Hamburg. Kampf um 350 Arbeitsplätze bei Öl- und Gaskonzern. Arbeiter verlassen Deutschlands einzige Offshore-Plattform – symbolisch.
Die schockierende Nachricht kam Anfang September, und seitdem ist am Standort Hamburg des Öl- und Gaskonzerns Wintershall Dea die Stimmung der Beschäftigten im Keller. Das Unternehmen hat angekündigt, in Deutschland 300 Arbeitsplätze abzubauen, um Kosten zu reduzieren. Das wird vor allem Hamburg treffen, bisher einer der beiden Standorte der Unternehmenszentrale. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) fürchten, dass in der Hansestadt sogar 350 Jobs gestrichen werden – und ein Teil der Hamburger Belegschaft nach Kassel versetzt wird.
Protest bei Wintershall Dea: Spektakuläre Aktion auf Bohrinsel gegen Job-Kahlschlag
Am Dienstag machten die Beschäftigten ihrem Unmut Luft, der Großteil der Hamburger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter protestierte vor dem Firmensitz in der HafenCity gegen die Pläne. Sie forderten den Erhalt ihrer Arbeitsplätze in Hamburg –mindestens aber „faire Abfindungsregelungen“, wie der Betriebsratsvorsitzende Günther Prien sagt. Unterstützt wurden sie dabei von den Beschäftigten an anderen Standorten von Wintershall Dea. „Allein in Kassel haben sich 120 bis 150 Kolleginnen und Kollegen beteiligte“, sagte Prien dem Abendblatt.
Die spektakulärste Solidaritätsaktion für die Hamburger Kollegen aber fand etwa 100 Kilometer entfernt in der Elbmündung statt: Die gut 100 Arbeiter auf Deutschlands einziger Ölbohr- und -förder-Plattform Mittelplate vor der Nordseeküste in Dithmarschen verließen symbolisch ihre Arbeitsplätze und gingen für einige Zeit an Bord eines Versorgungsschiffs. „Wir kämpfen für unser aller Arbeitsplätze“ stand auf einem der Protestplakate.
Betriebsrat: „Gier schaltet die Vernunft anscheinend aus“
Wintershall Dea begründet die Sparmaßnahmen mit dem Verlust etwa der Hälfte seines Geschäfts in Russland nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Der Hamburger Betriebsratschef Prien erhebt schwere Vorwürde gegen das Management und gegen den Mutterkonzern BASF. „Wie vermeintlich erfahrene Manager aus dem BASF-Konzern solche Abhängigkeiten von einem Land wie Russland eingehen konnten, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Dies ist wieder einmal ein deutliches Beispiel dafür, wie kurzfristige Gier die Vernunft anscheinend ausschaltet“, sagte er.
Die Verantwortung für einen fairen Sozialplan müsse jetzt auch von BASF übernommen werden, nachdem man viele Jahre lang hohe Dividenden aus Russland bezogen habe. Den BASF-Vorstandschef Martin Brüdermüller forderte er auf: „Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihre Beschäftigten und nicht nur für Ihre Aktionäre.“
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Zuletzt gab es Spekulationen, BASF wolle seine Mehrheitsbeteiligung an Wintershall DEA verkaufen und zuvor für den künftigen Eigentümer attraktiv machen. Hamburgs IG-BCE-Chef Jan Koltze sagte: „Welches auch immer die Gründe sind: Den Standort Hamburg aufzugeben ist die falsche Entscheidung. Das Unternehmen lebt auch von den vielen Experten, die hier arbeiten und die Wintershall Dea nun zu verlieren droht.“