Hamburg. Wohnungswirtschaft und Mieterverbände haben heftig um die Berechnungsmethode gestritten. Das hat womöglich Folgen für die Mieten.
Der neue Mietenspiegel für Hamburg hat hinter den Kulissen für mächtigen Ärger gesorgt. Die aufwendige Erhebung, wonach die Durchschnittsmiete für frei finanzierte Wohnungen von 2021 bis 2023 um 5,8 Prozent oder 54 Cent auf 9,83 Euro pro Quadratmeter gestiegen ist, stand nach Abendblatt-Informationen kurz vor dem Platzen, weil sich Senat, Wohnungswirtschaft und Mietervereine lange nicht auf eine Berechnungsmethode verständigen konnten.
Am Ende einigten sich die wesentlichen Akteure zwar, doch der Verein „Mieter helfen Mietern“ sorgte dennoch für ein Novum: Der kleinere der beiden Hamburger Mietervereine erkennt den Mietenspiegel erstmals seit 30 Jahren nicht an – anders als der größere „Mieterverein zu Hamburg“ und die Wohnungsverbände.
Mietenspiegel Hamburg: Anstieg um 5,8 Prozent auf 9,83 Euro pro Quadratmeter
„Mieter helfen Mietern“ (MhM) begründet seine demonstrative Haltung vor allem damit, dass statt der bislang üblichen Durchschnittsmiete nicht der Median aus den abgefragten Mietverträgen ermittelt wurde. „Der Median liegt genau in der Mitte einer Datenverteilung und ist resistenter gegen Ausreißer“, so MhM in einer Stellungnahme. „Sehr teure Mieten bekommen so weniger Gewicht. In der Folge sinken die in den Mietenspiegeln ausgewiesenen Mittelwerte deutlich.“
Berlin habe den Mietenspiegel schon 2019 auf diese Berechnungsmethode umgestellt, so „Mieter helfen Mietern“. Doch in Hamburg habe sich die Stadtentwicklungsbehörde „auf Drängen der ebenfalls im Arbeitskreis vertretenen Wohnungswirtschaft dazu entschieden, die Einführung auf den nächsten Mietenspiegel 2025 zu verschieben“, kritisierte der Verein.
Wohnungswirtschaft leistete heftigen Widerstand gegen neue Berechnungsmethode
Beim Landesverband Nord des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) verhehlt man nicht, dass der geplante Methodenwechsel „auf heftigen Widerstand aus der Wohnungswirtschaft“ gestoßen ist, so eine Mitteilung des Verbands. „Da der diesjährige Mietenspiegel eine Fortschreibung von 2021 ist, hätte der Wechsel in der Methodik – sozusagen mitten im Rennen – die Ergebnisse verzerrt. Als Konsequenz wäre der Mietenspiegel 2023 rechtlich angreifbar gewesen“, sagte BfW-Vorstandsmitglied Kay Brahmst.
Mit „verzerrt“ meinten die Vertreter der Wohnungswirtschaft: Die für Mieter und Vermieter verbindlichen Orientierungswerte im Mietenspiegel wären deutlich niedriger ausgefallen – und das angesichts stark steigender Kosten. Nach Abendblatt-Informationen geht es dabei um rund 40 Cent weniger pro Quadratmeter. Das klingt wenig, hätte die nun ausgewiesene durchschnittliche Steigerung um 54 Cent aber nahezu aufgefressen.
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der vor allem „soziale Vermieter“ wie die Genossenschaften vertritt, äußerte sich zwar nicht direkt zu diesem Konflikt, wies aber ebenfalls darauf hin, dass der Anstieg im Mietenspiegel „deutlich unter der aktuellen Inflationsrate“ liege, während viele Wohnungsunternehmen gleichzeitig unter „einem dramatischen Anstieg der Baupreise und der Zinsen“ litten.
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Dennoch haben die Wohnungsverbände eingewilligt, dass beim nächsten Mietenspiegel 2025 der Median statt des arithmetischen Mittels zur Anwendung kommt. Daher dürfte der Mietenanstieg in zwei Jahren relativ gering ausfallen. Und noch einen Kompromiss gab es: Schon für den aktuellen Mietenspiegel wurden mehr Extremwerte oben und unten gekappt, sodass nur 95 statt bislang 99 Prozent der betrachteten Verträge in die Berechnung einflossen – das hatte eine dämpfende Wirkung auf die Mieten.
Neuer Mietenspiegel für Hamburg: Senat war Einigkeit wichtig
Dieser Punkt, der für 2025 vereinbarte Methodenwechsel sowie das gemeinsame Ziel, rechtswidrige Mieten aus dem nächsten Mietenspiegel herauszuhalten, haben dazu geführt, dass der „Mieterverein zu Hamburg“ den Mietenspiegel akzeptiert. Dieser sei „ein hart erstrittener Kompromiss“, so der Vorsitzende Rolf Bosse. Aber damit sei „sichergestellt, dass wir die Renditeinteressen der Vermieter in den nächsten zwei Jahren im Zaum halten“.
Den angestrebten Methodenwechsel hin zum Median „hätten wir nicht erreicht, wäre der Mietenspiegel 2023 in der jetzt gegebenen Form nicht zustande gekommen“, so Bosse. Im Senat wird das im Prinzip ähnlich gesehen: Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) war zwar offen für die neue Methode, doch die Einigkeit zwischen Stadt, Wirtschaft und Mieterverbänden beim Mietenspiegel war ihr unterm Strich wichtiger. Und die wurde erreicht, auch wenn sie nach dem Ausstieg von „Mieter helfen Mietern“ einen kräftigen Riss hat.