Hamburg. Ein junger Gründer baut schwimmende Häuser. Sein Anspruch: Nachhaltig müssen sie sein. Was die Boote kosten und wie sie entstehen.
Im Diamantgraben an der Süderelbe hat Michael Oehmcke schon drei Handys versenkt. Der Schiffbauingenieur hat sich direkt hinterm Neuländer Hauptdeich in Harburg seinen Traum erfüllt: Er betreibt eine eigene kleine Werft inklusive Bootsvermietung, auch Liegeplätze verpachtet er. Dabei ist ihm aber schon mehrmals etwas aus der Brusttasche seiner Arbeitsjacke in die Elbe gerutscht. Weil Oehmcke und sein Team in stundenlanger Handarbeit selbst Hausboote bauen, nennt er sein Unternehmen die „Hausboot-Manufaktur“.
Hausboote bauen: Je nach Größe stecken 1000 bis 2000 Arbeitsstunden darin
„Wir planen, reparieren und bauen hier nachhaltige Hausboote“, sagt Oehmcke. Fünfzehn Hausboote liegen am Steg seines kleinen Hafens und schunkeln mit der Tide mit. Fast alle davon hat Oehmcke selbst gebaut oder komplett renoviert. „Je nach Größe stecken etwa 1000 bis zu 2000 Arbeitsstunden in den Booten“, sagt der 35 Jahre alte Schiffbauer.
Jüngst fertiggestellt hat er ein Boot namens Knutschkugel. Seit rund einem Monat ist es für Urlauberinnen und Urlauber buchbar. Wie ein großer orangefarbener Kugelfisch liegt das ehemalige Freifall-Rettungsboot im Wasser. Einst lagerte es auf der Arbeitsplattform eines Windparks in der Nordsee, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Helgoland. Im Ernstfall sollte das Boot bis zu 28 Menschen retten – heute können hier ein bis zwei Personen auf rund elf Quadratmetern einen ungewöhnlichen Hafen-Urlaub verbringen.
Ein eigenes Hausboot gibt es ab 170.000 Euro netto aufwärts
Links in dem kleinen Boot haben Oehmcke und sein Team eine einfach ausgestattete Küchenzeile gezimmert, rechts steht ein 1,80 Meter breites Bett. Mittig im Boot haben sie einen kleinen Sitzbereich gebaut. Auch eine Trockentrenntoilette gibt’s an Bord. „Außerdem haben wir direkt an der Wasserkante ein neues Waschhaus mit Toiletten und Duschen“, sagt Oehmcke.
Im vergangenen Jahr hat er mit seinen Angestellten fünf Hausboote komplett selbst gebaut. Besonders beliebt ist das Modell, das er Tiny 40 nennt: Auf einer Grundfläche von rund 40 Quadratmetern entsteht auf einem Katamaran-Aluminiumrumpf ein individuell gestaltbares Zuhause. Mindestens 170.000 Euro netto kostet ein Modell dieser Art. Der Preis ist aber auch von der Ausstattung abhängig. „Die Preisspanne ist theoretisch nach oben offen“, sagt Oehmcke.
Hausboot-Bauer setzt auf nachhaltiges Material
Der Schiffbauer setzt auf nachhaltiges und recycelbares Material: Einer der Hauptbaustoffe ist neben Aluminium Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft für den Aufbau des Hausboots. Die Energieversorgung ist über Solarpanels komplett autark möglich. Heizen lässt sich per Wärmepumpe oder auch mit einem Pelletofen. Der Schiffsingenieur berät Kundinnen und Kunden zu ihren individuellen Wünschen.
Vor fünf Jahren hat Oehmcke seine eigene kleine Werft aufgebaut, zunächst mit einem Freund. Sein Co-Gründer hat sich inzwischen jedoch beruflich umorientiert. Mittlerweile beschäftigt Oehmcke 16 Menschen – und ist immer auf der Suche nach geeigneten Mechanikern, Elektrikerinnen und Zimmereifachkräften.
