Hamburg. In Aussicht gestellt wurden einst hohe Summen. Doch die Realität ist eine andere. Die Rendite ist mickrig, wenn es überhaupt eine gibt.
Etliche Tausend Beschäftigte bei Verlagen, PR- und Werbeagenturen in Hamburg bauen auf eine Altersvorsorge des Versorgungswerks der Presse. Doch gerade die älteren unter den Kunden des Spezialversicherers machen alljährlich eine bittere Erfahrung: Während vielen bei Abschluss der Lebensversicherung vor rund 30 Jahren eine Ablaufleistung von fast 700.000 Mark, umgerechnet also knapp 358.000 Euro, in Aussicht gestellt worden war, erreicht der prognostizierte Betrag in der jeweils im Mai erstellten Standmitteilung schon seit längerer Zeit nicht einmal mehr die Hälfte der ursprünglich genannten Summe, nämlich gut 150.000 Euro.
Zudem muss man entsprechend einem seit Anfang 2004 geltenden Beschluss der damaligen Bundesregierung auch noch knapp 20 Prozent der Leistung von Betriebsrenten als Sozialbeiträge abführen, sofern man gesetzlich krankenversichert ist. Damit schrumpft das fürs Alter erhoffte Polster noch einmal drastisch. Zieht man von der Auszahlungssumme die genannten Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge ab, bekommt man nur ungefähr so viel heraus, wie man im Laufe der Jahre eingezahlt hat – und das waren über Jahrzehnte immerhin rund 350 Euro pro Monat.
Ärger mit der Presseversorgung: Tausende Hamburger betroffen
Bei der Verbraucherzentrale Hamburg kennt man die Problematik. In der Beratung stoße man immer wieder auf „Enttäuschungen“ im Zusammenhang mit dem Presseversorgungswerk, sagt Sandra Klug, Abteilungsleiterin Geldanlage/Altersvorsorge/Versicherungen bei der Verbraucherzentrale. „Aber eine mittlerweile äußerst magere Rendite ist nicht untypisch für eine Lebensversicherung.“ Die lange Niedrigzinsphase habe die Branche eben „stark gebeutelt“.
Hinzu kommt, dass es sich bei der Presseversorgung um eine Art Kombi-Produkt handelt, das außer einer Kapital- und Risikolebensversicherung auch noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung umfasst. In diese fließe „ein großer Teil“ des Beitrags, vermutet Sandra Klug.
Beim Versorgungswerk der Presse, hinter dem die vier Konsortialpartner Allianz (knapp 92 Prozent), Axa, R+V sowie HDI stehen, will man diesen Anteil auf Anfrage nicht beziffern. Zu der erheblichen Diskrepanz zwischen dem einstmals angegebenen Prognosewert für die Auszahlung und den heute noch erwarteten Ablaufleistungen aber äußert sich Geschäftsführer Manfred Hoffmann: „Ich kann vollkommen verstehen, wenn Versicherte darüber enttäuscht sind.“
Presseversorgung liegt in Sachen Gesamtverzinsung noch weit oben
Man müsse aber berücksichtigen, dass etwa die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen Mitte der 1990-er Jahre zwischen sechs und sieben Prozent lag, später jedoch sogar bis in den negativen Bereich abrutschte. Aktuell sind es rund 2,5 Prozent. Ein Großteil der Kapitalanlagen der Presseversorgung steckt in festverzinslichen Papieren. Generell bietet der Versicherer nach eigener Darstellung jedoch ein „attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis und hohe Überschussbeteiligung – auch wegen Verzichts unserer Gesellschafter auf Dividenden“.
Tatsächlich liegt das Presseversorgungswerk in diesem Jahr mit einer um 0,5 Prozentpunkte auf 4,0 Prozent erhöhten Gesamtverzinsung im Branchenvergleich weit oben. Der Rating-Agentur Assekurata zufolge beläuft sich der Marktschnitt auf 3,12 (Vorjahr: 2,83) Prozent. Zum Vergleich: Der Allianz-Konzern gewährt auf die unter seiner eigenen Marke vertriebenen klassischen Lebensversicherungen 3,5 Prozent. Beim Hamburger Anbieter HanseMerkur hingegen gibt es nur gerade einmal 2,1 Prozent.
