Hamburg. 80 Prozent vom letzten Nettoeinkommen als Rente sind das Ziel. Selbst Gutverdiener müssen dafür etwas tun. Was sinnvoll sein kann.

Wenn das 50. Lebensjahr überschritten ist, rückt die Rente näher, zumindest gedanklich. Spätestens jetzt sollte man sich mit dem finanziellen Auskommen im Ruhestand beschäftigen. Wie hoch fällt die gesetzliche Rente aus? Sind alle Versicherungszeiten erfasst? Kann ich mir einen vorzeitigen Ruhestand leisten? Wie lässt sich noch für die Rente ansparen? Darum geht es im dritten und letzten Teil der Renten-Serie.

Rente: Welche Schritte sind mit über 50 wichtig für die Rente?

Wer es noch nicht getan hat, sollte sich spätestens jetzt von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beraten lassen. Für eine sinnvolle Beratung muss das gesetzliche Rentenkonto auf dem neuesten Stand sein. Relevant sind alle Beschäftigungszeiten, auch in der ehemaligen DDR oder im Ausland, zudem die Zeiten von Arbeitslosigkeit und Krankheit, Kindererziehung, Schul- und Studienzeiten, ehrenamtliche Pflege von Angehörigen. „Versicherte können eine Kontenklärung jederzeit beantragen und ihr Versicherungskonto damit auf den aktuellen Stand bringen“, sagt Gundula Sennewald, Rentenexpertin bei der DRV Bund. „Das ist beispielsweise auch in Kombination mit der Beantragung von Kindererziehungszeiten möglich.“ Auch wenn Unterlagen – aus welchen Gründen auch immer – erst nach dem Beginn einer Rente eingereicht werden, wird das Versicherungskonto überprüft und für maximal vier Jahre rückwirkend die Rente neu berechnet.

Rente: Was bringen Kindererziehungszeiten für die Rente?

Elternzeit ist nicht gleich Kindererziehungszeit. „Unabhängig, was Eltern mit ihren Arbeitgebern vereinbaren, zählen maximal die ersten 36 Kalendermonate nach der Geburt eines Kindes ab 1992 als Kindererziehungszeit“, sagt Sennewald. „Für vor 1992 geborene Kinder erhalten Eltern bis zu 30 Kalendermonate.“ Diese Kindererziehungszeit können sich Eltern untereinander aufteilen.

Rente: Wie wirkt sich das auf die Höhe der Rente aus?

„Für die Erziehung eines Kindes wird der erziehende Elternteil so gestellt, als hätte er ein Durchschnittsentgelt verdient“, sagt Sennewald. Das heißt, pro Erziehungsjahr gibt es rund einen Entgeltpunkt. Das entspricht seit dem 1. Juli 2023 genau 36,70 Euro Rente pro Monat. Für ein ab 1992 geborenes Kind sind somit maximal rund 110 Euro monatlicher Rentenzuwachs möglich. Für ein vor 1992 geborenes Kind sind es 92 Euro monatlich.

Rente: Wie kann man im höheren Alter noch finanziell vorsorgen?

Die Möglichkeiten unterscheiden sich nicht von denen, die 20- bis 35-Jährige haben, die im zweiten Teil der Renten-Serie ausführlich geschildert wurden: Sparplan mit vermögenswirksamen Leistungen, Direktversicherung vom Arbeitgeber, Sparplan auf einem breit angelegten Aktienindex mit einem kostengünstigen, börsengehandelten Indexfonds (ETF) sind mögliche Lösungen. Nur ist im Alter 50plus das Problem, dass wesentlich weniger Zeit bis zum Rentenbeginn zur Verfügung steht, um auf diesem Weg Geld anzusparen. Bei der Direktversicherung setzen manche Anbieter eine Grenze von 55 Jahren für den Abschluss. Anders die Signal Iduna. „Wir haben keine Altersbegrenzung, aber eine Mindesteinzahldauer von zwei Jahren“, sagt ein Sprecher der Versicherung. Fakt bleibt: Das fortgeschrittene Alter schränkt die Anlagemöglichkeiten ein und schmälert das Sparergebnis.

