Hamburg. Den perfekten Urlaub buchen – ein Chatbot namens „Holly“ hilft dabei. Das Hamburger Unternehmen Honeepot macht es möglich. Die Details.
Die Grundidee zu dem Produkt des Hamburger Start-ups Honeepot kam dem Firmengründer Torsten Ostmeier schon vor mehr als 20 Jahren. Der damalige IT-Manager wollte eine Urlaubsreise für seine Familie mit zwei kleinen Kindern im Internet buchen. „Dabei musste ich auf jeder Webseite immer wieder das Gleiche eingeben“, sagt er. „Nach einer Weile dachte ich: es müsste doch eigentlich ein Portal geben, wo ich angeben kann, was ich möchte und das mir dann ein passendes Angebot sucht.“
Im Jahr 2017 ging eine erste Anwendung, noch unter dem früheren Firmennamen Desiretec, beim Reiseveranstalter Tui in Betrieb. Die von Ostmeiers Team entwickelte Software konnte erkennen, wenn ein potenzieller Kunde die Online-Buchungsseiten zu verlassen drohte, und reagierte darauf mit einer Reise-Offerte auf Basis der bis dahin bekannten Rahmenbedingungen.
KI aus Hamburg: Wenn künstliche Intelligenz den Berater im Reisebüro ersetzt
Doch das neueste Produkt, das seit wenigen Tagen bei Eurowings Holidays, der Reiseveranstaltermarke der Fluggesellschaft Eurowings, im Einsatz ist, geht deutlich darüber hinaus. Denn hier fragt ein sogenannter Chatbot namens „Holly“ die Besucher der Webseite gleich von sich aus schriftlich nach ihren Urlaubswünschen – mittels der Sprachverarbeitungssysteme des Künstliche-Intelligenz-Spezialisten OpenAI (ChatGPT).
Wie ein menschlicher Reiseberater macht Holly Vorschläge anhand von Angaben etwa zum bevorzugten Klima, einer Obergrenze für den Reisepreis, der maximal gewünschten Flugzeit zum Ziel und möglichen Vorlieben für sportliche Aktivitäten. Auch eventuelle körperliche Einschränkungen, die zum Beispiel einen barrierefreien Strandzugang erforderlich machen, oder Sonderwünsche im Hinblick auf das Essen werden berücksichtigt, ebenso Onlinebewertungen von Hotels.
Aus Milliarden von Flug- und Hotel-Kombinationen werden drei Angebote erstellt
Aus Milliarden von Flug- und Hotel-Kombinationen werden auf Basis der Angaben drei Angebote für komplette Pauschalreisen herausdestilliert, die man dann auch gleich buchen kann. Nach Angaben von Eurowings Holidays ist Holly der erste Online-Reiseberater in der deutschen Touristik, der diese Funktionalität bietet.
Gerade in Deutschland, wo noch immer mehr als 40 Prozent aller Urlaubsreisen über Reisebüros gebucht werden, weil die Menschen einen persönlichen Ansprechpartner schätzen, bei dem auch Nachfragen möglich sind, findet ein mittels künstlicher Intelligenz (KI) simulierter Berater nach Auffassung von Ostmeier einen aussichtsreichen Markt.
„Der Durchschnittspreis der über unser Produkt gebuchten Reisen liegt bei 2200 Euro“
Wie der Honeepot-Chef erklärt, zielt das Unternehmen – wie schon zu Desiretec-Zeiten - primär darauf ab, für die Reiseveranstalter eine deutlich höhere Internet-Bucherquote zu erreichen. Denn im Schnitt verlassen mehr als 99 Prozent der mit meist erheblichem Werbeaufwand gewonnenen Online-Besucher die Webseite wieder, ohne sich für eine Reise entschieden zu haben.
„Da liegt unsere große Chance“, so Ostmeier. Unter den Nutzern des Chatbots hingegen liege die Buchungsquote bei mehr als vier Prozent. „Somit erreichen unsere Kunden einen höheren Umsatz ohne zusätzliche Kosten“ – weil Honeepot erst nach erfolgter Buchung eine Provision erhält. Hinzu komme: „Der durchschnittliche Preis der über unser Produkt gebuchten Reisen liegt bei 2200 Euro und damit um mindestens 500 Euro höher als der Gesamtdurchschnittspreis.“
Neben Eurowings Holidays setzt unter anderem auch die HLX Touristik sowie deren Marke Lufthansa Holidays auf die Technik der Hamburger. Dabei wird nicht nur die Optik des Onlinechats stets dem jeweiligen Firmenkunden angepasst: „Eurowings Holidays hat sich dafür entschieden, die Nutzer im Dialog zu ‚duzen‘, bei Lufthansa Holidays werden sie förmlicher mit ‚Sie‘ angesprochen“, sagt Ostmeier.
Honeepot will schon bald auch eine Spracheingabe verwenden
Aktuell arbeitet sein Team schon an Erweiterungen. Über OpenTable soll es künftig möglich sein, einen Tisch im Restaurant in Echtzeit reservieren zu können. Auf der Branchenmesse ITB, die am 5. März beginnt, will Honeepot zudem eventuell bereits einen Chatbot mit Spracheingabe und -ausgabe vorführen. „Die KI-Sprachmodelle beherrschen das schon, sie können bisher nur noch nicht so gut Deutsch“, so Ostmeier.
Schon bald will man nicht mehr ausschließlich die KI-Systeme von OpenAI nutzen, sondern auf Sprachmodelle unterschiedlicher Anbieter zurückgreifen können. „Ich halte es für meine Pflicht als Unternehmenschef, technische Risiken möglichst gering zu halten“, sagt Ostmeier. Aufgrund von Hackerangriffen war es in den zurückliegenden Monaten mehrfach zu Störungen beim Textgenerator ChatGPT gekommen. Sorgen um die Datensicherheit der Honeepot-Nutzer seien jedoch unbegründet, denn diese blieben für die KI-Systeme anonym.
Ostmeier arbeitet außerdem daran, das Start-up weniger abhängig von der krisenanfälligen Touristik zu machen. Noch in diesem Jahr will man die Technologie auch auf eine weitere Branche, wohl zunächst die Finanz-Szene, zuschneiden. Das dafür erforderliche Geld soll auch von der Hamburger Förderbank IFB kommen.
Das Start-up plant eine Vier-Tage-Woche für die Beschäftigten
Neben den Gründern haben bisher zwei in der Reisewirtschaft sehr bekannte „Business Angels“ in das Unternehmen investiert: Karlheinz Kögel, früher Chef von L’TUR und Gründer von HLX Touristik, sowie Ralph Schiller, ehemaliger Chef des Reiseveranstalters FTI. „Wir sprechen derzeit mit weiteren potenziellen Investoren“, sagt Ostmeier.
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Einschließlich der drei Gründer – neben Torsten Ostmeier sind es Dario Peter und Konrad Gulla – hat Honeepot aktuell zehn fest angestellte Beschäftigte, insgesamt arbeiten 18 Personen daran mit. In den nächsten zwölf Monaten will man noch fünf bis zehn weitere Personen fest „an Bord holen“.
Für die eigene Belegschaft soll künftig die Vier-Tage-Woche gelten. „Damit gehen wir auf die Wünsche junger Menschen zur Work-Life-Balance ein“, erklärt Ostmeier. Der Großteil der Beschäftigten werde am Freitag frei haben, sagt er. „Für mich selbst nehme ich das aber nicht in Anspruch.“