den Ruhestand verringert die Rente um 0,3 Prozent. Maximal kann der Abschlag 14,4 Prozent betragen. Das trifft dann auf die ab 1964 Geborenen zu, die schon mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen möchten. Die Rentenabschläge bleiben ein Leben lang bestehen und nicht nur bis zum regulären Rentenalter.

Vorzeitiger Ruhestand ohne Abschläge mit 45 Versicherungsjahren möglich

Wer allerdings auf 45 Versicherungsjahre kommt, kann abhängig vom Geburtsjahr auch ohne Abschläge früher in den Ruhestand gehen. Beim Jahrgang 1962 ist die ungekürzte Rente dann mit 64 Jahren und acht Monaten möglich. Ob mit oder ohne Abschläge: Niedriger fällt die Rente in jedem Fall aus, denn es fehlen die Beiträge aus den Jahren, in denen der Versicherte schon vorzeitig im Ruhestand ist.

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Bei einer angenommenen Rente von monatlich 1600 Euro und einem drei Jahre früheren Rentenbeginn beträgt der monatliche Abschlag 173 Euro. Die Bruttorente verringert sich also auf 1427 Euro. Davon gehen noch Beiträge für die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung ab, und auch Einkommensteuer wird später meist fällig. Die Stiftung Warentest beziffert den Anteil für Sozialabgaben und Steuern auf etwa 20 Prozent. Dann verbleiben monatlich noch 1142 Euro netto.

Rentenabschläge auszugleichen kostet fünfstellige Beträge

Um die Abschläge für diese drei Jahre auszugleichen, wäre eine Zahlung von 43.467 Euro erforderlich. Wer mit dieser Rentenhöhe vier Jahre vorzeitig in den Ruhestand möchte, muss schon mit einer Ausgleichszahlung von rund 60.400 Euro rechnen, um monatlich 230 Euro weniger Rente auszugleichen. Bei einer angenommenen Rente von 2400 Euro und vier Jahre früherem Rentenbeginn sind es sogar 90.590 Euro (s. Tabellen).

Wie erfährt man Abschläge und mögliche Ausgleichszahlungen? Darum kümmert sich auf Anfrage die DRV „Wir berechnen dann die voraussichtliche persönliche Rente, wie hoch die Rentenminderung ausfällt und in welcher Höhe Ausgleichszahlungen geleistet werden können“, sagt Sennewald von der DRV. Dazu ist über das Formular V0210, das auf der Internetseite der DRV zu finden ist, ein entsprechender Antrag zu stellen. „Eine schnelle Bearbeitung des Antrages setzt aber voraus, dass das Rentenkonto bereits vollständig geklärt ist, also keine Lücken über Versicherungszeiten noch bestehen“, sagt Sennewald.

Ab 50 Jahren sind Ausgleichszahlungen für eine frühere Rente möglich

Es lohnt sich, früh mit dem Thema zu beschäftigen, ab 50 Jahren sind Ausgleichszahlungen möglich, vorausgesetzt, man hat das Geld dafür. Denn nach dem Bescheid der Rentenversicherung muss es schnell gehen. „Die Versicherten haben dann drei Monate Zeit, mögliche Ausgleichszahlungen ganz oder teilweise zu zahlen, das kann auch in Teilbeträgen geschehen. So lange ist diese Auskunft gültig“, sagt Sennewald. Eine Verpflichtung zur Zahlung gibt es aber nicht.

Versäumt man die Frist, wird ein neuer Antrag fällig, und das bedeutet meist, dass auch höhere Ausgleichszahlungen fällig werden. Denn die Kosten für den Ausgleich steigen fast jedes Jahr, da auch die Durchschnittseinkommen steigen. Wer also die Ausgleichszahlungen mit Anfang 50 schon leisten kann, kommt besser weg, als wenn er das erst mit Ende 50 macht. Um Steuern zu sparen, sind ohnehin Zahlungen über mehrere Jahre empfehlenswert.

Ausgleichszahlungen können steuerlich abgesetzt werden

Auch wenn die Ausgleichszahlungen hoch sind, zum Teil kann man das Finanzamt daran beteiligen. Denn sie mindern das zu versteuernde Einkommen. In diesem Jahr liegt die Förderhöchstgrenze bei 27.566 Euro. Für Ehepaare verdoppelt sich der Betrag. Bei einem jährlichen Bruttoverdienst von 60.000 Euro zahlen Angestellte zusammen mit ihrem Arbeitgeber 11.160 Euro an Rentenpflichtbeiträgen. Damit ist der Förderrahmen für dieses Jahr bereits zu gut 40 Prozent ausgeschöpft. Maximal 16.406 Euro können noch an die Rentenkasse überwiesen werden.

Bei größeren Beträgen kann es also lohnen, die Zahlungen auf mehrere Jahre aufzuteilen, auch wenn dann die Ausgleichszahlungen gestiegen sind. Denn bei einem Bruttoeinkommen von 60.000 Euro und einer Ausgleichszahlung von rund 57.000 Euro übernimmt das Finanzamt nach Berechnungen der Stiftung Warentest rund ein Drittel der Einzahlungen.

Rente: Risiken bedenken: Bei frühem Tod oder Scheidung verpuffen die Ausgleichszahlungen

Nach übereinstimmenden Berechnungen von Finanzfachleuten und der Stiftung Warentest sind die Einzahlungen sehr rentabel. Die Rendite liegt – je nach persönlicher Lebenssituation – bei etwa 2,5 bis vier Prozent. Und wenn man es sich nach der Einzahlung doch anders überlegt und länger arbeitet? Dann ist das Geld nicht verloren, sondern die eingezahlten Sonderbeiträge erhöhen die spätere Rente.

Auch eine zusätzliche Investition in die Rentenkasse ist nicht ohne Risiken: Die Ausgleichszahlung verpufft, wenn man früh verstirbt. Allenfalls können Hinterbliebene noch über eine Witwenrente profitieren. Bei einer Scheidung muss ein Teil der so aufgestockten Rente in Ausgleichsverfahren wieder abgegeben werden. Schließlich können auch die Regeln für die gesetzliche Rente durch den Gesetzgeber verändert werden.