Wie viel Geld braucht man im Ruhestand?

Bei der Berechnung der Beispielfälle in der Grafik wurden 80 Prozent des Nettogehalts als erstrebenswerte Rentenhöhe angesehen. Denn im Ruhestand wird in der Regel etwas weniger Geld als im Arbeitsleben benötigt, weil etwa Fahrten mit dem Auto zur Arbeit wegfallen oder die Beiträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht mehr aufgebracht werden müssen. Am Ende hängt es aber immer von den individuellen Bedürfnissen ab: Wer im Ruhestand viele Fernreisen unternehmen will, wird den Geldbedarf anders einschätzen als jemand, der sein Glück im Campingurlaub findet.

Orientiert man sich bei der Berechnung der individuellen Rentenlücke an den durchschnittlichen Ausgaben eines Rentnerhaushalts, wie sie vom Statistischen Bundesamt berechnet wurden, fällt die Rentenlücke ganz anders aus: Eine Akademikerin mit ihrer rund 2160 Euro hohen Rente hätte dann gar keine Lücke mehr, weil die durchschnittlichen Ausgaben einer Frau im Rentenalter nach Angaben der Statistiker bei rund 1700 Euro pro Monat liegen. Bei einem verheirateten Facharbeiter würde sich die Rentenlücke auf knapp 200 Euro verringern, wenn man die Hälfte der Ausgaben eines Paares anrechnet. Aber ein angelernter Beschäftigter mit einer niedrigen Rente von 1058 Euro hätte eine Rentenlücke von rund 770 Euro. Sein geringes Einkommen zwingt ihn jetzt schon zu einem unterdurchschnittlichen Lebensstil.

Lässt sich die Rentenlücke von Niedrigverdienern noch schließen?

Für Ältere mit einem aktuellen Nettoeinkommen von knapp 1800 Euro im Monat (siehe Beispielrechnung für den Angelernten in der Grafik) ist es unmöglich, die absehbare Rentenlücke von 350 Euro zu schließen, wenn es nicht noch eine große Erbschaft gibt. Würde man 50 Euro vom eigenen Einkommen zusammen mit Abgabenvorteilen und Zuschüssen des Arbeitgebers (alles in allem 103 Euro monatlich) über seinen Arbeitgeber in eine Direktversicherung investieren, prognostiziert die Allianz eine monatliche Rente von 67 Euro. Sie könnte noch höher ausfallen, wenn der Arbeitgeber mehr beisteuert als den obligatorischen Zuschuss. Einen Vorteil hat die niedrige Zusatzrente: Sie wird nicht mit Abgaben zur Kranken- und Pflegeversicherung belastet.

Steckt eine Niedrigverdiener die 50 Euro in einen Aktien-ETF auf dem weltweiten Aktienindex MSCI Word hat er ein höheres Anlagerisiko. Wenn es so gut läuft wie in der Vergangenheit, hat er dann aber auch mehr Geld zur Verfügung. Die historischen Durchschnittsrendite dieser Anlage liegt bei 7,2 Prozent. Nach 17 Jahren Ansparzeit kann daraus ein Kapital von rund 19.600 Euro werden. Bei einem mit zwei Prozent verzinsten Entnahmeplan kann er so über 20 Jahre monatlich knapp 100 Euro entnehmen, bevor das Kapital aufgebracht ist. Dennoch bleibt die finanzielle Situation des Niedrigverdieners im Alter völlig unbefriedigend. Er hat deshalb einen Anspruch auf einen Zuschlag zu seiner Altersrente, der häufig als Grundrente bezeichnet wird. Das Berechnungsverfahren ist mehr als kompliziert. Die DRV prüft von sich aus, ob die Voraussetzungen für den Zuschlag erfüllt sind. Im Schnitt werden 86 Euro als Zuschlag pro Monat gezahlt. Im Beispielfall sollte der Niedrigverdiener auf mehr als 100 Euro Zuschlag kommen. Bei seinem Alterseinkommen kann er zudem mit rund 400 Euro Wohngeld in Hamburg rechnen.