Presseversorgung: Rein rechnerisch liegt die Rendite nur bei rund einem Prozent
Es bleibt die Frage, warum die reale Rendite der Presseversorgung so gering ausfällt: Man kann auf Basis der jetzt genannten Ablaufleistungs-Prognose und bei einer Beitragszahlung von monatlich rund 350 Euro über 30 Jahre errechnen, dass sie bei nur etwa einem Prozent pro Jahr liegt. Dabei ist für Verträge, die in den 1990-er Jahren abgeschlossen wurden, noch eine Mindestverzinsung von entweder 3,5 Prozent oder 4,0 Prozent festgeschrieben worden. Sie musste auch während der Niedrigzinsphase gewährleistet sein – für jeden Lebensversicherer eine Bedingung, die nicht ohne hohen Aufwand zu erfüllen ist.
Doch abgesehen von den Kosten der mit enthaltenen Berufsunfähigkeits-Police gibt es die Mindestverzinsung, ebenso wie eine darüber hinausgehende Überschussbeteiligung, nur auf den sogenannten Sparanteil einer Lebensversicherung. Das sind 75 bis 90 Prozent der Beiträge. Der Rest wird für Verwaltungs-, Risiko- und Abschlusskosten benötigt. „Wegen der hohen Kostenbelastung sind diese Produkte aus unserer Sicht nicht für die Altersvorsorge geeignet“, sagt Verbraucherschützerin Klug.
Berücksichtigen muss man bei einer derart langen Vertragslaufzeit außerdem die Wirkung der Inflation. Denn selbst wenn es heute den ursprünglich einmal in Aussicht gestellten Betrag von 358.000 Euro tatsächlich als Auszahlung gäbe, hätte der nicht annähernd mehr die gleiche Kaufkraft wie die rund 700.000 Mark damals. In den zurückliegenden 30 Jahren ist die Kaufkraft um fast 42 Prozent gesunken.
Ein Aktien-Sparvertrag hätte 6,5 Prozent Jahresrendite gebracht
Weitaus besser als mit der Presseversorgung hätte jemand abgeschnitten, der seit 1994 regelmäßig jeden Monat einen festen Betrag in einen DAX-Aktienkorb investiert hätte. Das ergab nach Berechnungen des Deutschen Aktieninstituts eine durchschnittliche Rendite von 6,5 Prozent pro Jahr. Wirklich fair ist ein solcher Vergleich mit einer Lebensversicherung allerdings nicht, denn diese gewährleistet eine garantierte Verzinsung zumindest auf den Sparanteil, während ein Aktieninvestment bei unglücklichem Timing auch in einem Verlust resultieren könnte.
Außerdem sei die Presseversorgung ja nicht nur als Sparprodukt gedacht, sagt Hoffmann, sondern als umfassende Vorsorge – einschließlich einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die auf eine Gesundheitsprüfung verzichtet, was eher unüblich ist. Und rund 20 Prozent der etwa 152.500 Verträge des Branchenversicherers wurden gewissermaßen nicht freiwillig abgeschlossen, sondern aufgrund von Tarifverträgen oder Rahmenabkommen der Arbeitgeber.
Presseversorgung: Viele Kunden zahlen Sozialbeiträge gewissermaßen doppelt
Gerade diesen Kundenkreis aber trifft die sogenannte Doppelverbeitragung, die nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen im Jahr 2020 vom Bundessozialgericht bestätigt wurde: Obwohl die obligatorisch versicherten Arbeitnehmer die Monatsbeiträge für die Presseversorgung aus ihrem Nettoeinkommen – also nach Abzug von Sozialbeiträgen – zahlen, müssen sie auf die Ablaufleistung dann noch einmal Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge abführen. Selbst im Fall des Unfalltodes des Versicherten gehen den Hinterbliebenen von der dann fast doppelt so hohen Leistung knapp 20 Prozent als zu zahlender Sozialbeitrag verloren.
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Vielleicht auch angesichts der Erfahrungen, die ältere Kolleginnen und Kollegen mit der Presseversorgung machen mussten, ist sie längst kein Selbstgänger mehr, wie Verbraucherschützerin Klug beobachtet: „Wenn sie es sich aussuchen können, entscheiden sich viele junge Menschen in der Branche, nicht einzuzahlen.“