Hamburg. Fraktionen in der Bürgerschaft sehen nach Karlsruher Haushalts-Urteil Investitionen gefährdet. Das wollen sie nicht hinnehmen.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im vergangenen Herbst den Nachtragshaushalt des Bundes wegen Verstoßes gegen die Schuldenbremse gekippt hatte, steht bundesweit die Finanzierung großer Projekte infrage. In Hamburg könnten etwa der Neubau der Köhlbrandbrücke, der neue S-Bahn-Tunnel vom Hauptbahnhof nach Altona oder ein großes Wasserstoffprojekt im Hafen betroffen sein. Die rot-grüne Mehrheit in der Bürgerschaft fordert daher eine Lockerung der Schuldenbremse.
In einem Antrag, der am Mittwoch im Parlament behandelt wird, ersuchen die Regierungsfraktionen den Senat, sich im Bund für eine Reform einzusetzen. Rot-Grün wolle die Schuldenbremse „flexibler und investitionsfreundlicher ausgestalten, um Investitionen in zentrale Zukunftsaufgaben wie Infrastruktur, Transformation und Klimaschutz zu ermöglichen“, teilte die Koalition mit. Unter anderem schlage man „ein investitionsorientiertes Sondervermögen“ vor, ähnlich dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr.
Rot-Grün will an der Schuldenbremse festhalten – sie aber lockern
Das Urteil habe die Grenzen der Schuldenbremse aufgezeigt, sagte SPD-Haushaltsexperte Milan Pein: „In ihrer aktuellen Fassung verhindert sie dringend notwendige Investitionen – etwa in die Stadtentwicklung, den ÖPNV oder den Klimaschutz.“ Rot-Grün wolle zwar grundsätzlich an der Schuldenbremse festhalten, diese aber „maßvoll und zielgerichtet ergänzen“, so Pein.
Hamburg war von dem Richterspruch zwar nicht direkt betroffen, da es, anders als der Bund und einige Länder, keine ungenutzten Corona-Kredite für andere Zwecke umwidmen wollte. Doch indirekt ist die Stadt auch betroffen, da das Urteil die gesamte Finanzplanung des Bundes durchgeschüttelt hat.
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Der Haushaltsexperte der Grünen, Dennis Paustian-Döscher, spricht von Generationengerechtigkeit: „Wir wollen unseren Kindern nicht nur einen niedrigen Schuldenstand hinterlassen, sondern auch eine intakte Infrastruktur. Die Schuldenbremse ist in ihrer jetzigen Form hierfür keine Hilfe, sondern ein Klotz am Bein. Sie verhindert Investitionen und sorgt dafür, dass wir unser Land nicht fit für die Zukunft machen können.“ Ein 600-Milliarden-Euro-Investitionsstau in Deutschland sei nur mit einer Reform der Schuldenbremse aufzulösen.