Was kann eine gut verdienende Akademikerin noch tun?

Die Frau in unsere Beispielrechnung hat bereits eine gesetzliche Rente, die rund 60 Prozent über dem Durchschnittsniveau für Frauen liegt. Bis zur Rente verbleiben noch 14 Jahre. Bei ihrem hohen Einkommen ist es nicht verwunderlich, dass schon eine zusätzliche Vorsorge existiert. Die drohende Rentenlücke von rund 770 Euro im Vergleich zu 80 Prozent ihres Nettoeinkommens wird durch eine Betriebsrente in Höhe von 300 Euro auf 470 Euro reduziert. Außerdem hat sie einige Ersparnisse. Diese will sie als Basis für einen Sparplan nutzen, der zunächst über zehn Jahre laufen soll. Dann will sie weitersehen.

30.000 Euro zum Start und monatlich 350 Euro fließen je zur Hälfte in internationale Aktien und festverzinsliche Wertpapiere. Entwickeln sich die Kapitalmärkte mittelgut, werden daraus rund 100.000 Euro. Läuft es schlecht an der Börse, müsste sie sich mit 76.000 Euro begnügen, zeigt eine Berechnung der Anlageplattform Weltsparen. Sind es 100.000 Euro, die in einem mit zwei Prozent verzinsten Entnahmeplan angelegt werden, ergibt das monatlich rund 420 Euro über 25 Jahre. Damit ist die Rentenlücke der Beispiel-Akademikerin fast komplett geschlossen.

Rente: Wie sorgt der Beispiel-Facharbeiter zusätzlich vor?

In den vergangenen Jahren hat er sein Reihenhaus saniert. Bereits in zwei Jahren wird das Eigenheim abbezahlt sein. Dann fallen die monatlichen Raten für die Rückzahlung des Kredits weg. So bleiben ihm also bis zur Rente noch sieben Jahre, um das bislang für das Abbezahlen des Hauses aufgewendete Geld für die Altersvorsorge anzulegen und die drohende Rentenlücke zu verringern. Zudem ist er verheiratet und seine Frau rechnet mit einer etwas höheren Rente. Zusammen werden sie rund 3000 Euro gesetzliche Rente im Monat haben – plus das in den letzten Jahren angesparte Geld. Und sie können mietfrei wohnen.

Rente: Was geschieht, wenn man früher in Rente geht?

Für den 58 Jahre alten Facharbeiter ist das eine Option, weil er auf mehr als 45 Beitragsjahre kommt. Sein normaler Renteneintritt wäre mit 67 Jahren. Mit 65 Jahren kann er aber abschlagfrei in Rente gehen. Da ihm dann aber zwei weitere Jahre Einzahlungen fehlen, würde seine Rente geringfügig niedriger ausfallen. Mit der Übernahme eines 520-Euro-Jobs könnte das aber mehr als ausgeglichen werden.

Die Beispiel-Akademikerin kann auf Grund ihres späteren Berufseintritts nicht mehr auf 45 Beitragsjahre kommen. Sie kann erst mit 67 Jahren abschlagfrei in Rente. Will sie schon mit 63 Jahren in den Ruhestand, reduziert das in einer etwas vereinfachten Rechnung ihre Rente um 14,4 Prozent oder 302 Euro. Für jeden Monat den sie vor dem ihrem regulären Rentenalter ausscheidet werden 0,3 Prozent abgezogen. Mit freiwilligen Einzahlungen können diese Kürzungen ausgeglichen werden. Das erfordert allerdings einen fünfstelligen Betrag. Will die 53-Jährige drei Entgeltpunkte hinzukaufen um die Rente um gut 110 Euro Monat zu erhöhen, muss sie dafür 28.123 Euro einzahlen.