Hamburg. Ist der Preisverfall schon gestoppt, oder setzt er sich weiter fort? Experten halten beide Szenarien für möglich. Die Hintergründe.

An optimistischen Prognosen für den Immobilienmarkt fehlt es nicht. Spätestens für den Sommer rechnen viele Experten mit einer Belebung des Marktes, also mehr mit mehr Nachfrage nach Wohnhäusern und Wohnungen. Mit den erwarteten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) werde der Einzug in die eigenen vier Wände wieder leichter werden, so lautet die Prognose der Optimisten.

So sieht das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) den Abwärtstrend bei Immobilienpreisen in Deutschland gestoppt, denn es habe im vierten Quartal 2023 bei den Preisen für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern schon wieder eine leichte Aufwärtsbewegung gegeben, im Vergleich zum Vorquartal. „Der Markt hat eine Phase der Bodenbildung erreicht“, sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des IW. Die Phase stärkerer Preisreduktionen sei in der zweiten Jahreshälfte 2023 beendet worden, eine Kehrtwende scheine erreicht zu sein.

Immobilien Hamburg: So tief könnten die Preise noch fallen

„Auch vor dem Hintergrund der für das Jahr 2024 erwarteten weiteren Zinssenkungen für Immobiliendarlehen, starken Mietpreisanstiegen und positiven Einkommensentwicklungen privater Haushalte ist damit zu rechnen, dass der Kaufmarkt in eine Phase der Normalisierung eintritt“, sagt Voigtländer.

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Immobilienanalysten erwarten jetzt zumindest eine längere Phase der Bodenbildung. Zwar sind sie nicht so optimistisch wie das IW, aber die Immobilienpreise werden demnach nicht mehr so stark sinken wie bisher erwartet. So rechnen die Experten nur noch mit einem durchschnittlichen Rückgang um 1,7 Prozent statt um 2,8 Prozent, wie er noch im November 2023 erwartet wurde. Weil weniger Neubauten auf den Markt kommen, werde eine Verknappung des Angebots zu einem Aufwärtsdruck bei den Preisen führen, heißt es.

Immobilien: „Preisverfall wird sich bis in das Jahr 2025 erstrecken“

Die Vermittler von Immobiliendarlehen wittern ebenfalls bereits Morgenluft. Während im vergangenen Jahr viele Kaufinteressierte aufgrund der gestiegenen Zinsen und der nach wie vor hohen Immobilienpreise Abstand vom Erwerb eines Eigenheims nahmen, hat sich die Lage laut dem Baugeldvermittler Dr. Klein seit November vergangenen Jahres positiv verändert: „Das derzeit günstige Zinsniveau führt zu einer Belebung des Marktes, die Nachfrage nach Baufinanzierungen hat spürbar zugenommen“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG.

Doch es gibt auch ganz andere Stimmen, die davon ausgehen, dass die Talfahrt des Immobilienmarktes noch nicht beendet ist. Der Immobilienmarkt in Deutschland wird „mindestens bis ins erste Quartal 2025 weiter korrigieren“, erwartet das Technologie- und Immobilienunternehmen PREA in einer umfangreichen Studie. „Unser erwartetes Szenario sieht vor, dass die Preise bis zum Ende des Jahres auf das Niveau von Anfang 2017 zurückfallen werden.“

Wirtschaftslage drückt auf die Stimmung potenzieller Käufer

Auch der Wirtschaftswissenschaftler und frühere Vizepräsident der Uni Hamburg, Karl-Werner Hansmann, sieht noch nicht das Ende des Preisrückgangs in Hamburg gekommen. „Dafür gibt es bei der Wirtschaftslage zu viele Risiken, das drückt auf die Stimmung der potenziellen Käufer, die unter gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen leiden und vor dem Kauf von älteren Bestandsbauten zurückschrecken, weil sie nicht wissen, welche Kosten und Auflagen auf sie zukommen.“

Was bedeuten Preise von 2017 für Hamburg? Der Hamburger Makler Grossmann & Berger (G&B) analysiert seit Jahren die Immobilienpreise in der Stadt. 2017 lag der Durchschnittspreis für ein Einfamilienhaus aus dem Bestand mit guter Bausubstanz in guter Wohnlage bei 4500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Für Ende dieses Jahres geht G&B sogar von nur noch 4400 Euro aus, was auf dem Niveau von 2016 liegt und der Prognose von PREA sehr nah kommt. Ein Haus mit einer Wohnfläche von 130 Quadratmetern würde dann 572.000 Euro kosten. Das sind rund 20 Prozent weniger als zum Zeitpunkt des Preisgipfels im Jahr 2021.

„Bis zu 25 Prozent Preisabschlag sind noch möglich“

Bei einer Eigentumswohnung aus dem Bestand in guter Wohnlage und ohne Renovierungsstau lag der Preis 2017 bei 3800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Das ist etwas weniger als G&B für dieses Jahr erwartet (4100 Euro). Bezogen auf eine Wohnfläche von 80 Quadratmetern würde ein solches Objekt dann 304.000 Euro kosten. Das sind 25 Prozent weniger als zum Zeitpunkt der Immobilienpreis-Hochs.

Blickt man auf die Angebotspreise, also die Preisforderungen der Verkäufer, liegen deren Vorstellungen weiterhin meilenwert von diesen prognostizierten Preisen entfernt. Sowohl für Häuser wie auch für Eigentumswohnungen werden im Durchschnitt mehr als 5000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche gefordert.

