Hamburg. Kupferkonzern ertappt einen Beschäftigten auf frischer Tat. Wie der Dieb im Detail vorging. Und was Aurubis zu dem Vorfall sagt.

Die Kette von Diebstählen im Hamburger Werk des Kupferkonzerns Aurubis reißt nicht ab: In der vergangenen Woche ist ein weiterer Fall aufgeflogen, bestätigte das Unternehmen jetzt auf Anfrage des Abendblatts. Der Konzern erstattete Anzeige gegen einen Beschäftigten, der versucht hatte, sogenannten Anodenschlamm vom Werksgelände zu schmuggeln – auf skurrile Weise.

Das Unternehmen wertet die Aufdeckung der Tat als Erfolg der verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und -kontrollen im Werk. „So machen wir kriminelle Machenschaften frühzeitig sichtbar. Gleichzeitig leiten wir daraus weitere Schutzmaßnahmen ab“, sagte ein Unternehmenssprecher. Eben weil man sehr viel genauer hinschaue würden nun vermehrt Taten aufgedeckt. „Da überrascht es nicht, dass wir weiteres Sicherheitslücken schließen.“

Anodenschlamm ist ein höchst wertvolles Nebenprodukt bei der Kupferelektrolyse. Dabei wird sogenanntes Rohkupfer, das zu 98 Prozent aus Kupfer und zu zwei Prozent aus anderen Metallen besteht, in großen Becken voller Wasser und Schwefelsäure und mithilfe von elektrischem Strom zu hochreinem, annähernd 100-prozentigem Kupfer veredelt. Die anderen Metalle bilden am Boden des Beckens eine Schlammschicht.

Erneut Diebstahl bei Aurubis – mit überraschendem Trick

Die sieht ziemlich unspektakulär aus – wie grau-braun-schwarze Schlacke oder Erde. Tatsächlich aber besteht Anodenschlamm zu großen Teilen aus Gold, Platin, Silber und weiteren wertvollen Edelmetallen, die in weiteren Produktionsschritten aus ihm gewonnen werden.

Genau dieses unscheinbare Aussehen machte sich der Aurubis-Beschäftigte beim Abtransport des noch feuchten Anodenschlamms offenbar zunutze. Nach Informationen des Abendblatts entwickelte er hohe kriminelle Kreativität und nutzte dabei eine Thermoskanne. In der war zu Schichtbeginn wohl noch Kaffee, allerdings nicht Filterkaffee, sondern aus Kaffeemehl direkt in der Kanne aufgebrühten. Der zurückbleibende Bodensatz ist auf den ersten Blick von feuchtem Anodenschlamm nur schwer zu unterscheiden.

Beute Anodenschlamm: Sieht aus, wie er heißt, ist aber wertvoll

Diesen Gold-, Platin- und Silberschlamm schmuggelte auch ein Beschäftigter vom Werksgelände, der im Januar bei einer internen Sicherheitskontrolle aufgeflogen war. Er hatte nach Angaben der Polizei von damals gleich mehrere Kilo des getrockneten Materials in seinem Rucksack. Bei anschließenden Durchsuchungen bei dem langjährigen Beschäftigten und bei zwei weiteren Aurubis-Mitarbeitern sei Anodenschlamm im Wert von 500.000 Euro gefunden worden, hieß es.

Wie hoch der Wert des Materials ist, das jetzt gestohlen werden sollte, konnte der Aurubis-Sprecher nicht sagen. Er betonte: „Feuchter Anodenschlamm ist im Vergleich zu dem daraus gewonnenen Feinmetall deutlich weniger werthaltig.“

Der Thermoskannen-Fall ist der jüngste in einer ganzen Reihe von kriminellen Taten auf dem Werksgelände an der Hovestraße auf der Veddel. Insgesamt fehlt bei Aurubis Edelmetall im Wert von knapp 170 Millionen Euro, stellte sich im Sommer 2023 heraus. Im Februar dieses Jahres verurteilte das Landgericht Hamburg eine Bande von sechs Männern zu teils langen Haftstrafen. Sie hatten bei Aurubis sogenannte Silberfegsel mit hohem Gold- und Silbergehalt im Wert von mehr als 10 Millionen Euro mitgehen lassen.

Betrug und Diebstahl bei Aurubis: Derzeit zwei Ermittlungsverfahren

Außer in dem im Januar aufgeflogenen Anodenschlamm-Fall, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg nach Angaben von Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering, der Sprecherin der Ermittlungsbehörde „wegen des Verdachts des Betruges“ bei und zulasten von Aurubis und „gegen unbekannt“. Nach allem, was bekannt ist, ist dem Unternehmen Recyclingschrott untergeschoben worden, der weit weniger wert war, als es den Anschein hatte.

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Mindestens ein Lieferant machte dabei gemeinsame Sache mit mindestens einem Beschäftigten in der Unternehmensabteilung, die Proben nimmt, analysiert und den Wert der im Schrott befindlichen Edelmetalle festlegt. Am Ende zahlte das Unternehmen für ausgediente Kfz-Katalysatoren viel zu hohe Preise.

Zu diesen beiden derzeit laufenden Ermittlungsverfahren wird nun wohl ein drittes hinzukommen – der Fall um den Goldschlamm in der Thermoskanne.