Hamburg. Hamburger wird seine Karte gestohlen. Er meldet den Vorfall, aber der Ärger beginnt erst. Es droht sogar Inkasso. Die Hintergründe.

Haspa-Kunde Leon M.* hatte den Diebstahl seiner EC-Karte im vergangenen Sommer in Hamburg längst abgehakt. Der Schaden war zwar ärgerlich, hielt sich aber mit rund 60 Euro in Grenzen. „Ich habe die Karte sperren lassen und bei der Polizei Anzeige erstattet“, sagt der Hamburger, der in Berlin studiert. „Damit dachte ich, die Sache ist für mich erledigt.“ Die meisten Bankkunden werden das ähnlich halten und sich nach einer Sperre über die Telefonnummer 116 116 sicher fühlen. Das ist aber nicht so, wie dieser Fall zeigt.

Denn Betrüger können die Karte auch Monate nach einer Sperre noch im Einzelhandel einsetzen: Bei der Bezahlung mit einer gefundenen oder gestohlenen EC-Karte und gefälschter Unterschrift. Davon ahnte Leon M. im vergangenen Sommer aber noch nichts. „Doch vor wenigen Wochen tauchten auf meinem Haspa-Konto Abbuchungen von Geschäften in Hamburg auf, obwohl ich in der Stadt überhaupt nicht war und dort auch nichts einkaufen konnte“, sagt Leon M..

Haspa: EC-Karte gesperrt, doch Diebe bezahlen weiter

Der Schaden war viel umfangreicher als im Sommer 2023. Mehrere Einkäufe bei Rossmann und Ernsting‘s family summierten sich auf rund 220 Euro. Diese Abbuchungen konnte sich Leon nicht erklären. „Ich rief die Haspa an, doch die Auskünfte der Mitarbeiterin waren keine Hilfe für mich. Meine aktuelle Karte wurde zwar gesperrt, doch die hatte ich ja überhaupt nicht verloren, und die Haspa konnte mir nicht erklären, wie so etwas überhaupt möglich ist.“ Denn die gestohlene Karte war ja längst gesperrt. Zumindest veranlasste die Haspa Rücklastschriften, das Geld landete wieder auf Leons Konto.

Der Vorgang ließ ihm aber keine Ruhe, denn mit seiner aktuellen EC-Karte konnten die Einkäufe nicht bezahlt worden sein. „Mit den Auskünften der Haspa wollte ich mich nicht abspeisen lassen und habe im Internet recherchiert“, sagt Leon. Dort stieß er auf das Sperrverfahren KUNO, von dem er noch nie vorher gehört hatte, wie wahrscheinlich viele andere Bankkunden auch.

Haspa: Zahlungen per Lastschrift müssen mit einem separaten Verfahren gesperrt werden

Denn damit das Lastschriftverfahren mit EC-Karte auch unterbunden wird, ist eine separate Sperrung notwendig, die nur von der Polizei eingeleitet werden kann. „Seit 2006 haben die Polizeibehörden nach und nach KUNO in ihre IT-gestützte Anzeigenerfassung eingebaut, sodass in der Regel der Kontoinhaber von dem Polizeibeamten auf die KUNO–Sperrung aufmerksam gemacht wird“, sagt Marco Atzberger vom EHI Retail Institute. Aber im Einzelfall könne es zu unrechtmäßigen Abbuchungen kommen. Das Kürzel KUNO steht für „Kriminalitätsbekämpfung im unbaren Zahlungsverkehr unter Nutzung nichtpolizeilicher Organisationsstrukturen“.

Mit der Sperrung beim Sperr-Notruf-Verein werden nicht alle Arten von Kartennutzungen unterbunden, sondern nur jene Verfahren, die mithilfe von Banken und Sparkassen stattfinden – vor allem Onlinezahlungen, Geldabhebungen und PIN-Zahlungen an Terminals. Dabei spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle. Der Handel schätzt das Bezahlverfahren per Unterschrift, weil es kostengünstiger ist als andere Verfahren. Bei dem PIN-Verfahren verdient die Kreditwirtschaft an jeder Transaktion. „Die naheliegende Verwendung des Notrufs 116 116 für die Sperrung beider Verfahren ist vor diesem Hintergrund von den Anbietern des Sperrnotrufes nicht gewünscht“, sagt Atzberger.