Immobilienpreise sind rund zehn Jahre permanent gestiegen

Was viel erscheint, ist gar nicht so dramatisch. Denn meistens werden die Angebotspreise nach unten verhandelt, und Abschläge von zehn bis 20 Prozent sind dabei nicht ungewöhnlich. Das gilt erst recht, wenn die Immobilien eine schlechte Energieeffizienz haben. „Eigentümer energetisch schlechter Immobilien werden in Zukunft immer größere Schwierigkeiten bei der Vermietung, beim Verkauf und auch bei der Finanzierung ihrer Immobilien bekommen“, sagt Roman Heidrich, Experte für Wohnimmobilienbewertungen beim Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle (JLL).

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Die Experten von PREA kommen aufgrund verschiedener Faktoren zu ihrer Einschätzung, dass die Preise weiter fallen werden: Der Immobilienmarkt sei von einer gewissen Trägheit geprägt. Es dauere Jahre, bis sich wieder ein neues Gleichgewicht am Markt einstelle. Die Immobilienpreiskrise dauere bislang noch nicht einmal zwei Jahre – nachdem die Preise vorher rund ein Jahrzehnt permanent gestiegen seien, also mindestens 40 Quartale.

Abschwung am Immobilienmarkt dauert bis zu 28 Quartale

Die PREA-Experten haben auch internationale Immobilienzyklen analysiert. So dauert zwar die Aufschwungphase länger als die Abwärtsbewegung, aber es gibt einen Zusammenhang zwischen der Dauer des Aufschwungs und der Korrektur. So dauern die Aufschwungsphasen im internationalen Durchschnitt zwischen 16 und 41 Quartale. Dabei steigen die Preise jährlich zwischen 6,9 und 13,5 Prozent.

Die Abschwungphasen weisen im Mittel eine Länge zwischen acht und 28 Quartalen auf, wobei die jährlichen Preisrückgänge zwischen 4,6 und 10,5 Prozent liegen. Auf das gesamte Jahr 2023 bezogen sind die Preise für Einfamilienhäuser in Hamburg um 5,8 Prozent und für Eigentumswohnungen um 7,0 Prozent gefallen, wie aus den Daten des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP) hervorgeht, der sich auf tatsächliche Verkaufspreise stützt. Klar ist auch, in den Korrekturphasen frisst der Preisrückgang nicht den gesamten Zuwachs während des Aufschwungs auf. Während im internationalen Durchschnitt die Preise insgesamt zwischen 37 und 110 Prozent stiegen, lagen die Rückgänge in der Abschwungphase zwischen 20 und 56 Prozent.

Eigentumswohnungen verteuerten sich in Hamburg um 164 Prozent seit 2010

Zur Erinnerung: Nach den Daten des Gutachterausschusses in Hamburg stieg der durchschnittliche Preis für eine Eigentumswohnung von 2010 bis 2021 um 164 Prozent auf 6600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Vieles spricht dafür, dass die Preiskorrektur nicht schon nach sechs oder acht Quartalen beendet ist. Allerdings schränkt die PREA-Studie ein: In den deutschen Top-sieben-Städten, wozu auch Hamburg gehört, könnte es sein, dass der Preisverfall aufgrund der zuletzt stark gestiegenen Mieten weniger stark ausgeprägt ist.

Der Hamburger Immobilienexperte Hansmann rechnet damit, dass die Preise in Hamburg in diesem Jahr noch einmal um rund fünf Prozent fallen werden. Mit einer Gegenbewegung rechnet er erst im nächsten Jahr. „Sicher ist aber auch das nicht.“

Immobilien Hamburg: Sinkende Zinsen und sinkende Preise müssen zusammenkommen

Dass die Immobilienpreise in diesem Jahr wieder steigen sollen, wird von vielen Experten mit sinkenden Zinsen begründet. Ab dem Sommer werde die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen wieder senken, so die Erwartung. Angesichts der sinkenden Inflationsrate spricht viel dafür. Aber die Konditionen für langfristige Immobilienkredite orientieren sich eher an zehnjährigen Bundesanleihen und Pfandbriefen. Wer dem Staat für zehn Jahre Geld leiht, bekommt gerade einmal eine Rendite von 2,30 Prozent.

Diese Zinsen und auch die für Pfandbriefe müssten also noch deutlich sinken, um eine Wirkung auf die Baugeldkonditionen zu haben. „Damit rechne ich aber nicht“, sagt Hansmann. Denn die ständigen Diskussionen um Staatshaushalt und Schuldenbremse zeigen, dass Deutschland gern sehr viel mehr Geld am Kapitalmarkt aufnehmen möchte. Etwa für die Finanzierung eines Kapitalstocks der staatlichen Rente oder die Transformation der Wirtschaft. Das werden die Anleger kaum mit weiter sinkenden Zinsen belohnen.

Bisher verharren die Zinsen für langfristige Baufinanzierungen oberhalb von 3,50 Prozent. Sie müssten sich schon in Richtung drei Prozent oder darunter bewegen und gleichzeitig sich die Immobilienverkäufer von ihren überhöhten Preisvorstellungen verabschieden, damit der Immobilienmarkt wieder in Schwung kommt. Ob das alles noch in diesem Jahr eintrifft, ist völlig offen.