Hausboot-Bauer aus Hamburg: So viel Umsatz macht der Unternehmer
Mit seiner Hausboot-Manufaktur sowie seiner zweiten Firma für die Vermietung von Hausbooten und die Verpachtung von Liegeplätzen generiert Oehmcke einen Umsatz von rund 1,5 Millionen Euro im Jahr. „Das liegt zu einem großen Teil auch an den hochpreisigen Materialien, die wir verarbeiten“, sagt Oehmcke. Zum Gewinn sagt der Schiffbauer: „Wir sind ein Start-up und investieren alles, was wir verdienen.“
Vor allem Privatpersonen erfüllen sich bei dem Schiffsingenieur ihren Traum vom Hausboot – die meisten vermieten es im Anschluss. So auch die Besitzer von der „Undine“, das in der Hausboot-Manufaktur im vergangenen Jahr fertiggebaut wurde.
Hamburg-Urlaub auf dem Hausboot: Was es kostet
Bis zu vier Personen können auf den 23 Quadratmetern Innenfläche übernachten: Ein Bett steht auf der fünf Quadratmeter großen Schlafebene, die man über eine kleine Holzleiter erreicht. Im Wohnbereich gibt es eine ausziehbare Couch. Der Boden ist aus Eichenholz, bodentiefe Fenster sorgen im Wohnbereich für viel Licht. Neben einem kleinen Bad und einer Küchenzeile gibt es zwei Terrassen auf dem Boot.
Wer die Undine mieten möchte, zahlt 200 Euro pro Nacht an Wochenenden in der Hauptsaison, hinzu kommt eine Servicegebühr für die Endreinigung, Bettwäsche, Handtücher und WLAN. Unter der Woche und in der Nebensaison ist es etwas günstiger. Die Eigner refinanzieren sich so ihr Hausboot, das sie rund 200.000 Euro gekostet hat.
Veränderte Nachfrage: Hausboot-Bauer bemerkt die Inflation
„Wir haben insgesamt eine gute Nachfrage“, sagt Oehmcke. Trotzdem habe sich die Inflation bemerkbar gemacht. „Die Mittelschicht hält ihr Geld zusammen.“ Die Menschen, die sich den Traum vom Hausboot aktuell leisten können, fragen inzwischen eher größere Hausboote nach. „In diesem Jahr bauen wir eher nur zwei bis drei, dafür aber größere Boote als sonst“, sagt Oehmcke. Ein anderes Projekt in diesem Jahr ist eine Kooperation für Liegeplätze mit einem Hafenbetreiber im Harburger Binnenhafen.
Der Schiffingenieur und sein Team planen und bauen die Boote nicht nur – sie warten sie auch. Einmal im Jahr sollte der Zustand von Rumpf, Fenstern, Dachabdichtung, Wasserpumpe oder Motor geprüft werden. Dafür legen Bootseigner am besten rund ein Prozent des Neupreises zur Seite.
Schiffsbauingenieur: „Ich arbeite 350 Tage im Jahr“
Alle Boote sind als Sportboote zertifiziert. Wer eines fahren will, braucht einen entsprechenden Führerschein. Oehmcke ist seit Kindertagen bootsbegeistert. „Mein Vater hatte ein Bootshaus in Neukalen an der Peene“, sagt der Schiffbauer. „Da haben wir die Wochenenden verbracht“. Auch sein eigenes Hausboot hat der Unternehmer auf seiner Werft stehen.
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Zwar hat der Gründer selten richtigen Urlaub. „Ich arbeite 350 Tage im Jahr und bin fast immer für die Bootseigner und Mieter erreichbar.“ Mit seinem Boot ist der Schiffbauer trotzdem bald wieder unterwegs: Es geht auf die Mecklenburgische Seenplatte. Das Handy hat er in der Brusttasche dabei. Mittlerweile prüft Oehmcke besonders gewissenhaft, ob der Reißverschluss verschlossen ist. Sicher ist sicher.