EC-Karte: Ohne spezielle Ziffer ist die Sperrung nur vorübergehend

Schon nach dem Diebstahl seiner EC-Karte im Sommer 2023 war Leon bei der Polizei in Hamburg. Doch damals wusste er noch nichts von KUNO und was der Beamte in die Wege geleitet hatte oder auch nicht. Die Hamburger Polizei sagt auf Nachfrage, dass bei jeder entsprechenden Anzeige auch über das Kuno-Sperrsystem informiert werde. „Es wird auch ein KUNO-Merkblatt ausgehändigt“, so eine Sprecherin der Polizei.

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Denn eine Sperrung in KUNO ist zunächst nur vorübergehend für einen Zeitraum von zehn Tagen, wie die Hamburger Polizei auf Nachfrage bestätigt. Für eine dauerhafte Sperrung muss der Geschädigte seine Kartenfolgenummer, eine einstellige Ziffer, kennen. Erst dann ist das Lastschriftverfahren mit der gestohlenen EC-Karte dauerhaft gesperrt. Die Kartenfolgenummer kann man auch online nachmelden. Nicht auf jeder EC-Karte ist diese Ziffer allerdings vermerkt. Bei der Haspa ist das nicht der Fall. Auf den Karten der Postbank findet man sie neben der Karten-Nummer. „Die Kartenfolgenummer teilen wir jederzeit gerne mit“, sagt ein Haspa-Sprecher.

Haspa versichert, auf zweites Sperrverfahren hinzuweisen

Konkrete Fragen zu dem Fall hat die Haspa nicht beantwortet, zum Beispiel, warum es keine einheitliche Sperrung für alle Kartenfunktionen gibt. Auch von der deutschen Kreditwirtschaft, der Spitzenorganisation der Verbände der Kreditwirtschaft, gab es dazu keine konkrete Auskunft. Auf das zweite Sperrverfahren „weisen wir unsere Kunden im Verlustfall normalerweise auch ausdrücklich hin und klären auf der Internetseite Sparkasse.de auf“, sagt ein Sprecher der Haspa.

Leon M. hat das ganz anders in Erinnerung. „Erst als ich erneut die Haspa mit meinen selbst gewonnen Erkenntnissen konfrontierte, bestätigte sie mir diese, und ich erfuhr auch meine Kartenfolgenummer, die Voraussetzung für eine dauerhafte Sperrung bei KUNO ist. Diese Informationen hätte ich mir viel früher gewünscht.“

Auch von der Polizei hätte sich der Geschädigte mehr Aufklärung gewünscht

Auf der allgemeinen Internetseite der Sparkassen wird auch nur fündig, wer gezielt mit dem Begriff KUNO sucht, versteckt in einem Artikel über Diebstahl im Urlaub. Wer dagegen die naheliegende Rubrik „Karte sperren“ anklickt, erfährt von dem separaten Sperrsystem nichts.

Gemessen an den Antworten der Kreditwirtschaft dürfte es die unberechtigten Abbuchungen auf dem Konto von Leon gar nicht geben. „Auch von der Polizei hätte ich mir mehr Aufklärung zu KUNO gewünscht“, sagt Leon. „Ich war nach den betrügerischen Abbuchungen zweimal auf einer Wache in Berlin, um die Sache zu klären.“

Haspa: Mit einer Rücklastschrift beginnt der Ärger erst richtig – Inkasso droht

Wenn doch ein Schaden im Zusammenhang mit unberechtigten Kartenabbuchungen auftritt, verweisen die Banken wie auch die Haspa gern darauf, dass Lastschriften innerhalb von acht Wochen ohne Angaben von Gründen problemlos zurückgebucht werden können.

Das geht zwar einfach, doch damit hört der Ärger für den Kunden nicht auf. Obwohl Leon die betroffenen Firmen unmittelbar nach den betrügerischen Abbuchungen telefonisch und schriftlich informiert hat, ist er jetzt mit dem Schreiben einer Inkassofirma konfrontiert.

Es gibt zumindest Hoffnung, vor solchen Schäden bewahrt zu bleiben. Obwohl Kartenzahlungen im deutschen Einzelhandel im vergangenen Jahr wieder um 11,5 Prozent auf 7,50 Milliarden Transaktionen gestiegen sind, ist das Bezahlen per EC-Karte und Unterschrift auf dem Rückzug. Hatte es Anfang der 2000er-Jahre noch einen Anteil von knapp 20 Prozent, so liegt es jetzt bei rund sechs Prozent. Prognose des EHI Retail Institute: weiter abnehmend.

* (Name der Redaktion bekannt, aber geändert)